Das Pallaswiesen- und Mornewegviertel (PaMo) ist nicht gerade das Postkartenmotiv unserer Stadt. Vornehmlich zeichnen Hauptbahnhof, Industrie und Gewerbe beziehungsweise deren Überreste das Erscheinungsbild der Straßenzüge. Doch der Schein trügt …
Denn zwischen geplatztem Putz, zerschlagenen Fenstern und gerissenem Asphalt tummeln sich im PaMo immer mehr Akteure der Darmstädter Kultur- und Kreativwirtschaft. In einer Mischung aus Straßenfest und Tag der offenen Tür laden diese am 31. Mai/1. Juni zur Erkundung und zum Kennenlernen ein.
Tonstudios, Medienagenturen, Ateliers, soziokulturelle Vereine, Theaterkompanien und viele weitere Akteure wirken hierzu gemeinschaftlich am neuen Format „PaMo Parkour – Kunst und Kultur im Quartier“ mit – und realisieren im Verbund ein mannigfaltiges Programm. „Das Festival soll ein Porträt des Viertels in seiner Vielfalt sein“, kündigt Jurek Werth an und lädt dazu ein, „das Potenzial des Viertels zu erlaufen“. Mit seinem Gestaltungsbüro „social.form“ koordiniert er das Projekt im Schulterschluss mit beteiligten Akteuren.
Besonders eng wird dabei mit dem Kulturverein Prima e. V. zusammengearbeitet. Dieser hat sich mit seiner Gründung auf die Fahne geschrieben, neue kulturelle Impulse im öffentlichen Raum zu setzen. Seit 2023 hat der Verein im Quartier seine Adresse und leistet die zentrale Projektfinanzierung des Parkours. Die Motivation umreißt Bianca Biernatek von Prima e. V. so: „Wir wollen vor allem Orte kulturell beleben, die in der öffentlichen Wahrnehmung eher untergehen oder als wenig attraktiv gelten.“ Gestärkt werden soll mit diesem Engagement vor allem die Arbeit der unzähligen ehrenamtlichen Kulturprojekte in unserer Stadt, die sich – teils notgedrungen – oft eher in Nischen bewegen.
Erstmals aus dem Dornröschenschlaf erweckt wurde das PaMo inmitten der Pandemie. Der Leerstand in einer alten Tankstelle Im Niederfeld 8 wich im Sommer 2021 der „Kulturtanke“. Zuvor hatte sich hier bereits 2020 das Schuldruckzentrum im hinteren Souterrain samt seiner Mitmach-Druckerei eingerichtet. Das soziokulturelle Projekt war entlang seiner niedrigschwelligen Partizipationsmöglichkeiten ein voller Erfolg.
Eine alte Tankstelle als Anker
Der Stimulus der Kulturtanke aus dem Coronasommer war nachhaltig. Die alte Tankstelle wirkt heute wie ein Anker. Um sie herum hat sich „ein loses Netzwerk aus spannenden Kulturbetrieben, Proberäumen und Vereinen etabliert“, erklärt Jurek.
An der Kulturtanke findet folgerichtig auch die feierliche Eröffnung am Vorabend des Parkours statt, bevor Ihr samstags entlang von Livemusik, Ausstellungen, Führungen sowie Workshops- und Mitmach-Angeboten das oft unscheinbar wirkende Quartier erkunden könnt. An verschiedenen Standorten erwarten Euch offene Ateliers, Hoffeste und Bühnen, die von den ansässigen Sozio-Kultur-Initiativen und Unternehmen der Kreativwirtschaft bespielt werden.
Auf dem Göbel-Gelände und rund um die Kulturtanke könnt Ihr die Tag & Nacht Studios entdecken, das bereits erwähnte Schuldruckzentrum und Prima e. V. besuchen, aber auch hinter die Kulissen der Theatergruppen Theater Transit, Theater Quarantäne und Theaterlabor Inc. blicken. Ebenfalls auf dem ehemaligen Industriegelände erwartet Euch der bundesweit bekannte Bildhauer Detlef Kraft.
Neuinterpretation des urbanen Raums
Wo früher eine Motorenfabrik ihren Standort hatte, arbeiten heute Kreative in Medienberufen. Umringt von post-industrieller Architektur haben an der Landwehrstraße die Medienagenturen BSB Film und Christinemusics, die Tonstudiogemeinschaft von Nektarium Music und Raum 103 sowie das Atelier Wolf Werk ihre Wirkungsstätten. Hier findet die urban-kulturelle Entdeckungstour am Abend auch ihren programmatischen Ausklang mit einem Abschlusskonzert.
Aus der Unsichtbarkeit gehoben werden sollen aber nicht nur die ansässigen Initiativen und Unternehmen, sondern auch die Menschen, die hier leben. Die Sozialstruktur ist von Armut geprägt. Der Alltag vieler ist von prekären Realitäten gezeichnet. Orte der Begegnung wie die Orangerie in Bessungen oder den Riegerplatz im Martinsviertel sucht man vergebens. Aufgefangen wird dieses Defizit einzig von der ebenfalls am Programm beteiligten Stadtteilwerkstatt PaMo.
Der PaMo Parkour ist so auch ein Versuch, diesen Mangel zu beheben, einen Raum für Kultur zu schaffen beziehungsweise urbanen Raum neu zu interpretieren. Und zwar als Raum, der gemeinschaftliches Erleben, Entdecken und Zusammentreffen, aber auch Reibung und Auseinandersetzung ermöglicht – und so auch unsere Ideen und Vorstellungen für das urbane Zusammenleben im PaMo, aber auch in ganz Darmstadt beflügelt.
„PaMo Parkour“
Fr, 31.5., 18 Uhr: Eröffnung an der „Kulturtanke“
Sa, 1.6., 11 bis 19 Uhr: „PaMo Parkour“ (an mehreren Standorten) mit Ausstellungen, Flohmarkt, Workshops, Live-Musik, Kinderdisco und mehr.
Alle Programmdetails und Uhrzeiten findet Ihr online unter: pamo-parkour.de