Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

„Das ist einfach mein Platz“, sagt Liss Schäfer und meint damit ihren Secondhand-Laden „Pompadour“ – und das Martinsviertel. So etwas wie hier gebe es eigentlich nicht mehr – so ein Miteinander, das Kund:innen, die Besitzer:innen der inhabergeführten Ladengeschäften und die, die im Viertel leben, mit einschließt. „Wir tragen Sorge füreinander, erhalten einen ganz besonderen Lebensraum. Und die Menschen, die das erkennen, die pflegen, was sie bei uns vorfinden.“

Was Liss begeistert, ist die Tatsache, dass Wohnen, Arbeiten und Leben in ihrem „Watzeviertel“ Hand in Hand gehen. Genau das stellte sie sich vor, als sie Anfang der Neunziger einen heruntergekommenen Laden in der Schuknechtstraße mietete und die Räumlichkeiten nebenan gleich mit dazu. „Ich wollte sichergehen, dass die richtigen Leute reingehen – und das hat geklappt“, erzählt die 65-Jährige. Ob Kindermodegeschäft Mimikie, Designladen Lindberg oder Grüner Salon, der früher Liss direkter Nachbar war: „Unsere Grundhaltung war immer dieselbe. Das Viertel ist ein Kiez, in dem man nicht zu Pompadour, in den Blumenladen oder ins Schwarz-Weiß-Café geht, sondern zu Liss, Silvia und Sabine.“

Die Intention für das, was Liss seit 1994 tut – nämlich gebrauchte, wertige Damenbekleidung zu verkaufen – reicht weiter als das Bestreben, nachhaltig unterwegs zu sein: „Mein Wunsch war es, einen Raum für Frauen zu schaffen.“ Schon in Gießen, wo sie Heil- und Sonderpädagogik studiert hatte – eine Fachrichtung, in der sie später aus Ablehnung des Umgangs mit dem Thema Behinderung nicht länger tätig sein wollte –, engagierte sie sich in der Frauenpolitik. „Zu Zeiten meiner Mutter mussten sich Frauen noch die Erlaubnis holen, wenn sie sich die Haare abschneiden wollten. Ein Forum, das auch im Alltag funktioniert, war daher meine Idee.“ Und die ging auf: Noch immer treffen sich bei ihr Alt und Jung, erzählen von Lebensplänen und Liebschaften – und einmal hat sich laut Liss sogar eine Alleinerziehende-Mütter-WG bei ihr im Laden gefunden.

Liss hat keine Kinder, aber nach ihrem verstorbenen Mann Mario, der guten Seele des Martinsviertels, ihren zweiten Ehemann Franz. Der steht voll hinter ihr und unterstützt sie, wo er nur kann, berichtet sie. Gemeinsam mit ihm lebt Liss im Paulusviertel – eine Ecke Darmstadts, in der sie „nach dem Gewurschtel im Laden“ zur Ruhe kommen kann. Als Ausgleich ist sie als Naturheilkunde-Fan auch gerne in der Natur unterwegs. Am Feierabend liebt sie Bücher, Musik, Kunst, Kreatives, Kultur und Kochen. Das Arbeiten aber ist ihr eine Herzensangelegenheit, deshalb hat Liss gerade den Mietvertrag für die nächsten zehn Jahre Pompadour unterschrieben. Sie ist überzeugt: „Es geht darum, das Leben mit all seinen Facetten aufzunehmen und im Hier und Jetzt zu gestalten.“

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