Foto: Jan Ehlers

Nach zahlreichen Supports für Genre-Größen wie Brant Bjork, Colour Haze oder My Sleeping Karma sowie einigen Jahren Bandgeschichte ist Ende Mai endlich die langerwartete Debüt-EP der Darmstädter Psychedelic-Krautrock-Band Lucid Void erschienen. Grund genug, sich auf einen kleinen Schnack zu treffen, um Jakob, Béla, Max und Samba zu eben jener EP auszufragen: Wie es ist, in Corona-Zeiten eine Platte zu veröffentlichen und wieso wir überhaupt so lange auf ein erstes Release warten mussten. Und während die Band in ihren hypnotischen und einnehmenden Songs ohne Gesang auskommt, sind sie hier mit Worten gar nicht zu bremsen.

Jetzt mal Tacheles: Das ist doch keine Debüt-EP, die ihr da abgeliefert habt! Hypnotisierende Tracks, generationsübergreifender Sound, jazzige Rhytmusvarianz und – verdammt! – klingt „SAAT“ gut. Da möchte man Euch den Newcomer-Status direkt wieder aberkennen. Wie kommt das?

Jakob: Also im Prinzip ist das schon unsere Debüt-EP, da es sich um die ersten Songs handelt, die wir in dieser Konstellation geschrieben haben. Sie sind zwar schon drei bis vier Jahre alt, haben sich aber immer weiterentwickelt und wurden mit der Zeit verfeinert. An den ersten Aufnahmen haben wir uns im Proberaum versucht und die eigentlichen Recordings sind dann auf dem Speicher von Sambas Eltern entstanden.

 

Da haben sich die Eltern bestimmt gefreut, oder?

[kollektives Lachen] Samba: Ja, klar! Wir haben uns drei Tage eingesperrt und ab und an kam meine Mutter mit Schnittchen hoch. Das war aber auch schon Ende 2018.

 

Wieso hat es dann so lange bis zum Release gedauert?

Samba: Wir sind eben doch noch Anfänger und Newcomer! Ohne Label und Strukturen zieht sich der ganze Vorgang und wir sind alle keine Profis im Aufnehmen und Mastern. Zum Glück hat uns René Hofmann [Fat & Holy Records, RH Productions] hier unter die Arme gegriffen.

Max: Und tatsächlich hat sich auch die Arbeit am Artwork ein bisschen gezogen – da sollte eben alles passen.

Eure EP heißt „SAAT“, die Titel der Songs sind mehr oder weniger der Botanik entliehen und Pflanzennamen werden aufgegriffen. Steckt da ein Konzept dahinter oder seid Ihr einfach Naturburschen?

Jakob: Mein Opa hatte früher eine Drogerie und einer dieser alten, großen Schränke, der randvoll mit Büchern über Heilmittel und Kräuternamen gefüllt war, stand im Keller meiner Eltern. Dort hatten wir auch mal einen Proberaum. Vor und nach den Proben haben wir immer wieder darin geblättert und fanden Gefallen an den lateinischen Namen. Irgendwie hat das zu unseren Songs gepasst!

Samba: Auf der B-Seite wird es dann eher spacy. Wir verlassen die Pflanzenwelt und verschiedene Räume – wie Weltraum und Erde – treten thematisch in den Vordergrund.

 

Ist das etwas, was sich Eurer Meinung nach auch im Sound wiederfindet? Gibt es einen typischen Lucid-Void-Sound?

Jakob: Das Erdige und Organische sind auf jeden Fall Begrifflichkeiten, die für unseren Sound stehen. Wir sind eben nicht perfekt oder glatt. Mit der Zeit ist das Songwriting aber durchaus feiner geworden und der ganze Sound ist gewachsen.

Max: Wir haben ja zu zweit beziehungsweise mit einem anderen Bassisten angefangen und eher die härtere Gangart in Richtung Doom und Stoner Rock bedient. Das hat sich zwar relativ schnell verflüchtigt, aber Bands wie Colour Haze zählen definitiv noch zu unseren Einflüssen.

