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Foto: Jan Ehlers

Dass Jazz auch anders sein kann, betitelten schon „die Ärzte“ auf ihrem letzten Album. In Bezug auf die Darmstädter Formation Stütz/Spohn/Sonnabend sollten sie Recht behalten. Hier gibt es diesen anderen Jazz zu hören. Seit 2003 wirken Pianist Steffen Stütz, Bassist Christian Spohn und Schlagzeuger Max Sonnabend zusammen. In den vergangenen vier Jahren reifte ihr Erstlingswerk „Stabilisator“ heran, am 16. Juli stellt das Trio es im schönen Gewölbekeller des Jazzinstituts vor. Die Musiker verstehen sich zum einen in der Tradition des Jazztrios verhaftet, verlassen aber auf der Suche nach neuen Spielarten auch mal alte Pfade und brechen mit Traditionen. Über die akustische Spielweise hinaus paaren sie klassischen Jazz mit elektronischen Effekten. Frischer Wind für Jazz-Darmstadt!

 

P: Bitte beschreibt Stütz/Spohn/Sonnabend in einem Satz.

Steffen: Es gibt unglaublich viele Facetten im Jazz. Ich würde sagen, wir verfolgen eher eine modernere Stilrichtung.
Christian: Klassisches Piano-Trio mit modernem Sound…
Max: …das auch gerne mal laut und rockig werden kann.

Wie seid Ihr dazu gekommen, gemeinsam Musik zu machen?

Steffen: Max und ich kennen uns schon seit 1991. Die Jazz-Szene in Darmstadt ist klein, aber fein.
Christian: Man kennt sich halt. Unser Ansatz war eigentlich, uns nach unseren abgeschlossenen Musik-Studien weiterhin so intensiv mit der Musik zu befassen, wie man es eigentlich nur im Studium macht. Die Idee dahinter war unsere stetige musikalische Weiterentwicklung.

In Sachen Soundvielfalt und Experimentierfreude verlasst Ihr auch gerne mal die klassischen Wege. Zusätzlich zu Kontrabass und Flügel kommen auch elektronische Effekte zum Einsatz. Keine Berührungsängste?

Christian: Nein…
Steffen: … aufgrund unserer Erfahrung in unterschiedlichen Musikgenres. Da wir mit unseren anderen Projekten, die noch jeder von uns laufen hat, im weitesten Sinne alle Sparten der populären Musik abdecken – mal von Volksmusik und Schlager ausgenommen – können wir viel einfließen lassen.

Seht ihr Euch als Erneuerer des Jazz?

Christian: Ich würde mich jetzt nicht so weit aus dem Fenster lehnen, mich als Erneuerer des Jazz zu bezeichnen.
Max: Das sollen wenn, dann andere tun.
Steffen: Ich denke, wenn man mit offenen Ohren durch die Landschaft geht, nimmt man einfach das mit, was einem gefällt und denkt nicht an irgendwelche Stilgrenzen – das wäre mir einfach zu eingeschränkt.

Fällt es Euch schwer, Eure Musik zu kategorisieren? Ich denke da an den hinterfragenden Songtitel „Wat is Nu(,) Jazz?“…

Christian: Da sind wir direkt beim Thema. Diese Nummer ist die einzige auf der Platte, die ein Swing-Feeling hat. Was viele Leute noch als primäres Merkmal für Jazz bezeichnen. Jazz-Puristen sind der Meinung, wenn‘s nicht swingt, ist es kein Jazz. Und wir haben viele Einflüsse jenseits des Swing. Wir werden halt immer wieder mal gefragt: „Was macht Ihr eigentlich?“ Es ist aber unheimlich schwer zu kategoriseren. Der Titel „Wat is Nu(,) Jazz?“ ist einfach auf mehrere Arten deutbar. Ist jetzt Swing-Alarm angesagt, oder etwas anderes – und was ist überhaupt neuer Jazz?

Wie puristisch spielt Ihr? Benutzt Ihr Effektgeräte und Verzerrer oder eher Computer und Synthesizer?

Christian: Völlig oldschool. Bodentreter aller Art. So mit Computern und Synthezisern, das ist nicht unser Konzept. Das ist schon alles handgemachte Musik.
Steffen: Wir spielen eigentlich nur akustische Instrumente, aber wenn jetzt mal kein Klavier oder Flügel zur Verfügung steht, nehme ich auch mal einen Fender Rhodes [elektromechanischer, transportabler Klavierersatz, Anm. d. Red.]. Dann aber ebenfalls mit Bodentreter, Wah Wah, Verzerrer oder Phazer.

Wie viel entwickelt sich bei Euren Aufnahmen und Konzerten aus festgelegten Arrangements und wie viel aus unvorhersehbarer, freier Improvisation?

Steffen: Das primäre Ziel der Band ist es, die Balance zu finden zwischen Arrangements und freier Improvisation. Wir machen zwar keinen Free-Jazz, aber es gibt immer wieder komplett freie Passagen in unseren Songs…
Christian: … die sich auch immer wieder neu entwickeln und auf Konzerten immer anders gespielt werden.
Steffen: Das ist natürlich ein Bestandteil des zeitgenössischen Jazz, wie er momentan auch angesagt ist.
Christian: Das ist das Wesen des Jazz. Jazz ist per Definition improvisierte Musik. In dem Moment, in dem nicht improvisiert wird, ist es eigentlich kein Jazz.

„Mulp“, ein weiterer Song Eures Albums, ist ein von Esbjörn Svensson inspirierter Song. Dieser machte 2008, kurz vor seinem tragischen Tod nach einem Tauchunfall, in einem Interview die Aussage: „Es gibt viele gute Jazzmusiker, aber kaum gute Jazzbands. Also echte Bands, die wirklich zusammen spielen. In der Popwelt arbeiten die Leute viel mehr als Band zusammen.“ Wie seht Ihr das, nach acht Jahren gemeinsamer Zusammenarbeit?

Christian: Es stimmt. Im Jazz hat man ein grobes Gerüst und spielt. Das erfordert, unter Umständen, nicht so viel Arbeit wie bei einer Popband, wo eigentlich jeder Ton an der richtigen Stelle sitzen muss, alles immer gleich gespielt wird. Dabei geht es nicht darum, dass ein Popmusiker mehr üben muss. Der Jazzmusiker muss vielleicht versierter an seinem Instrument sein, um eben diese Improvisation hinzubekommen und so ein grobes Gerüst dann auch zum Klingen zu bringen.
Steffen: Das Idealbild ist, seine eigene, unverwechselbare Stimme zu bekommen.

Warum sollte man Euer neues Werk „Stabilisator“ erwerben?

Max: Weil‘s einfach eine super CD ist.
Steffen: In Darmstadt gab’s so eine Platte auf jeden Fall noch nicht.
Christian: Man kann diese CD sowohl beim Bügeln hören, ohne dass man die Bügelfalte falsch bügelt, als auch intensiv. Sie ist durchaus gefällig und nicht so’n völlig abgefahrener Wust. Mann kann sie komplett durchhören, ohne dass man gleich Stirnfalten bekommt, Rotwein trinken muss und sich einen Rollkragenpulli kauft.

Die obligatorische Frage zum Schluss: Euer Weltmeister-Tipp?

Christian: Deutschland.
Steffen: Argentinien.
Max: Kambodscha.

Vielen Dank für das Gespräch.

http://stuetzspohnsonnabend.de/