„Ande auffe Ertz“, wie Angelo Galizia von The Wirtschaftswunder bereits 1982 sang, um uns der Wahrheit zu verpflichten: Wer von Euch Lesern war vor sowie nach der Renovierung des Hessischen Landesmuseums dort? Na, wart Ihr auch so verwundert?
Ich war nie so der naturwissenschaftliche Museumsbesucher. Als Kind vor dem verstaubten Wolf steh’n, das war ernüchternd nach dem Entrée mit dem Mammut. Aufgespießte Falter machten es nicht besser. Auch Rüstungen und Itruskerschmuck ließ ich immer links beziehungsweise – auf dem Weg runter in den Neubau für die Kunst des 20. Jahrhunderts – rechts liegen. Da waren die tollen Bilder! Nicht dieses Mittelalter-Zeug, auf welchem wirkliche Könner ihres Berufsstandes Seeschlachten und Mütter mit Basedow-Augen faszinierend genau darzustellen wussten. Deren Berechtigung ist unbestritten.
Im Frankfurter Städel Museum gibt es davon ausreichend Auswahl, auch die Moderne ist dort stark vertreten. Wirklich, ein prima Museum. Wir hier in Darmstadt aber hatten, neben dem Block Beuys, die „Sammlung Tiefe Blicke“ der jungen Wilden. Da konnte man schon mehr Zeit verbringen. Wie gesagt, die Sammlung befand sich im Anbau, wo sie viel Raum einnahm. Bunt, wirklich wild, schön, neu. Darum bin ich auch diesmal zielstrebig bei meinem Besuch nach der Renovierung runter, um was vorzufinden? Die Bildersammlung des Dr. Phibes oder Otto Fürst Bismarcks! Mittelaltergemälde, in Hülle und Fülle. Bilder, die in alte Bauten gehören, in diesem kellerartigen Trakt jedoch wie Wandbehänge einer Totenhalle ohne Särge wirken. Doch noch schlimmer: Was hatten sie mit meinen Bildern gemacht? Ich also zur Pforte, um den Mann zu bitten, mir auf dem Plan zu zeigen, wo denn die „Sammlung Tiefe Blicke“ nun residiere. Wusste er nicht! Er ließ aber nach zähem Ringen durchsickern, dass diese Art Kunst sich wohl jetzt im Obergeschoss befände.
Und tatsächlich, Fragmente der Original-Ausstellung fand ich dort. In einem Raum, dessen Sinn und Zweck es vor dem Umbau wahrscheinlich gewesen war, Hausmeistern, Forschern oder Raumpflegern einen Rückzugsort zu bieten; und falls Robin Williams und Michael Hutchence des Nachts Wolf und Mammut vor sich hertrieben, standen jetzt die nackte Frau, der Glaskasten und das Klavier. In diesem Raum, der aussah, als ob man dort alle Schullandkarten, Periodensysteme und Super-8-Leinwände Darmstadts über Dekaden gepflogen hatte zu lagern, hängen nun die Werke von Dokoupil, Kunc und Kippenberger. Dieser Raum, ich wiederhole es gerne, der aussieht wie ein bislang unentdeckter Dachboden in der Alten Mühle der „Drombuschs“, kann ja wohl nicht Euer Ernst sein? Außerdem fehlt die Hälfte der Sammlung und, ich bin fast versucht zu sagen, die bessere. Aber Hauptsache Sonne statt Reagan – Johnny geht ja kein Filz stiften! Kein „Kein Capri“ geht aber gar nicht!