Jakob und Samba von Lucid Void | Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Die vier Mittzwanziger Lucid Void bestehen aus Jakob Schuck an der Gitarre, Béla Nitsch am Bass, dem Keyboarder Samba Gueye und dem Schlagzeuger Max Hübner. Sie machen seit 2016 eine Art instrumentalen psychedelischen Krautrock, der in einer jungen, brodelnden Modern-Psych-Szene mehr und mehr Beachtung findet. Zuletzt erschien das Mini-Album „Saat“. Dass sie gerne mal Darmstädter Biergärten frequentieren, sieht man aber am ersten Song ihres Debüt-Albums. Der trägt den schönen Titel „Himmelheber“ … Beim P-Hörspiel drehte sich folglich alles um das, was die Engländer „Kosmische Musik“ nennen.

 

Emtidi „Saat“

Die Kanadierin Dolly Holmes und der Deutsche Maik Hirschfeldt gründeten Emtidi 1970 in London, zogen aber bald nach Berlin. Das folkige „Saat“ ist der Titelsong des zweiten Albums von 1972.

[Samba und Jakob hören aufmerksam zu.] Jakob [nach einer Weile]: Das klingt gut, aber wir kennen’s nicht.

Das ist das deutsch-kanadische Duo Emtidi mit „Saat“, dem Titelsong ihres zweiten Albums. Ihr wisst schon: „Saat“, wie Euer Albumtitel …

Samba: Ja, klar. Das Album von Emtidi hatte ich auch schon mal in der Hand, in dem Plattenladen, in dem Jakob arbeitet. Ich kann mich auch gut an das Coverdesign erinnern, aber gehört habe ich’s noch nie.

 

Popol Vuh „Singet, denn der Gesang vertreibt die Wölfe“

 

Das krautig-spirituelle Projekt des verstorbenen Florian Fricke ist unter anderem dadurch bekannt geworden, dass es zu zahlreichen Werner-Herzog-Filmen die Musik beigesteuert hat. So auch mit diesem Stück aus „Herz aus Glas“ von 1977.

Jakob: Ist das Popol Vuh? Ich würde mal schätzen „Affenstunde“?

Das ist richtig, aber beim Album „Affenstunde“ haben sie noch mit Synthesizern gearbeitet. Das hier ist von „Herz aus Glas“, dem Soundtrack zu einem Werner-Herzog-Film. Seht Ihr zu der Band eine Geistesverwandtschaft?

Samba: Von den Sounds her schon, rhythmisch vielleicht weniger.

Jakob: Aber diese Gitarren, die wie rückwärts abgespielt klingen … so was Ähnliches haben wir auch gemacht.

Samba: Was ich glaube zu hören, ist eine Parallele zwischen Popul Vuh und Colour Haze, die uns auch sehr beeinflusst haben. Mit denen spielen wir übrigens im September, in Österreich.

 

Amon Düül II „A Morning Excuse”

Amon Düül II war eine der Bands, die 1970 beim ersten Burg-Herzberg-Festival gespielt haben (wo auch Lucid Void vor Kurzem aufgeschlagen sind). Im Gegensatz zu den deutlich krachigeren Amon Düül I (bei denen eine gewisse Uschi Obermaier die Maracas spielte) waren sie deutlich langlebiger und erfolgreicher, vor allem in England, wie dieser Track von „Vive La Trance“ von 1973 belegt.

Samba: Witzig, das mit dem Taktwechsel! [wippt mit]

Jakob: Das groovt ziemlich cool, könnte so Ende-Siebziger-Krautrock sein.

Es ist nach England ausgewanderter Krautrock: Das sind Amon Düül II.

Samba: Die haben wir auch schon auf dem Finkenbach Festival gesehen. Die Alben, die ich von ihnen kenne, sind viel wilder. Das hier ist ja fast schon … konventionelle Rockmusik!

 

Michael Rother & Vittoria Maccabruni „Exp 1“

Der Neu!-Mitbegründer und Pionier der „Kosmischen Musik“, Michael Rother, hat 2022 nach langen Jahren mal wieder (unverkennbare!) Musik unter eigenem Namen veröffentlicht – zusammen mit der italienischen Musikerin Vittoria Maccabruni.

[Jakob und Samba blicken erst einmal ratlos.]

