Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Philip ist „im richtigen Leben“ der Gitarrist der psychedelisch grundierten Pop-Combo Okta Logue, die zahlreiche P-Lesende seit Jahren kennen und schätzen. Nach dem Blitz-Kennenlernen bei einem Jazz-Konzert in Frankfurt kam er kurz vor dem Lockdown 2020 noch schnell auf die Idee, zusammen mit Malte Schmidt (Drums), Lara Fischer (Bass), Ole Schwarz (Keyboards, Synthesizer) und Samuel Zamorano (Vocals) eine weitere Band zu gründen: Meloi. Eine Rockband. Eine Classic-Rock-Band. Eine MOR-/AOR-Band. Oder war’s doch Hard Rock? Dieses Hörspiel mit Philip sorgt für Aufklärung.

 

The Spencer Davis Group „I’m A Man“

Obwohl er „nur“ die Rhythmus-Gitarre spielte, gelang es Spencer Davis, Bandleader einer ziemlich guten Sixties-Rhythm-And-Blues-Band zu werden.

[Philip groovt sich ein und singt gleich mit]: Es … liegt mir auf der Zunge … hm: „I’m a määän … !“

Gut – den Titel haben wir schon mal. Aber von wem ist der Song?

Eeeeees … es ist Traffic – Steve Winwood!

Ja und Nein: Es ist noch etwas älter als Traffic, aber es singt in der Tat der 17-jährige Steve Winwood, damals noch Mitglied der Spencer Davis Group.

Ach so! Ich bin da eher bei den späteren Sachen von ihm. Insbesondere Blind Faith, seine Band mit Eric Clapton und Ginger Baker, liebe ich ja.

Dann erklär‘ mir mal: Warum gab es nur eine Blind-Faith-Platte?

Ich glaube, Clapton und Baker sind schon angespannt aus ihrer Cream-Zeit rausgegangen. Clapton stellte sich damals schon gegen dieses Superstardom. Das ging ja ab Ende der Sechziger los. Vorher spielten die meisten Bands in so kleineren Stadthallen. Dann wurden die Konzerte immer größer und größer und es wurde so langsam klar, was das heißt, „Star sein“. Clapton ist dann bei Blind-Faith-Touren auch nicht mit den anderen, sondern immer mit der Vorband Delaney & Bonnie mitgefahren.

Aber das ist ja auch ’ne tolle Idee, zu sagen: Ich bin gegen den Starkult und was mach‘ ich jetzt als Nächstes? Ich gründe eine Supergroup!

Na gut, er war damals 23 … Das sind vielleicht Gefühle, die man dann erst später deuten kann, zumal er ja auch mit den Drogen zu kämpfen hatte. Er hatte es aber auch nicht leicht: Einmal war er bei einer Delaney-&-Bonnie-Tour dabei, einfach nur als Rhythmus-Gitarrist im Hintergrund, aber die Veranstalter hatten es einfach heimlich als ein Cream-Konzert angekündigt. Und deshalb beschimpften ihn die Zuschauer, weil er nur so Country- und Folk-Songs spielte und gar nicht sang. Die wollten die Cream-Hits hören!

 

Argent „God Gave Rock’n’Roll To You“

Diese 1969 gegründete Classic-Rock-Band schenkte dem Genre hiermit einen echten Klassiker.

Sind das Kiss?

Nein, das sind Argent. Das ist die Nachfolgeband der Zombies um deren Keyboarder Rod Argent und den Sänger Russ Ballard. Kiss haben das nur später gecovert.

Hach, die Zombies hab‘ ich ja immer geliebt. Vor allem ihr Meisterwerk „Odessey And Oracle“. Wobei man ja sagen muss, dass für dieses Konzeptalbum die Beach Boys und die Beatles Pionierarbeit geleistet haben.

