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Foto: Henry Stadthagen

Sport, der in Darmstadt betrieben wird und – Trommelwirbel – nicht Fußball ist? Vor lauter Lilienfieber ist’s ein bisschen in den Hintergrund geraten, aber: Jawohl, das gibt’s. In unserer Serie „Randsport im Rampenlicht“ stellen wir sie vor, die Sportarten, die (noch) nicht von einem großen Publikum bejubelt werden. Zum Beispiel, weil sie bislang kaum jemand kennt. Oder weil sie eben einfach zu speziell sind, um die Massen zu überzeugen. Oder vielleicht, weil man lieber unter sich bleibt? Wir gucken uns das für Euch aus der Nähe an. In dieser Ausgabe: Rhönradturnen mit der Hochschulsportgruppe der TU Darmstadt.

Bei Ballett, Eis- und Rollkunstlauf, Leistungsturnen und Co. geht’s ja vor allem um eins: Beweglichkeit und Körperspannung. Und zwar in einem Ausmaß, das mich immer wieder mit offenem Mund staunen lässt. Beim Rhönradturnen holt man sich als Sahnehäubchen der Verrücktheit noch ein rund 50 Kilo schweres Sportgerät dazu. Vermutlich, damit Leute wie ich noch beeindruckter sind, wenn die Turnerei mit dem riesigen Rad trotz dieser widrigen Umstände grazil wirkt. Schon bei der Vorstellung von mir in so einem überdimensionalen Hamsterrad muss ich sehr nervös kichern, ausprobieren möchte ich es aber trotzdem. Oder gerade deswegen.

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Foto: Henry Stadthagen

Turnen ohne Leistungsdruck

Aber: Geht „Rhönradturnen einfach mal ausprobieren“ überhaupt? In meinem Kopf ist’s eher eine der Sportarten, mit denen man spätestens im Grundschulalter anfangen muss. Ist der Zug für mich also schon vor Jahrzehnten abgefahren? Um eine große Karriere zu starten, ziemlich sicher schon. Aber nicht, um als Freizeitturnerin einzusteigen. Denn an der TU gibt es eine Sportgruppe, die genau das anbietet: Rhönradturnen zum Ausprobieren, aus Spaß an der Sache. Ohne Wettkampfgedanken, ohne Leistungsdruck. Es ist eine kleine Gruppe, zugegebenermaßen, denn so richtig regelmäßig schaffen es meist nur vier Turnerinnen und Turner. Und wie beim Hochschulsport so üblich, ist auch der Durchlauf recht hoch. Da ist Wiebke Kronz eher die Ausnahme, denn sie ist bereits seit 16 Jahren dabei und hat die Betreuung der Gruppe als Trainingsleiterin übernommen, als ihre Vorgängerin vor fünf Jahren aufgehört hat.

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Foto: Henry Stadthagen

Wiebke ist also diejenige, die mich bei meiner ersten Begegnung mit dem Rhönrad im sehr wörtlichen Sinn an die Hand nimmt. Meine Einstiegsübung, die zu meiner großen Freude tatsächlich Hamsterrad genannt wird, ist es, eben wie ein Hamster von einer der insgesamt sechs Sprossen zur nächsten zu staksen, um das Rad in Bewegung zu bringen. Dabei spielt die Körperhaltung eine wichtige Rolle, denn wer sich zu weit nach vorne lehnt, nimmt unkontrolliert Fahrt auf – und das möchte niemand. Passiert zum Glück auch nicht. Meine Bewegungen sind zwar ganz unumstritten fern von grazil, aber ich bin angefixt und bereit für die nächste Übung, die Wiebke mir vorschlägt: die Seitstellung. Die Füße werden hierfür auf den beiden Brettsprossen in Lederschlaufen gesteckt. Ich lerne, dass die Fußhaltung jetzt grundsätzlich erstmal das Wichtigste ist: Damit sie nicht aus den Bindungen rutschen können, muss ich beide Füße seitlich drehen und die Fußspitzen wie eine Ballerina strecken. Okay, Konzentration ist also angesagt. Die Hände dürfen sich an den Griffsprossen halten. Ich habe schon beobachtet, dass die Profis das nicht brauchen und den Kampf gegen die Erdanziehung nur mithilfe ihrer überirdischen Körperspannung gewinnen – also auch ohne Einsatz der Arme kerzengerade im Rad stehen. Natürlich. Ich für meinen Teil kralle meine zu diesem Zeitpunkt sehr schwitzigen Hände eher unprofessionell an die Griffsprossen und stehe jetzt im Rad wie die berühmte Gesundheitskärtchen-Leonardo-da-Vinci-Zeichnung. Gefühlswelt: Wie kurz vor Achterbahnstart, wenn man denkt: „Was zum Teufel mache ich hier eigentlich?“ Und nachdem ich mich mit Wiebkes Hilfe zum ersten Mal (von außen betrachtet im Zeitlupentempo, aber gefühlt absolut spektakulär) im Rhönrad über Kopf gedreht habe, ist es dann wie beim Aussteigen aus der Achterbahn. Herzklopfen, Schweißausbruch – und: Am liebsten gleich nochmal!

