Foto: Jan Ehlers

Mädness, die „ä-Pünktchen“ sind wichtig, bürgerlich: Marco Döll, hat es von Eppertshausen über Darmstadt und Berlin geschafft, der HipHop-Welt in Form von Chart-Platzierungen und zahlreichen Touren seinen Stempel aufzudrücken – ob solo oder als Mädness & Döll mit seinem Bruder Fabian. Ihm gelang es mit seinem hessischen Charme sogar, im Kürzel „OG“ aus dem Gangster den „Original Gude“ zu machen. Jetzt schlägt die HipHop-Welt im Hörspiel zurück …

 

DJ Koze aka Adolf Noise „Deine Reime sind Schweine (regelrechte Schweine)“

Keiner hat es je geschafft, sich so subtil und megaplatt zugleich über Battle-Rap lustig zu machen. Außer dem Ex-Fischmobber Koze auf seiner 2001er Maxi.

Mädness: Das kenn‘ ich, das ist „Deine Reime sind Schweine“. Ist das Deichkind?

Nee, aber geografisch schon aus derselben Ecke. Der Künstler ist heute vor allem als DJ bekannt.

Ach … DJ Koze! Gefällt mir sehr gut!

Er imitiert ja hier einen sehr schlechten, unoriginellen MC, der versucht, sich zu battlen. Trifft er damit denn einen Punkt, ging das bei den Freestyles tatsächlich in diese Richtung?

Ja, der Wettbewerb liegt in den Wurzeln des HipHop, dieser Battle-Gedanke, zu zeigen, dass man besser mit Worten umgehen kann als der andere Rapper. Dadurch kam ja überhaupt eine Weiterentwicklung zustande. Aber ich verstehe schon auch, dass und warum er das hier verarscht …

Ich habe ihn auch rausgesucht, weil er in den 1990ern bei Fischmob war und ich mich gefragt habe, welche Rapper Dich in Deiner Jugend denn so zum HipHop abgeholt haben. Ich vermute mal, Charts-Acts wie Fanta 4 und Fettes Brot waren’s wohl eher nicht, aber Hochpolitisches wie Advanced Chemistry auch nicht, oder?

Ja, es war eher dazwischen: Samy Deluxe, Curse und DCS, Die Coolen Säue aus Köln waren damals die besten!

Letztere sind aber heute eher in Vergessenheit geraten, oder?

Ja, leider. Aber mit Schivv von DCS haben mein Bruder und ich viel zu tun … er ist heute unser Anwalt.

 

Manges „Aufgehen in dem, was ich tu“

2009 erschien das bisher letzte Album des Darmstädter Conscious-HipHop-Pioniers.

Jetzt bin ich gespannt … Ah … [nach dem ersten Wort]: Manges!

Ihr wart ja Labelmates bei Kehlkopf Aufnahmen. Nach meiner Wahrnehmung fallen ja die Endphase von Manges und Deine Frühphase so ungefähr zusammen, kann man das so sagen?

Na, so ungefähr: Ich habe 2007 meine erste Platte gemacht. Manges und ich haben ab und zu auch zusammengespielt, wir hatten sogar ein gemeinsames Lied. Er ist einer der einflussreichsten Rapper im Rhein-Main-Gebiet, mit einem ganz eigenen Stil … es gibt nichts, was man als Vergleich heranziehen könnte. Wer sich – auch über Hessen hinaus – im deutschen Rap auskennt, der kennt das und sieht es auch als einen kleinen Klassiker.

Das Ganze läuft ja unter dem Begriff „Conscious HipHop“, das klingt, als ob alle anderen „unconscious“ wären …

Er hat das Prollo-Ding nie bedient und benutzte auch gar keine Schimpfwörter, was sehr außergewöhnlich war für die damalige Zeit. Er hat ganz unverstellt gerappt, sodass ich das Gefühl hatte, dass er mir das, was er da sagt, auch in einem ganz normalen Gespräch sagen könnte.

 

Audio88 & Yassin „Gott trinkt“

Berechtigte Frage, die die HipHop-Shooting-Stars und Exil-Heiner auf ihrer 2009er-Single stellen: Wenn Alkoholismus eine Krankheit ist, warum zahlt dann die Barmer nicht meinen Deckel in der Eckkneipe?

Audio 88 … Ach, das ist Dings: „Köfte und Schnitzel“!

Nicht ganz, aber es ist auch was Kulinarisches.