Die Zombies hatten sich danach, 1968, schon wegen Erfolglosigkeit aufgelöst und auf einmal hatten sie posthum mit „Time Of The Season“ einen Riesenhit in den USA. Und da die Band sich nicht so schnell reformieren und aus England nach Amerika reisen konnte, taten sich dort illegalerweise in jedem Bundesstaat irgendwelche Garagenrocker zusammen, behaupteten, dass sie die Zombies wären und sie spielten unter diesem Namen gutbezahlte Konzerte.

Das erinnert mich an die Story von Ritchie Blackmore: Ritchie Blackmore klopft in England an einem Haus irgendwo in den Midlands an die Tür und sagt: „Hallo, ich bin Ritchie Blackmore, meine Band Deep Purple hat mich bei einem Tourstop vergessen. Darf ich kurz bei Euch wohnen? Die holen mich bald wieder ab.“ Und nachdem der Typ eine Woche dort gewohnt hat, fällt den Bewohnern auf, dass in der Zwischenzeit schon einige Deep-Purple-Konzerte stattgefunden haben und der Typ irgendjemand ist, aber bestimmt nicht Ritchie Blackmore … ha ha!

 

Ritchie Blackmore’s Rainbow „Since You Been Gone“

So ein Zufall … Rainbow (auch bekannt als Ritchie Blackmore’s Rainbow oder Blackmore’s Rainbow) waren der 1975 gegründete Freizeitspaß des gleichnamigen Deep-Purple-Gitarrengotts. Mit dieser Single von 1979 ergatterten sie sich ihren Platz im Olymp des Nachmittagsradios.

Das sind Rainbow! Aber das ist eine Coverversion! [Philip hat natürlich recht, wie sich nach kurzer Recherche rausstellt: Das Original wurde geschrieben von Russ Ballard von … Argent! Die Classic-Rock-Welt ist klein.]. Ritchie Blackmore ist mein absoluter Jugendheld! In meiner Kindheit hat mein Vater oft mit mir zusammen Musik gehört, und zwar „Made in Japan“, das Live-Album von Deep Purple. Das war dann fast schon ein rituelles Ereignis, diese Platte mit ihm zu hören. Und so kannte ich dieses Meisterwerk schon in- und auswendig, bevor ich überhaupt Gitarre spielen konnte. Ich steckte also von Anfang an in dieser Siebziger-Hard-Rock-Ecke. Und wegen Ritchie Blackmore hab‘ ich auch jahrelang eine schwarze Stratocaster gespielt.

Ritchie Blackmore ist ja einer, der auch gern mal den einen oder anderen Mitmusikanten rausgeschmissen hat …

Es heißt zwar, er sei kein einfacher Typ, aber wir hatten mal beruflich mit dem damaligen Tourmanager von Deep Purple zu tun, der sagte, das sei nicht so – Blackmore sei ein sehr freundlicher Zeitgenosse – nur halt sehr englisch … Aber wie hieß denn der zweite Rainbow-Sänger nochmal? Der erste war ja bekanntermaßen Ronnie James Dio. Aber der zweite? Graham Bonnet, glaub ich, war der, der „Since You Been Gone“ gesungen hat. Das war ein australischer Popstar aus den frühen Sechzigern [soweit zu 90 Prozent richtig, geträllert hat Bonnet unsere hier vorliegende Hymne, auch war er in den (späten) Sechzigern in dem Pop-Duo Marbles aktiv, aber er kommt wohl eher aus Lincolnshire in England. Vielleicht liegt Philips falsche geografische Verortung daran, dass die Bee Gees einen seiner frühen Hits geschrieben haben, da haben wir ja die Australien-Connection …]. Rainbow wollten nach Dios Weggang einen neuen Sänger casten, fanden aber niemanden, der ihnen gefallen hätte. Mit Bonnet trafen sie sich auf einem Parkplatz und er war überzeugt davon, dass er nicht passen würde, weil er ja ein Popsänger war und mit Hard Rock nichts anfangen konnte. Dann sang er ihnen aber auf diesem Parkplatz, ganz ohne Begleitung, einfach „Mistreated“ von Deep Purple vor … und sie sagten sofort alle: „Du hast den Job!“ [Und das hat den guten Mann letztlich wohl von dem Genre überzeugt: In den Achtzigern stürzte er sich in weitere rockische Kapellen wie The Michael Schenker Group, Forcefield und Blackthorne.]

 

Dio „Holy Diver“

Neben seiner Singerei für die bereits erwähnte Kapelle Rainbow und für Black Sabbath hatte Ronnie James Dio auch noch Zeit dafür, eine eigene Gruppe zu gründen.

[Philip grübelt und lacht lange in sich rein.]

Ein kleiner Tipp: Es war heut schon die Rede davon …

[Philip grübelt schon wieder, dann kommt’s]: Ah ja! Dio! Das ist Dios erste Soloscheibe …

… von 1983.

Mein Lieblingssong von dieser Platte ist „Rainbow to the Dark“ – Das war wahrscheinlich seine Abrechnung mit Ritchie Blackmore. Genau wie „Black Night“ von Deep Purple Ian Gillans Abrechnung mit Blackmore war.

Und Blackmore spielte dazu jahrelang selbst Gitarre?

Die Texte waren ihm wohl nicht so wichtig, ha ha …

Wie würdest Du eigentlich die Musik von Meloi bezeichnen?

Hm … „Classic Rock“ hat immer so ’ne staubige Konnotation … „Hard Rock“ wird als Begriff immer zu engmaschig begriffen, nur als Leder-und-Nieten-Musik. Aber natürlich fußt die ganze Idee auf meiner Liebe zum Hard Rock. Man könnte es aber auch als MOR [Middle Of The Road] bezeichnen.

Aber das kennt in Deutschland ja keiner.

Das ist das Problem! MOR oder AOR [AOR steht dabei wahlweise für „Adult“ oder „Album Orientated Rock“] , das ist so der Toto-Style. Für mich ist es einfach Rockmusik. Aber nicht, dass Du jetzt denkst, dass ich immer nur in meiner Lederjacke rumsitze. Bei mir geben sich die Musikstile die Hand, ich hör‘ ja auch Jazz – und allein schon mein ganzer Output mit Okta Logue spricht ja dafür. Die Visions hat Meloi übrigens beschrieben als „Heavy Yacht Rock“ – das fand ich eigentlich ganz gut, ha ha!

 

Dirkschneider „Balls to the Wall“

Ein Metal-Klassiker vom gleichnamigen 83er-Accept-Album in neuem Gewand

[Philip hört gebannt dem wuchtigen Intro zu]: Oh ja! Drums, so groß wie ’ne Sporthalle!

Das muss bei dieser Art von Musik wohl so sein.

Ist das Accept?

Ja, so ähnlich. Das ist „Dirkschneider“, ein Bandprojekt von Udo Dirkschneider, dem Sänger von Accept. Mit dieser Band spielt er nur Accept-Songs. Die andere, in gleicher Besetzung, aber ohne Accept-Songs, nennt Udo übrigens „U.D.O.“. „Balls to the Wall“ führt mich zu folgender Frage: Wo zieht man eigentlich die Grenze zwischen Hard Rock und Heavy Metal?

Nun: Accept ist auf jeden Fall ’ne Heavy-Metal-Band. Mit denen bin ich nie so warm geworden … Der Sound ist sehr „80s-metalig“. Nicht so wie bei der New Wave Of British Heavy Metal. Aber ansonsten ist die Abgrenzung schon schwierig … zum Beispiel Whitesnake: Ist das Hard Rock oder ist das Metal?

Mit Dirkschneider sollte jetzt – nach Spencer Davis Group, Argent, Dio und Konsorten – auch klar geworden sein, was heute das Leitmotiv unseres Hörspiels ist.

Bandnamen, die aus dem Nachnamen des Bandleaders bestehen?

Genau. Und da stellt sich nun natürlich die Frage: Wie kamt Ihr denn auf Euren Bandnamen? Und angesichts des Bandlogos und angesichts von Songs über Monaco frage ich mich bei Euch natürlich: Wie viel Eigenes und wie viel aus dem Baukasten der Rock- und Pop-Musik steckt in Meloi?

Hmm … Ich hab‘ die Band Okta Logue – und Meloi ist für mich ein Vehikel für Dinge, die ich da nicht unterbringen kann, beziehungsweise welche, die in dem Okta-Logue-Kontext nicht funktionieren würden, weil wir da ja eine andere Geschichte erzählen. Als wir bei der Namensgebung waren, war „Meloi“ dann auch naheliegend: Warum auch nicht? Dass man das dann überzeichnet, ist auch klar. Wir machen Hard Rock, da geht es auch um ein Augenzwinkern. Nicht als Persiflage, aber die Quintessenz dieser Musik ist doch letzlich Lockerheit – und Energie!

Wo Du gerade Deine Hauptband ansprichst. Viele interessiert bestimmt, wie es weitergeht mit Okta Logue.

Wir leiden natürlich wie alle anderen auch unter der aktuellen Pandemie. Wir hätten im Februar eigentlich noch eine große Tour gehabt, die gecancelt werden musste. … Also: Wir werden dieses Jahr ein neues Album schreiben … Benno Herz, unser Bassist und Sänger, wohnt in Los Angeles, und das hat die Situation in der Corona-Zeit natürlich extrem verkompliziert.

 

Nena „Ich bleib im Bett“

Okay, diese Band wurde nicht nach dem Nachnamen eines Mitglieds benannt, sondern nur nach dem Vornamen. Also passt dieses Stück aus Nenas Debütalbum auch nicht zu 100 Prozent zum Hörspiel-Konzept dieser Ausgabe, sondern nur zu 90 Prozent. Nehmen wir es mal als „Ehrenrunde“ …

Sind das Steel Drums?

Das wären gerne Steel Drums …

[Philip hört genauer hin, während sich ein urdeutscher, in der Weltstadt Hagen erdachter synthetischer Reggae aus den Boxen herausschält.] Nee … das sind elektrische Steel Drums … ha ha … Ja, das ist Nena!

Eine weitere Band, die nach einem ihrer Mitglieder benannt wurde … so ähnlich wie Sade.

Super! Das ist großartig … Ich liebe ja diese Neue-Deutsche-Welle-Bands, die nicht mehr so richtig zur „echten NDW“ gehören: Nena … Spliff … Generell mag ich auch diese, wie sagt man, diese „B-Liga-Bands“. Das gibt es ja auch oft im Hard Rock oder im AOR-Bereich … großartige Bands, die man heute nicht mehr kennt, zum Beispiel Lake. Die waren mit Supertramp unterwegs und in den Achtzigern richtig groß. Oder Tokyo aus Hanau. Oder Bands wie Night Ranger. Hör Dir mal deren „Rumours In The Air“ an – was für ein toller Song! [Wer sich überzeugen will]

Muss ich mir merken.

Ich kann Dir nur sagen: Früher musste ich für Pink-Floyd- oder Grateful-Dead-Bootlegs ein unglaubliches Geld hinlegen. Aber seit ich AOR höre, liegt mir der Plattenmarkt zu Füßen. Da finde ich die komplette Diskografie von tollen Bands in jeder 3-Euro-Kiste, ha ha!

Hast Du eine abschließende Botschaft an die P-Leser:innen?

Such Dir aus, was Dir lieber ist: „Keep The Faith“ oder „Don’t Stop Believin’“! Also, ich bin ja eher Journey-Hörer …

Ich geb’s so weiter, Philip – vielen Dank, hat Spaß gemacht!

 

Album und Auftritte? „In Vorbereitung.“

Von Meloi gibt’s bisher die beiden Singles „Future Raiders“ und „Monaco“ auf allen gängigen Streaming-Portalen zu hören, wobei insbesondere das retro-rennfahrer-stylische „Monaco“-Video sehr zu empfehlen ist. Ein Album und Auftritte sind „in Vorbereitung“. Wenn es mehr zu berichten gibt, erfahrt Ihr’s als Erstes im P, Ehrensache!

facebook.com/meloiofficial

instagram.com/meloi_band


 

„Monaco“ von Meloi