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Foto: Henry Stadthagen

Pizzastück, Freiflug, Riesenei und Affenspirale machen Spaß!

Besonders gut gefallen hat mir, dass das Training ganz ungezwungen abläuft. Vier Rhönräder in verschiedenen Größen stehen zur Verfügung, und nachdem sich alle gemeinsam aufgewärmt haben (vor allem zur Stärkung der hauptsächlich beanspruchten Partien Rumpf, Bauch und Rücken – ein solider Muskelkater ist für Ungeübte also vorprogrammiert) wird abwechselnd ausprobiert, vorgeturnt, zugeschaut und einander assistiert und geholfen. Ein Teil der aktuellen Gruppe hat früher aktiv geturnt und auch an Wettkämpfen teilgenommen. Die Art von Turnerinnen und Turnern also, die mich bei der Vorführung von Übungen, die lustige Namen wie Pizzastück, Freiflug, Riesenei und Affenspirale haben, schön staunen lassen. Bei meinem Trainingsbesuch waren neben mir aber auch noch zwei weitere Rhönrad-Neugierige zum ersten Mal da. Und ich glaube, sie hatten ebenso viel Freude am Rhönradturnen wie ich – sowohl beim Staunen als auch beim Ausprobieren. Fazit: Wirklich mal ganz was anderes, und eine prima Sache, diese Rhönradturnerei. Ich komm‘ nochmal wieder!

 

Unterstützung beim Training gesucht!

Wiebke Kronz könnte bei der Betreuung der Gruppe noch ein bisschen Unterstützung gebrauchen. Spezielle Trainererfahrung braucht Ihr dafür nicht unbedingt, Erfahrung im Rhönradturnen natürlich schon. Wenn Ihr Lust habt, Eure Skills mit Neulingen zu teilen, Hilfestellung zu geben und gemeinsam zu turnen, meldet Euch über das Kontaktformular auf der Unisport-Seite bei Wiebke Kronz.

 

Einfach mal ausprobieren!

Wer über 16 Jahre alt und neugierig aufs Rhönradturnen ist, wird in der Hochschulsportgruppe sehr nett empfangen und bestens angeleitet. Das Training findet immer samstags von 10 bis 11.30 Uhr in der Sporthalle am Hochschulstadion statt. Eine Schnupperstunde kostet nichts, für TU-Studierende ist der Kurs sogar komplett kostenfrei. Alle andere zahlen 22 Euro (Schüler, Azubis und Studierende anderer Hochschulen) beziehungsweise 40 Euro pro Semester. Mitzubringen sind: saubere Sportschuhe mit flacher Sohle, bequeme Sportkleidung (Tipp: ein enges Shirt, das nicht über den Kopf rutscht, ist eine gute Idee) und was zu trinken. Kündigt Euer Kommen einfach vorher über das Buchungsformular auf der Unisport-Seite

Beim TU-Campusfest „meet & move“ ist die Hochschulgruppe übrigens auch dabei – ebenfalls eine prima Gelegenheit, sich die Rhönradturnerei (und viele andere spannende Sportarten) mal unverbindlich aus der Nähe anzuschauen.

TU meet & move: Hochschulstadion, Lichtwiesenweg | Mi, 08.06. | ab 12 Uhr (Rhönradturnen ab 15.30 Uhr) | Eintritt frei, mehr Infos