Von der „Herrengedeck“-EP? Oh, das sind sehr gute Freunde von mir, da muss ich aufpassen … ! Wir waren zusammen auf Tour, haben unsere Studios direkt nebeneinander. Yassin hab ich erst in Berlin kennengelernt, obwohl die Rap-Welt in Darmstadt nicht sooo groß ist: Man kannte sich in Darmstadt, aber es war wohl noch nicht der Zeitpunkt.

 

47 Million Dollars „Schweinepest“

Die Darmstädter Hardcore-Punk-Könige mit einem tagespolitisch aktuellen Einminüter von ihrem 2005er-Debüt-Album.

Sehr rappige, sehr schnelle Gitarrenmusik, da dachte ich an Megalomaniax [Frankfurter Crossover-Band der frühen 1990er].

Nein, es ist eine Band, mit der Du auch schon was gemacht hast.

Ach klar! Das sind 47! Das ist der Todd! Oh, wenn die das hören, dass ich sie mit den Megalomaniax verwechselt habe …

Wie kam es zu Eurer Split-Single 2010 auf dem Darmstädter Decoy-Label?

Nun, wir haben uns kennengelernt, fanden uns sympathisch, und da haben wir uns im Studio getroffen und auch mal live auf der Bühne. Ich fand diese Verbindung von Gitarrenmusik mit Rap sehr spannend. Die meisten von meinen alten Kumpels haben ja eher harte Gitarrenmusik gehört als HipHop.

„Allez les bleus“ von Todds alter Band Decubitus läuft übrigens regelmäßig beim SVD im Stadion, da merkt man beim Mitsingen erst, wie viel Luft er als Shouter hat, denn der Text geht über knapp drei Minuten, und zwar durchgehend.

Cool! So was läuft in Darmstadt im Stadion? Darmstadt 98 ist eh ein cooler Verein; auch damals die Aktion mit dem Stadion, das sie nach dem kranken Jungen benannt haben [das Merck-Stadion am Böllenfalltor hieß in der Saison 2016/17 offiziell Jonathan-Heimes-Stadion], fand ich super!

 

Olexesh „Vorstadt Süd“

2012 gangstarappte der heutige Star über seine Hood Kranichstein.

Das ist Olexesh!

Das hast Du sehr schnell erkannt. War der denn Teil der Darmstädter Szene?

Hmm … also alles um Kehlkopf war eher ein geschlossener Kreis. Olexesh dagegen war eher auf dem straßenmäßigen Umfeld unterwegs. Man hat sich immer mal gesehen. Er hat ja lange, lange Musik gemacht. Es hat mich sehr für ihn gefreut, als er seinen Durchbruch hatte, denn er ist sehr fleißig, hat viel veröffentlicht, ist am Ball geblieben und hat seine eigene Sprache gefunden, ohne Hilfsmittel wie Features oder Ähnliches. Das ist sehr zu respektieren … und er ist ein sehr, sehr korrekter Typ!

Wie sieht das denn bei Interviews aus? Werdet Ihr beiden aufeinander angesprochen, weil Ihr aus der gleichen Stadt stammt?

Lokal ist das ein Thema, ansonsten eher nicht, obwohl er seine Heimat ja nicht geheim hält – und ich auch nicht. Aber abgesehen davon: Es ist nicht so, dass ich, weil ich Conscious Rap mache, keinen Straßenrap höre, ganz im Gegenteil!

Mir ist übrigens beim Recherchieren für die Musikauswahl aufgefallen, dass ich kaum etwas von Frauen Gerapptes gefunden habe, außer bei den ganz frühen New-York-HipHop-Sachen. Ist das Zufall?

In Amerika gab‘s schon auch mit dem ersten HipHop-Hype gute Rapperinnen. Hierzulande hat sich das zum Glück sehr gedreht. Sxtn aus Berlin oder Schwester Ewa. Auch in der Battle-Kultur tut sich was, da treten Frauen in Mixed Battles gegen Männer an. Und in den USA sind seit einiger Zeit auch einflussreiche Rapperinnen in den Charts.

Schwester Ewa war zuletzt in anderen Zusammenhängen in den Medien.

Nun ja: Sie hatte scheinbar Kontakt mit der Polizei, was da genau los war, weiß ich aber auch nicht. Aber sie ist eine gute Rapperin.

 

Marteria „Auszeit“

Zusammen mit seinem Helium-Alter-Ego Marsimoto und Christopher Rumble trank der Erfolgsrapper die eine oder andere „Caipiranha“.

