Foto: Jan Ehlers

Kleidung hat viele Funktionen: Schutz vor Wind und Wetter. Wahrung der Intimsphäre des eigenen Körpers. Abgrenzung zwischen dem Ich und dem Anderen. Selbstdarstellung. Identifikation. Spaßfaktor. Alles berechtigt und alles schön und gut – doch Kleidung hat wesentlich mehr (Aus-)Wirkungen als die auf uns selbst und unsere direkten Mitmenschen: Mehr als 60 Millionen Menschen weltweit arbeiten laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in der Textil- und Bekleidungsindustrie. Der wohl größte Teil von ihnen wird ausgebeutet, unterbezahlt, körperlichen Strapazen ausgesetzt, um unter prekären Bedingungen in möglichst hoher Effizienz Textilien zu produzieren – und das nicht nur in Asien, sondern auch in (Ost-)Europa. Und auch die Umwelt leidet: Unzählige Liter Wasser werden jährlich verbraucht, nur um Mode zu produzieren. Mehr als 20.000 verschiedene Chemikalien gelangen über die Textilindustrie nicht nur auf unsere Haut, sondern auch ins Grundwasser.

Nicht zuletzt zahllose Diskussionen und Dokumentationen über den Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch 2013 und die Entwicklung zur „Fast Fashion“ haben den hohen Preis, den Mensch und Umwelt für das zahlen, was wir an unseren Körpern tragen, einer breiteren Masse ins Bewusstsein gerufen. Die Nachfrage nach nachhaltig produzierter und fair gehandelter Mode steigt, immer mehr Labels setzen auf ein Öko-Image – und bei einigen steckt tatsächlich auch etwas dahinter.

 

Nachhaltig produzierte + fair gehandelte Mode kaufen

Die Mode solcher Marken verkauft in Darmstadt vorrangig Alexander Clauss in seinem Concept-Store „Soulid“ in der Schulstraße (wir berichteten in dieser Rubrik bereits in P #109, November 2018). Diese Mode ist oft zeitlos, weil man keinen Trendkonsum anfeuern will, aber sie ist dennoch modern – und immer hochwertig. Marken wie Armed Angels, Lanius oder People Tree gehören zum Sortiment. Dazu kommt kompetente Beratung, damit wirklich nur Lieblingsstücke in der Einkaufstüte landen. Das gehört für Inhaber Alex zum Konzept des nachhaltigen Shoppens: Sorgfältige Auswahl und liebevolle Pflege der gekauften Teile sind das A und O. Bei der Auswahl der Marken, die er verkauft, setzt er auf verlässliche Zertifizierungen wie das GOTS-Siegel – aber auch auf persönliche Kontakte zu Händlern und Labels.

Ganz genau will es – vor allem was die Produktionsbedingungen und den fairen Handel angeht – auch der Weltladen Darmstadt wissen: Hier wird neben Kaffee, Tee, Gewürzen und Geschenkartikeln auch Kleidung verkauft – alles fairtrade und ebenfalls GOTS-zertifiziert. Gerade wer auf unkomplizierte Basics und farbenfrohe Stoffe setzt, wird hier fündig. Neben dem Vertrieb fair gehandelter Produkte setzt sich der Weltladen auch für Information und Bildung über solidarischen Handel ein – und für ein Lieferkettengesetz, das deutsche Unternehmen dazu zwingen soll, Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen in den sie beliefernden Fabriken zu übernehmen. Das könnte ein Weg sein, das Preisdumping in der Modeindustrie einzudämmen, welches Lieferanten in Herstellerländern zunehmend unter Druck setzt. Doch Konsument*innen müssen sich nicht auf politische Beschlüsse und verantwortungsvolle Unternehmen verlassen: Die Entscheidung, wie und wo wir unsere Mode kaufen, haben wir selbst in der Hand.

