Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Dass die Stadtkirche ein offener Ort ist, ein Treffpunkt für alle – unabhängig von Alter oder Glaube – das ist Karsten Gollnow wichtig. „Die Kirche muss in den Dialog mit der Gesellschaft treten. Anders funktioniert es heute nicht mehr“, ist sich der 59-Jährige sicher. Dass er als nicht religiös Erzogener einmal als Pfarrer arbeiten würde, hätte er nie gedacht. Dass er als gebürtiger Kölner mal in Darmstadt leben würde, auch nicht. Sein Resümee fällt aber positiv aus: „Es ist sehr gut so, wie es ist.“

Nach Hessen kam Karsten durch seinen Vater, der im Rhein-Main-Gebiet Arbeit fand. „Wir lebten in Ober-Roden und wenn ich abends weggehen wollte, gab es zwei Möglichkeiten: Frankfurt oder Darmstadt.“ In dieser Zeit lernte er die Heinerstadt und ihre Kneipen kennen. „Die Kirchen noch nicht, das kam erst später – mit der Friedensbewegung.“ Auch in Ober-Roden habe es damals eine engagierte Kirchengemeinde gegeben, die sich gegen den NATO-Doppelbeschluss stark machte. Da sich Karsten gerne auch politisch engagierte, machte er mit und blieb hängen. „Die Gemeindearbeit fand ich spannend, ich fuhr auf Kirchentage und half bei der Jugendarbeit mit.“ Irgendwann sei die Entscheidung gefallen, Pfarrer zu werden. „Als jemand, der nicht aus einer Kerngemeinde kam, musste ich mir viele Dinge selbst erschließen. Deswegen komme ich bis heute gut mit Menschen klar, die mit der Kirche nichts anfangen können. Ich helfe gerne dabei, einen Zugang zu finden – deswegen ist mir die Kulturarbeit so wichtig.“

Kulturell interessiert ist Karsten auch privat. Er spielt Gitarre in einer Jazzcombo, schätzt Locations wie das Literaturhaus oder die Bessunger Knabenschule. Als Pfarrer hat der zweifache Familienvater seit drei Jahren eine zweigeteilte Stelle, ist halb Gemeindepfarrer, halb Kulturpfarrer. Letztere soll bald gestrichen werden und das findet Karsten gar nicht gut: „Die Kirche schneidet sich damit ein Bein ab. Wenn es keine Jazzkonzerte, keine Lesungen und Jamsessions mehr in der Stadtkirche gibt, geht ihre Einzigartigkeit verloren.“ Aktuell macht er sich dafür stark, die so wichtige Kulturarbeit in Darmstadts Mitte weiterzuentwickeln – in einer umgebauten, barrierefreien „Citykirche 2030“, deren Eingangsbereich sich architektonisch zum Stadtkirchplatz öffnet. Innen: Kirchenbänke raus, flexible Bestuhlung, mobiles Kirchencafé und Bar (in Zusammenarbeit mit der benachbarten Zoo Bar) für die Abendveranstaltungen rein. Platz schaffen für den Café-Plausch mit Kinderwagen, für Studierende, die mit Laptop arbeiten, für Crossover-Gottesdienste, für Kunst und Musik. Ein Ort, der Alltag und Heiliges, Sakrales und Profanes verbindet. „Wir geben uns Mühe, etwas zusammenzubasteln. Schön wäre ein Begegnungsraum für alle. Und der liebe Gott ist mit dabei und freut sich, dass was los ist.“

 

Karsten Gollnow im Gespräch mit Rainer Lind

Ein sehenswertes Video-Portrait mit Karsten Gollnow findet Ihr in der Interview-Reihe des Darmstädter Künstlers Rainer Lind.

Das Video findet Ihr hier: https://rainer-lind.de/2020/12/24/karsten-gollnow-pfarrer/