Wartet mal, bis nach einer Minute die Gitarre einsetzt, dann wisst Ihr, was das ist.

Jakob [guckt versonnen]: Ja, cool. Das ist Michael Rother. Ich mag seine Solo-Sachen, auch diese Alben wie „Flammende Herzen“ und „Fernwärme“.

Ist ja auch ein geiler Albumtitel …

Jakob: … und jetzt auch wieder aktuell.

Seine nächste Platte heißt dann vermutlich „Wärmepumpe“! [ha ha ha]

Jakob [guckt noch versonnener]: Hach, diese dünnen, verzerrten Sounds …

 

„… und dass Oasis Krautrock machen. Ich hab viel hier gelernt!“

 

Oasis „Can Y’See It Now (I Can See It Now)“

Wenn es um die Band „Neu!“ geht, denkt man erst einmal nicht an die fünf Working Class Lads aus Manchester. Aber zu dem Tribut-Sampler „Brand Neu!“ von 2009 wollten sie unbedingt etwas Krautig-Oasis-Untypisches beisteuern.

Jakob: Mächtige Drums. Das klingt für mich sehr amerikanisch.

Ist aber etwas Englisches.

Jakob: Klingt ein bisschen nach den Pixies …

Samba: … und nach Brian Jonestown Massacre …

Die könnten auch auf dem gleichen Sampler drauf sein, vom dem dieser Song hier ist (ist aber nicht so, ich hab nachgeguckt …). Das sind Oasis. Den Song haben sie aufgenommen, als deren Chef Noel Gallagher unzufrieden mit der Richtung der Band war und mehr in Richtung Krautrock gehen wollte. Kurz danach haben sie sich aber aufgelöst.

Samba: Das ist jedenfalls der beste Oasis-Song, den es gibt.

 

Die Sterne „Hallo Euphoria“

Auch die Hamburger Sterne haben sich für den Titelsong des Albums „Hallo Euphoria“ aus dem letzten Jahr vorgenommen, mal krautig-kosmisch zu klingen. Und das klappte auch gut!

Samba: Es tut mir ja leid, dass wir hier so wenig erkennen. Es gibt aber in unserem Genre auch viele Songs, die einfach nicht so bekannt sind – auch wenn wir beide wirklich viel Mucke hören …

Jakob: Das hier könnten Tangerine Dream sein.

Nein, ist was Aktuelles.

Jakob: Zement aus Würzburg?

Leider nein. Aber Eure Platte steht dort, in Würzburg, im Plattenladen ganz vorne im Regal, hab ich neulich gesehen.

Jakob: Ach ja, im „H2O“, oder?

Samba [achtet in der Zwischenzeit auf den Text]: „Wie ein Lump“ … Ha ha – Okay, Bro! Die haben auf jeden Fall das „Kraut“ im Krautrock betont.

Das sind übrigens die Sterne.

Samba: Die waren irgendwie noch nie mein Ding.

Jakob: Ich wusst‘ gar nicht, dass die Sterne so elektronisch sind …

Samba: … und dass Oasis Krautrock machen. Ich hab viel hier gelernt! [grinst]

 

Damo Suzuki & Jelly Planet „Venushügel“

Der ehemalige Sänger der Krautrock-Institution Can ist inzwischen bekannt dafür, mit wechselnden Bands, die er als Sound Carrier bezeichnet, Musik für den Moment zu entwickeln – „Instant Composition“, sozusagen. 2018 so geschehen mit einer Dortmunder Combo. Die anderen Stücke heißen übrigens „Andere Seite des Venushügels“, „Wildschweinbraten“ und „Reste vom Wildschweinbraten“.

Jakob [hört auf den unkonventionellen Grunz-Gesang am Anfang]: Das ist auf jeden Fall mal ‘ne schön erfundene Sprache – was ja im Grunde eine Spezialität von Can ist. Aber die Stimme passt nicht dazu. Ist das vielleicht Holger Czukay, der da singt, mit anderen Musikern?

Nein, es ist genau umgekehrt: Das ist Damo, der Can-Sänger, mit anderen Musikern. Habt Ihr als Instrumental-Band schon mal überlegt, mit einem Sänger zu arbeiten, für so ein spontanes Projekt?