Auf Fat & Holy Records seid Ihr ja bestens aufgehoben. Wie habt Ihr den umtriebigen Tausendsassa René Hofmann [Labelchef, hat „SAAT“ gemischt und zeichnet sich auch für das Artwork verantwortlich] eigentlich kennengelernt und wie ist die Beziehung zueinander?

Samba: Max und ich sind vor vier Jahren als erste Bandmitglieder nach Darmstadt gezogen und, als ich mit meinem Solo-Projekt in der Krone aufgetreten bin, stand René am Mischpult. Ich hab ihm vom Thanksgiving Peace Fest in der Oetinger Villa erzählt, bei dem ich zu dem Zeitpunkt noch nie war, und meinte zu ihm, dass sich das Konzept großartig anhört. Stellte sich dann relativ schnell heraus, dass er die Veranstaltung organisiert. Ich hab dann direkt an der Kasse ausgeholfen und so ist die Freundschaft entstanden. Für uns war es dann auch absolut naheliegend, dass er die EP mixt – gerade, da er ja auch einen ähnlichen Sound bedient.

 

Euer Platten-Release im Mai fiel ausgerechnet mitten in die erste Corona-Hochphase. Habt Ihr seit der Veröffentlichung überhaupt schon einen Gig gespielt?

Max: Tatsächlich in der letzten Juli-Woche in Aschaffenburg. Im Nilkheimer Park mit Kant, begrenzt auf 250 Leute und am Ende sogar ausverkauft. Aber halt bestuhlt, geht ja nicht anders.

 

Habt Ihr Euch bewusst dazu entschieden, trotzdem im Mai zu veröffentlichen und bekamt Ihr die Platte gut promoted?

Jakob: Es war halt echt schade, dass wir unser Release-Konzert im 806qm nicht spielen konnten. Das wäre zusammen mit Wight gewesen, die ja auch eine neue Platte veröffentlicht haben. Ich glaube aber trotzdem, dass wir viele Leute erreicht haben, das Feedback war echt gut und wir haben auch einige Platten verkauft. Es gibt also echt auch einige positive Dinge.

Max: Die Frage ist ja auch: Wann hätte man stattdessen veröffentlichen können? Keiner weiß, wie es weitergeht.

Im Oktober steht ja dann endlich ein Konzert in der Centralstation an und Philip von Okta Logue wird mit seinem neuen Projekt Meloi Support spielen. Kennt man sich oder war das mehr Zufall?

Samba: Aber sicher! Die Bassistin von Meloi ist tatsächlich eine gute Freundin von uns, mit der wir auch schon lange Musik gemacht haben. Mit unserer Jugendband im Heimatort quasi.

 

Ihr kommt ursprünglich gar nicht aus Darmstadt? Das ist für uns als Stadtmagazin natürlich ein herber Schlag …

Jakob: Wie lange muss man denn hier wohnen, um offiziell Darmstädter zu sein?

 

[überlegt kurz] Wenn Du Fred Hill kennst und seine Songs mitsingen kannst, dann passt das schon.

Samba: Ja, geil, das bring ich dem Rest der Band direkt bei! [Samba hat Ende Juli ein spannendes Hör-Feature mit collagierten O-Tönen zu Fred Hill von Zeitzeug*innen der Darmstädter Kulturszene an den Start gebracht].

Lasst uns doch mal über Euren Bandnamen Lucid Void reden. Hat das etwas mit luzidem Träumen zu tun, ich bin da nicht so ganz durchgestiegen.

Jakob: Also luzides Träumen ist die Fähigkeit, Träume zu steuern beziehungsweise bewusste Entscheidungen in Träumen zu fällen. Von uns hat leider keiner die Fähigkeit, seine Träume zu manipulieren. Aber es ist einfach eine schöne Metapher für unseren Sound, verträumt und spielerisch.

