Illustration: André Liegl

Liebe Leser, liebe Darmstädter,

um ein Haar wäre diese Kolumne nicht erschienen. Grund dafür ist schlichtweg eine Krankheit. Wie Männergrippe, nur viel schlimmer. Aber was will ich Euch mit Einzelheiten langweilen, es ist Herbst, Euch wird das gleiche Schicksal ereilen. Kleiner Tipp vorweg: Viel trinken!

In den letzten warmen Sommertagen des Jahres wurde die wunderbare Idee geboren, Urlaub zu machen. Urlaub ist so etwas wie an der Kasse stehen: Man wartet, dass die Anderen fertig mit Meckern sind, ihre Einkäufe und Kinder verpackt haben und den Weg für dich freigeben, das Gleiche zu tun, nur ohne Kinder. Hotels, Pensionen und Hostels werden in der Nachsaison reizvoll, weil der Andrang in Urlaubsregionen rückläufig ist. Rasch also alle sieben Lieblingsstoffbeutel packen, rein ins Automobil, raus aus dem Alltag und ab in die Entspannung. Für 14 Tage, 3.401 Kilometer. Das ist das Ziel. Zunächst gilt es aber, eine wichtige Lektion zu lernen: Der wahre Charakter eines Menschen zeigt sich im Berufsverkehr. Und – aber das verinnerlicht sich erst im Laufe der Zeit – auf Autobahnen ohne Tempolimit, engen Land- und Bergstraßen mit Tempolimit (100 km/h) und natürlich im Stau (0 bis 10 km/h).

So der Schmetterling im Grunde nur eine bunte Motte ist, verhält es sich mit vierrädrigen Verkehrsteilnehmern: Je schöner, größer und moderner das Gefährt ist, desto wahrscheinlicher wird es, dass sich am Steuer eine Arschgeige versteckt hat. Tatsächlich sind Fahrer größerer Wagen zumeist körperlich recht klein und schnell fahrende Wagen sind auch nur in der Theorie schneller unterwegs, wie ich an zahlreichen Rastplätzen sowie an der ein oder anderen Baustelle stichprobenartig kontrollierte. Sowieso ist Rücksicht ein antiquiertes Gut geworden. Drängeln, hupen, meckern, den Anderen den Platz wegnehmen, Stänkern, rechts überholen: Das sind ja längst nicht alles nur Probleme der Straße. Hupen vielleicht schon, aber das wird sich sicherlich auch noch ändern.

Die „Ich, ich, ich“-Generation wird sich in der Zeit vor Weihnachten, also terminlich ab jetzt, besinnen und mit reichlich Nächstenliebe in den sozialen Netzwerken vertreten sein. „Hach, ich habe immer noch nicht alle Geschenke zusammen!“ heißt übersetzt: „Ich bin ein selbstloser Mensch und denke häufig an meine Freunde und Familie. Und auch ohne einem Konsumrausch verfallen zu müssen, könnte ich ihnen das natürlich auch noch häufiger und selbstverständlicher zeigen. Aber hey, es ist Weihnachten, da macht man das halt auf diese Weise.“ Die Nummer des Kältebusses diverser Städte zu teilen, heißt: „Es interessiert mich den Rest des Jahres einen feuchten Kehricht, dass es Obdachlose gibt, aber im Winter! Im Winter könnten sie erfrieren! Ruft doch diese Nummer an, dann muss ich das nicht tun.“ Ungeachtet dessen, ob es diese Nummern tatsächlich gibt oder nicht, Obdachlose auch in jeder anderen Jahreszeit Hilfe benötigen, man sonst von der „globalen Erderwärmung“ spricht und „der Winter früher kälter war“ – oder man sich selbst mal ernsthaft in einem sozialen Projekt engagieren könnte.

Prinzipiell ist es wie mit dem warnblinkenden Fahrzeug, das uns auf einer kurvig-engen Landstraße mit 120 km/h entgegen gebrettert kommt: Manchmal ist es vielleicht ein Arzt im Einsatz, manchmal muss man einfach „nur so“ hupen und bremsen. In jedem Fall ist jemand vor und meistens auch jemand hinter uns. Aber was erzähl ich da! Wir sind ja krank. In diesem Sinne, liebe Leser und Darmstädter: Zieht Euch warm an – und gute Besserung!

Eure Moppel

PS: An alle Arschgeigen dieser Welt: Ihr seid Arschgeigen.

 

Wer ist diese Moppel?

Moppel Wehnemann arbeitet in Frankfurt für das „Caricatura – Museum für Komische Kunst“, außerdem als Fotografin und Teilzeit-Bloggerin. Der Pop-Redakteur Linus Volkmann nennt sie „eine beliebte und prominente Akteurin aus der Titanic-Clique.“ Ihre Hobbys: Bier, American Football, Postkarten und Satire. Außerdem ist Moppel Initiatorin der erfolgreichen Open-Air-Reihe „Bier trinken und Joggern gute Tipps zurufen“. Künftig wird Moppel unseren Kolumnisten-Pool mit ihren Beobachtungen des Alltagswahnsinn bereichern.

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