[Nach dem ersten Rapper-„Ah“ sofort:] Marteria! Der hat übrigens auch einen Darmstadt-Bezug: Seine erste Platte wurde von Magnum 12 veröffentlicht. Der Labelchef hat hier studiert und kannte auch einen Rapper aus Rostock. Und so kam Marteria öfter mal nach Darmstadt. Wir haben für seine und für meine erste Platte damals zusammen Tracks gebastelt.

Und heute hat er ein Feature auf Deinem neuen Album.

Ja, das ist aber was komplett Neues. Aber damals gab es auf Kehlkopf die „Wohnzimmer Collection“, eine Art Mixtape, das jeweils zwei Rapper kombinierte, die normalerweise nicht so viel miteinander zu tun hatten. Und da entstand mit „Elmar“ ein Track von Marteria und El Ray. Den kennen nur ein Prozent aller Marteria-Fans, aber der Song ist genial [Wo er Recht hat, hat er Recht] El Ray muss hier eh mal erwähnt werden, einer der besten Darmstädter Rapper!

 

Family 5 „Der Vergölzer“

1985 veröffentlichtes Soulpunk-Kleinod der Band um Peter Hein über den Typen, der sein Dorf immer mit sich rumschleppt.

[Mädness hört sehr aufmerksam zu, achtet auf den Text …]

Kannst Du Dir vorstellen, warum ich Dir das vorspiele? Auf Deinem neuen Album gibt’s ja den Song „Kein Ort“, wo’s um ein ähnliches Thema geht.

Ja, das war mir klar. Das Lied ist ja cool, das ist ja schön. Ich hab mich sofort drin wiedergefunden.

Und hat man in Eppertshausen auf der Kirmes wirklich immer „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ gesungen?

Auf meinem Song sag ich ja, dass ich immer hinterm Festzelt stand. Aber ich glaub, ich hab manchmal auch mitgesungen …

 

GLS United „Rapper’s Deutsch (FM Jackson Remix)“

1980 setzten sich die damals schon nicht mehr taufrischen Radiomoderatoren Thomas Gottschalk, Frank Laufenberg und Manfred Sexauer zu dem Groove von „Rapper’s Delight“ zusammen und sprechsangen mehr schlecht als recht darüber, was für tolle Musik sie seit den 1950ern so erlebt und aufgelegt hatten. Und fertig war er, der erste deutsche HipHop-Track!

Das ist … Thomas Gottschalk mit noch zwei Moderatoren. Frank Elstner? Nein? Dann kenn‘ ich, die anderen beiden nicht.

Das waren Frank Laufenberg und Manfred Sexauer. Man sagt ja, das sei der erste deutsche Rap-Track.

Nun, es ist von 1980, also noch vor Falco und vor „Die Hesse komme“, also kann das schon sein. Es gab aber immer schon viele Querentwicklungen, sodass man einen richtigen Startpunkt nicht ausmachen kann. Ich fand das gar nicht so schlecht gemacht. Dennoch schwingt ein bisschen mit, dass Rap als Musik damals gar nicht ernst genommen wurde.

Man hat ja nicht ohne Grund Radiomoderatoren dazu geholt, keine Sänger.

Ja, genau: Wenn de schwätze kannst, kannste auch rappe!

Hast Du eine abschließende Botschaft an die P-Leser?

Supportet lokale Musik! Es gibt genügend Künstler in Darmstadt und um Darmstadt herum, zum Beispiel Lui Hill, Footjob Records oder Okta Logue, die es lohnt, anzuhören und kennenzulernen!

 

„OG“, das neue Album vom „Original Gude“

You can get the boy out of Hessen, but Hessen not out of the boy. Mädness ist zurück! Seit Ende August steht mit „OG“ das neue Solo-Album des Rappers mit Darmstädter Wurzeln in den Regalen. Die Platte erscheint zwei Jahre nach dem super erfolgreichen, gemeinsam mit Döll aufgenommenem „Ich und mein Bruder“-Album, der dazugehörigen Juice-Coverstory und knüpft da an, wo Mädness 2014 mit seiner scharfen EP „Maggo“ aufgehört hatte. Einfach richtig gut gemachter, smarter HipHop auf zehn Tracks, in denen sich viel Selbstreflexion, vor allem aber eine korrekte, positive Haltung manifestiert. Top!

www.mädness.de