 

Die Königsdisziplin der nachhaltigen Mode: Second-Hand-Shopping

Denn bei aller Liebe für sorgfältig kuratierte Neu-Mode – am nachhaltigsten ist und bleibt sicherlich der Konsum bereits getragener Kleidung. Und der hat schon lange nichts mehr mit abgetragenen Teilen im Stil der schrulligen Großtante zu tun: Gerade in Darmstadt mangelt es nicht an schönen, einladenden Second-Hand-Läden, in denen nicht nur echte Vintage-Schätze, sondern auch fast ungetragene Teile aus der aktuellen Saison verkauft werden. Neben dem Lejla’s und dem Pompadour im Martinsviertel, dem Strandgut in Bessungen und weiteren Vintage-Shops haben sich auch der Oxfam-Laden sowie das Resales in der Innenstadt zu echten Second-Hand-Shopping-Größen gemausert. Getragene Designer-Mode gibt es unter anderem im „Greyhound Exclusiv“ in der Schulstraße zu kaufen.

 

Und was geht noch? Kleidung im Kollektiv!

Wer auf Abwechslung und Gemeinschaft steht und gerne Neues entdeckt, ohne jedes Mal in den Geldbeutel zu greifen, ist beim Mabon Kollektiv genau richtig: Das nach dem solidarischen Prinzip organisierte Darmstädter Projekt wertschätzt die Kleidung, die schon existiert, und konzentriert sich dabei auf die Themen Second Hand, Slow Fashion, Reparieren und Pflegen. Neben entsprechenden Workshops, Nähstunden und Upcycling-Projekten manifestiert sich das Konzept in einem gemeinsamen Kleiderschrank: Der steht im Wohnhaus von Initiatorin Lisa Schneidersmann in Bessungen, ist allen Mitgliedern des Kollektivs nach Absprache zugänglich und wird regelmäßig mit neuen Teilen bestückt. Diese werden entweder von den Mabon-Mitgliedern oder von externen Spendern abgegeben und von Lisa sortiert und ausgewählt.

Die Mitglieder des Kollektivs zahlen einen finanziellen Beitrag und können dann frei über den Inhalt des Kleiderschranks verfügen – jeder darf so viel mitnehmen, wie er möchte und kann im Austausch ausgeliebte Teile mitbringen, muss es aber nicht. „Es gibt grundsätzlich ja schon viel zu viele Klamotten“, erklärt Lisa, „und hier kann man einen Stil oder ein Kleidungsstück einfach mal ausprobieren, ohne es direkt kaufen zu müssen.“ Darüber freut sich auch Mabon-Mitglied Lea: „Ich habe hier schon viele Sachen mitgenommen“, erzählt sie, „aber das Schönste ist eigentlich, dass eine Gemeinschaft und neue Verbindungen entstehen. Es gibt keine Hemmschwelle, weil es so einladend ist, herzukommen, mitzumachen und sich zu bedienen. Und alles gleicht sich irgendwie wieder aus – man nimmt und gibt.“

 

Nachhaltige Mode: Adressen und Infos

Soulid: Schulstraße 5, Innenstadt und soulid.de

Weltladen: Elisabethenstraße 51, Innenstadt und weltladen-darmstadt.de

Lejla’s First Vintage & Second Hand: Liebfrauenstraße 63, Martinsviertel und vintage-darmstadt.de

Pompadour: Schuknechtstraße 1, Martinsviertel und pompadour-darmstadt.de

Strandgut: Karlstraße 110, Bessungen

Oxfam: Rheinstraße 12b, Innenstadt und shops.oxfam.de/shops/darmstadt

Resales: Ludwigstraße 7, Innenstadt und resales.de

Greyhound Exclusiv: Schulstraße 14, Innenstadt

Sieben Kinder (nachhaltige Kindermode): Heidelberger Landstraße 239, Eberstadt siebenkinder.com

Mabon Kollektiv: Kontakt und mehr Informationen auf mabonkollektiv.de, per E-Mail an hey@mabonkollektiv.de oder instagram.com/mabon_kollektiv

Mehr Informationen zum Lieferkettengesetz gibt es online auf lieferkettengesetz.de.