Samba: Wir machen ja auch ein bisschen anders Musik als die meisten Bands – wir jammen unglaublich viel, was ja eine sehr intuitive Arbeitsweise ist.

Max: Das kommt irgendwie ja auch dem Zustand von luzidem Träumen nahe: im Jammen über sich hinauszuwachsen, sich manchmal sogar in einen Trancezustand spielen.

Wo verortet Ihr denn eigentlich Eure Einflüsse, die Platte ist ja extrem vielfältig: Psych-, Hard-, Stoner-, Krautrock auf der einen und verträumt-schwelgerische Passagen auf der anderen Seite.

Jakob: Sehen wir ähnlich, es fällt uns schwer uns festzulegen, aber Krautrock aus den 70ern wie Can gehört definitiv dazu. Wir haben alle einfach einen unglaublichen breitgefächerten Musikgeschmack: HipHop, Neo Soul, Funk und auch progressiveres Zeug sollten hier unbedingt noch genannt werden.

War einer von Euch rein zufällig bei Damo Suzuki im alten 603qm [Vorgänger des 806qm]? Der ikonische Sänger war damals zu Gast und gab ein improvisiertes Konzert mit Darmstädter Musikern. Wär das was für Euch?

Samba: Auf jeden Fall. Der soll sich bei uns melden!

Habt Ihr eine aktuelle Konsensplatte, auf die Ihr Euch in der Band einigen könnt?

Samba: In den letzten Jahren waren das auf jeden Fall All Them Witches oder Causa Sui. Jetzt im Moment hören wir aber gerade noch mal komplett anderen Kram. Ich bin zum Beispiel gerade an japanischem groovigem Jazz dran, da gibt es so viel zu entdecken. Und mein Vater ist Senegalese und da bin ich auch bisschen von der westafrikanischen Musik geprägt. Das lief halt einfach, als ich klein war, daheim. Wie sich das aber genau auf unsere Musik niederschlägt – ich hab‘ keine Ahnung! [lacht]

In Euren Einflüssen steht auch immer wieder: Kyuss. Josh Homme hat ja gerade irgendwie mal wieder eine Kyuss-Reunion in Aussicht gestellt – wäre das geil?

Samba: Die Vorstellung ist lustig, aber Josh Homme hat sich ja in den letzten Jahren schon einige Dinger geleistet und sollte vielleicht auch erst mal an seinem Charakter arbeiten. Ob die anderen Mitglieder momentan Bock auf ihn haben, sei auch mal dahingestellt.

Jakob: Ach, ich würd‘ schon ein neues Album von Kyuss nehmen.

Wir kommen auch schon zum Schluss: Welche Frage hätte ich Euch Eurer Meinung nach unbedingt noch stellen sollen?

Samba [flott]: Ob es schon Pläne für ein neues Release gibt!

Jakob: Wir haben nämlich einfach den Drive der Veröffentlichung mitgenommen und parallel an neuen Songs gefeilt. Wir sind also schon an einem Nachfolger dran und dieses Mal wird es sogar ein ganzes Album. Es wird auch noch mal in eine etwas andere Richtung gehen.

Max: Erwachsener und voller im Sound! Wir probieren gerade einfach unglaublich viel aus, stellenweise wird es sogar minimalistischer und eingängiger, dabei eigentlich immer getriebener. Auf jeden Fall sind wir damit schon recht weit und versprechen, dass wir dieses Mal nicht so lange brauchen.

Sehr schön! Vielen Dank für das Gespräch.

 

Lucid Void auf Platte – und live!

„SAAT“ kann auf Vinyl im Comic Cosmos, bei Musik als Hilfe und Come Back in Darmstadt erstanden werden. Digital und per Versand kommt man über die Bandcamp-Seite an die Musik von Lucid Void.

Lucid Void live:

Centralstation (Saal) | Do, 15.10. | 21 Uhr | 11 €

 

lucidvoid.bandcamp.com/releases

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