Kickschuh 1
Foto: Jan Ehlers

Man könnte sagen, Matthias Kneifl (36) spielt, oder besser, schreibt in einer anderen Liga. Denn ihn interessieren besonders die Kuriositäten und Ereignisse aus der Welt des Fußballs, über die die Fachpresse nie berichtet. Der Blogger, der von 1998 bis 2005 Politik und Geschichte in Darmstadt studierte, arbeitet hauptberuflich in der Pressestelle eines IT-Unternehmens. Allerdings schlägt sein Journalistenherz seit jeher für das runde Leder. Mit seinem Blog „Kickschuh“, den er seit etwa einem Jahr betreibt, füllt er genau die Schnittmenge seiner beiden Leidenschaften: Fußball und das Schreiben.

Dabei kommt ihm auch sein Geschichtsstudium häufig zugute, sind seine Artikel doch immer sehr gut recherchiert und ausführlich verfasst. Tatsächlich wählte er für seine Magisterarbeit das Thema „Fußball-Länderspiele im Kontext der bundesdeutschen Außenpolitik bis 1955“. Seine Arbeit wurde wenig später sogar von der Redaktion des Magazins „11Freunde“ aufgegriffen: „Ich bin wirklich dankbar, dass mein Professor das Thema zugelassen hat“, bekennt Matthias.
 Ein Praktikum beim VfB Stuttgart machte ihm aber, trotz der tollen Saison 2002/03, ebenfalls schnell deutlich, wie schnelllebig und anstrengend die Fußballbranche und die dortige Pressearbeit ist. Vieles hänge natürlich von den Spielergebnissen, aber auch von Gerüchten ab, berichtet Matthias.

Fußball als soziale Komponente des Lebens

Als Fußballbegeisterter kam er während seiner Zeit in Darmstadt natürlich auch nicht an den „Lilien“ vorbei. Und so begleitete er einige Freunde damals zum ersten Mal ins Böllenfalltorstadion – und besucht auch heute noch oft die Spiele. „Fußball hat für mich eine soziale Komponente. Wenn ich ins Stadion gehe, treffe ich immer Freunde.“ Und trotz anfänglicher Verwunderung über den 98er-Anfeuerungsruf „Lilie“ klebt heute Selbige auf seinem Auto.

Das Schöne am Bloggen sei, dass man – im Gegensatz zum Printmedium – ins Detail gehen (und auch mal ausschweifen) kann. „Da kommt der Historiker in mir raus.“ Wer aber wie Matthias sehr speziellen Fußball-Fragen und -Themen nachgeht – zum Beispiel: Warum konnten sich große Teile Asiens und Afrikas noch nie für eine WM qualifizieren? Warum spielt Surinam nicht im südamerikanischen Fußballverband? Warum gibt es im schwedischen Södertälje zwei aramäische Profiklubs? Wie erging es Vereinen eigentlich, nachdem sie Insolvenz anmelden mussten? Und in welchen Meisterschaften in Europa herrscht ein gesunder Wettbewerb und welche sind zementiert? – der hat auch allen Grund, ohne Zeichenlimit zu schreiben.

Genau hier setzt Matthias als Fußball-Blogger an. Er liefert umfangreiche Berichterstattung rund um den Fußball und hakt dort nach, wo der Mainstream nicht hinsieht. Dazu stöbert er im Internet und in Printmedien und stolpert häufig über Meldungen, die Themen aufgreifen, ohne sie zu vertiefen. Hier will er mehr wissen und recherchiert: Einer der jungen russischen Nationalspieler stammt aus Beslan, wo es 2004 eine blutige Geiselnahme in einer Schule gab – „So was fällt mir auf und das picke ich mir raus.“

Tiefgang statt Meinungsmache

Trotz des hohen Rechercheaufwands möchte er weiterhin etwa alle zehn Tage etwas online veröffentlichen und erklärt: „Ich möchte keine Meinung machen, sondern Tiefgang liefern.“ Zur EURO 2012 hat er hingegen jeden Tag einen kürzeren Hintergrundbeitrag gebracht, etwa jenen über den erwähnten russischen Nationalspieler.

Matthias würde auch gerne wieder in die Fußballbranche zurück. Dann aber lieber als vereinsunabhängiger Journalist, denn wer nah am oder gar im Verein arbeite, verliere schnell die Illusionen, was als Fan gleichzeitig nicht sehr erfüllend sei.

Auch wenn er wie 2006 für die großen Frankfurter Zeitungen eine ganze WM-Sonderbeilage der Stadt Frankfurt mitbetreut hat, recherchiert der Blogger und junge Vater meist aus persönlichem Interesse. Wie über die Fußballlandschaft in Venezuela zum Beispiel. „Vieles in meinem geografischen Wissen ist irgendwie fußballorientiert.“

Ihm persönlich liegen natürlich auch weiterhin die „Lilien“ am Herzen. So erläutert er, grundsätzlich müssten die 98er zusehen, dass die angekündigten Verstärkungen in der Winterpause Volltreffer seien, sonst würde es in der Rückrunde ganz schwer. Ein Abstieg wäre vermutlich erst einmal wieder damit verbunden, längere Zeit „weg vom Fenster“ zu sein. Das zeigen die bisherigen Absteiger seit Einführung der eingleisigen dritten Profiliga. Die meisten sind noch nicht wieder zurückgekehrt. Matthias drückt aber natürlich die Daumen: „Für mich war die Erfahrung des permanenten Stadionbesuchs in Darmstadt wichtig. Es hat mit dazu beigetragen, das Thema Fußball für mich noch mehr zu festigen.“

 

www.kickschuh.wordpress.com