Samba: Also, mit Damo Suzuki würd ich’s machen! Aber das könnten wir auch einfacher haben, ich sing ja auch. Nur bietet unsere Musik viel Raum für die Instrumente, aber wenig für Gesang.

Aber mit einem Gastsänger wäre es vielleicht etwas anderes, als wenn ein Bandmitglied singt. Wäre das was?

Jakob [überlegt]: Jedenfalls nicht mit einem klassischen Rocksänger. Aber Leute wie Damo, die sich so ganz frei machen, gibt es auch nicht so viele …

Wie wär‘s mit Phoenix [Darmstädter Street Punk Bassist und Sänger from outer space]?

Jakob: Also, wir haben es nie ganz ausgeschlossen. Und so ’ne erfundene Sprache ist ja ganz cool!

 

Guru Guru „Bo Diddley“

Die 1968 gegründete – und immer noch aktive – Odenwälder Krautrockband mit einem Song von ihrem 1971er Album „Hinten“, der dem amerikanischen Blues-Heroen mit der eckigen Gitarre und dem markanten Beat huldigt.

Jakob [nach mehreren „Bo Diddley? Bo Diddley!“-Gesängen im Song]: Bo Diddley?

Ja, so heißt der Song. Aber es ist eine Hommage. Eine Hommage einer deutschen Band.

Samba: Dann sind es Guru Guru. Die spielen auch regelmäßig in Darmstadt, bei dem letzten Auftritt in der Knabenschule waren wir beide. Die sind immer noch ’ne tolle Live-Band.

Jakob [lauscht]: Aber das ist gar nicht der Bo-Diddley-Beat!

Stimmt. Warum heißt der Song dann Bo Diddley?

Jakob: Gute Frage! Es gibt übrigens auch ein Album von Quicksilver Messenger Service, das komplett im Bo-Diddley-Beat gehalten ist.

Aber Krautrock-Bands können oder wollen den geraden Beat anscheinend nicht halten, zumindest nicht Mani Neumeier.

 

Spacemen 3 „Things’ll Never Be The Same“

Die englischen Spacerocker um Sonic Boom und Jason Spaceman haben das Genre revolutioniert mit ihrem Motto „Three Chords Are Good – Two Chords Are Better – One Chord’s Best!”. Hier mit einem ihrer Klassiker vom 1987er Album „The Perfect Prescription“ – Just What The Doctor Ordered!

Jakob: Schöne Gitarren wieder … Ist das aus den frühen Neunzigern?

Eher aus den späten Achtzigern.

Samba: Ich höre eher Musik aus den frühen Siebzigern bis Mittsiebzigern – und dann ganz neue Sachen. Und viele der Bands, die uns beeinflusst haben, die kennt niemand, die sind alle sehr nischig: All Them Witches, Causa Sui, Elder, … Es gibt viele Bands der neuen Heavy-Psych-Bewegung, da gibt’s schon einen Szene-Zusammenhang. Mit vielen spielen wir auch live.

Und was ist Euer Urteil über Spacemen 3?

Samba: Ah ja, ich sag‘ mal: Den einen Akkord, den sie spielen, den spielen sie richtig gut.

Habt Ihr eine abschließende Botschaft an die P-Leser:innen?

Samba: Ja! Helft uns dabei, die Alte Glasbläserei zu retten – das ist ein Proberaum-Komplex mit 20 Bands, und der soll im September dicht gemacht werden. Und viele der Bands nehmen die Sache sehr ernst, spielen regelmäßig live und nehmen Alben auf. Wenn die Glasbläserei zumacht, wird es in Darmstadt sehr schwierig, Proberäume zu finden.

Das lassen wir mal so stehen – liebe Leser:innen, schließt Euch der guten Sache an und unterstützt die heimische Szene!

 

„Glasi“: Sampler und Soli-Konzert

Sampler mit vielen „Glasi“-Bands, auf Soundcloud: soundcloud.com/alteglasi

Soli-Party und -Konzert „Rettet die Glasi!“ am Freitag, 1. September, ab 17 Uhr in der Bessunger Knabenschule mit Snerft, 12V Disco, Junes OD, Auf Asche, Shoggth und anderen

Mehr im „Favoriten des Monats“.

Hintergrund-Artikel aus P #152 vom April 2023: