Artikel-Illustration: Johanna Schulte

Michael Kolmer (Grüne) und Hanno Benz (SPD) treten am 02. April in der Stichwahl um das Darmstädter Oberbürgermeisteramt an. Doch was hat so ein Stadtoberhaupt eigentlich zu entscheiden? Wie sich herausstellt, überraschend wenig. Doch wenn der OB will, kann er vor allem eins: sabotieren!

Oberste Aufgabe des Oberbürgermeisters ist die Repräsentation. Rund 40 Termine hat Noch-Amtsinhaber Jochen Partsch (Grüne) jede Woche in seinem Kalender stehen. Dann begrüßt er Vertreter von Partnerstädten, sticht das Bierfass zum Heinerfest an, eröffnet den Literarischen März, ja, muss sogar zu Goldenen Hochzeiten gratulieren – wobei solche häuslichen Termine meist doch ein untergeordnetes, oft nur ehrenamtliches Magistratsmitglied übernimmt.

Aber so richtig untergeordnet sind ihm die anderen Stadträte nicht. Der Oberbürgermeister ist zunächst nur „primus inter pares“, also „Erster unter Gleichen“. Das bedeutet: Der Titel verleiht ihm nicht wesentlich mehr Rechte als den anderen Magistratsmitgliedern, sondern nur eine hervorgehobene Ehrenstellung. So leitet Partsch zwar die Magistratssitzung, kann den anderen Stadträten aber nicht in ihre Geschäfte hineinreden. Wie diese die Verwaltung zu leiten haben, entscheidet die Stadtverordnetenversammlung. Der Magistrat ist nur ausführendes Organ, seine Mitglieder können von den Stadtverordneten jederzeit abberufen werden. Nur der Oberbürgermeister wird direkt von den Bürgern gewählt und kann auch nicht vom Stadtparlament abgesetzt werden. Er darf auch als einziges Magistratsmitglied eine vom Magistrat abweichende Meinung vertreten. Führen kann ein Oberbürgermeister also nur, wenn er den Magistrat und eine Mehrheit im Stadtparlament hinter sich weiß, die seine Vorschläge absegnen.

Interessant wird es jedoch in der besonderen Situation, wenn dem Oberbürgermeister eine Mehrheit im Stadtparlament und im Magistrat entgegensteht. Dann kommen die beiden Sonderrechte des Oberbürgermeisters zum Tragen: Er darf die Dezernate der Stadträte zuschneiden – und er leitet die Magistratssitzungen. Mit diesen Mitteln kann er es ganz schön krachen lassen – so geschehen vor einigen Jahren in Frankfurt, wo der mittlerweile abgewählte Peter Feldmann als roter Oberbürgermeister einer schwarz-grünen Koalition gegenüberstand. Feldmann wollte den Posten eines neunten hauptamtlichen Stadtrats abschaffen, doch das Parlament wählte gegen seinen Willen einen CDU-Politiker auf den umstrittenen Posten. Daraufhin ordnete Feldmann die Dezernate neu und entmachtete dabei auch gleich die Schuldezernentin. Einem weiteren Stadtrat entzog er die Wirtschaftsförderung, um sie von nun an selbst zu übernehmen. Als schließlich im Magistrat der Streit eskalierte, brach Feldmann als Leiter die Sitzung einfach ab.

In Darmstadt hat Jochen Partsch Anfang dieses Jahres – in weitaus weniger dramatischem Ausmaß – tatsächlich noch mal von seinen Kompetenzen Gebrauch gemacht und seinem Ordnungsdezernenten die Abteilungen Einwohnerwesen und Wahlen sowie Sicherheits- und Bußgeldwesen entzogen. Allerdings nur vorübergehend und aus dem Grund, dass es sich bei dem Ordnungsdezernenten um Paul Georg Wandrey handelt, der sich für die CDU auf das Oberbürgermeisteramt bewirbt. Da sollte er als Dezernent nicht in die Organisation der Wahl involviert sein.

 

Das amtliche Endergebnis der OB-Wahl 2023 – Stichwahl am 02. April!

Nur 48,57 % der 113.726 wahlberechtigten Darmstädter:innen sind am 19. März 2023 zur Hauptwahl des Oberbürgermeisters gegangen. So haben sie gewählt:

Michael Kolmer (Grüne): 23,71 % (2017, Kandidat Jochen Partsch: 50,4 %)

Hanno Benz (SPD): 20,63 % (2017, Kandidat Michael Siebel: 16,7 %)

Kerstin Lau (UFFBASSE): 18,96 % (2017: 12,4 %)

Paul Georg Wandrey (CDU): 18,24 % (2017: kein Kandidat, Wahlempfehlung: Jochen Partsch)

Holger Klötzner (Volt): 8,67 % (2017: kein Kandidat)

Uli Franke (Linke): 2,89 % (2017: 4,3 %)

Gerburg Hesse-Hanbuch (FDP): 2,80 % (2017, Kandidat Christoph Hentzen: 5,6 %)

Harald Uhl (Freie Wähler): 2,46 % (2017: kein Kandidat)

Mirko Steiner (Die Partei): 1,13 % (2017: kein Kandidat)

Michael Ziemek (WGD): 0,50 % (2017: kein Kandidat)

Damit schaffen es Michael Kolmer (Grüne) und Hanno Benz (SPD) in die Stichwahl am Sonntag, 02. April 2023. Die Entscheidung, wer Darmstadts neuer Oberbürgermeister wird, könnt Ihr beim öffentlichen Wahlabend der Wissenschaftsstadt Darmstadt ab 18 Uhr in der Centralstation live miterleben.