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Foto: Jan Ehlers

Chicco ist ein kleiner Rabauke. Eigentlich wirkt er mit seinen schwarzen Kulleraugen, als könne er kein Wässerchen trüben. Aber wenn dem schrulligen Spitz-Mischling was nicht passt, mutiert er trotz seiner 13 Hundejahre blitzschnell zum Teufelsbraten: Seinen Napf und sein Körbchen verteidigt er bis aufs Blut. Wer da nicht bei Drei auf den Bäumen ist, dem gnade Gott. „Keine Vermittlung“ steht deshalb auch an Chiccos Einzelzimmerchen. Seinen Lebensabend wird er wohl im Tierheim Darmstadt fristen müssen.

Damit hat es das Schicksal aber verdammt gut mit ihm gemeint, denn andernorts wäre Chicco längst eingeschläfert worden. Die Mitarbeiter des Tierheims Darmstadt dagegen haben sich auf seinen sehr speziellen Humor eingelassen: Sie gehen nur mit Verbandskasten Gassi.

Bessy dagegen ist eine kleine Schmusebacke. Die zehnjährige, verwuschelte Mischlingshündin ist nicht gern allein, will am liebsten überall mitwuseln und freut sich über jede Zuwendung. nur ihres Alters wegen scheint sie bisher niemand genommen zu haben. Chicco und Bessy sind nur zwei von vielen Sorgenkindern, um die sich die Mitarbeiter des am Rande Darmstadts gelegenen Tierheimes aufopferungsvoll kümmern. Mehr als 200 Tiere finden auf dem weitläufigen Areal am Waldrand in der nähe der Schnellstraße zwischen Darmstadt und Griesheim vorübergehend oder für immer Obdach. Neben den Sorgenkindern verweilen dort natürlich weit mehr leichter vermittelbare Tiere, die meist nur einige Wochen das Schicksal von Chicco und Bessy teilen.

Die Folgen der Wirtschaftskrise

Bis zu 1.700 Tiere beherbergt das Tierheim jährlich, schätzt Claudia Gries, die Büroleiterin. Sie ist eine von acht fest angestellten Mitarbeiterinnen, die sich mit einigen Azubis und Praktikanten sowie ehrenamtlichen Helfern – zum Beispiel fürs Gassi gehen – um das Wohl der ihnen anvertrauten Geschöpfe sorgen. Und dies sind nicht nur Hunde und Katzen, sondern mehr als ein Dutzend andere Tierarten wie Kaninchen, Igel, Vögel, Hamster, Esel, Chinchillas, Ponys… oder Bert und Bella, zwei asiatische Hängebauchschweine, die erst vor kurzem an einen Bauernhof weitervermittelt werden konnten.

Am 11. Juli 1957 wurde das Tierheim an seinem heutigen Standort eingeweiht. 1991 sind die marode gewordenen Gebäude Stück für Stück modernisiert oder neu errichtet worden. Eine eigene Tierheimpraxis, ein geräumiges Katzenhaus für circa 120 Katzen mit drei großen, gemütlichen Gemeinschaftszimmern und Freigehege sowie ein neues Hundehaus für 40 Hunde wurden gebaut. Gerade mit dem Hundehaus verfolgt das Tierheim ganz neue Wege. Auf  der Webseite wird das prämierte Konzept anschaulich erklärt: „Keine Zwinger mehr, sondern kleine Zimmer, ausgestattet mit erhöhten Liegepritschen, eigenem Fenster und kleinen Heizkörpern. Da im Tierheim Darmstadt seit langem Rudelhaltung praktiziert wird, gibt es im neuen Haus nur noch vier Einzelzimmer (Chicco!). Alle anderen sind für jeweils zwei bis vier Hunde konzipiert. Besonders hervorzuheben sind die drei Wohngemeinschaftszimmer, diese sind für sechs bis zehn Hunde ausgelegt. Über eine Holztreppe mit vielen Nischen gelangen die Tiere zum Schlafzimmer.“

Träger des Tierheimes ist der seit 1873 bestehende Tierschutzverein Darmstadt, der derzeit etwa 900 Mitglieder zählt. „Durchschnittlich 500.000 Euro pro Jahr sind notwendig, um das Tierheim am leben zu erhalten“, schildert Claudia Gries den immer wieder prekären Kampf um Geldmittel. tierärztliche Versorgung, Tierfutter, Energie, Müllentsorgung, Reinigungskosten, Instandhaltung und weitere Posten schlagen vehement zu Buche. Die Zuschüsse der Stadt Darmstadt und umliegender Gemeinden belaufen sich jährlich auf nur knapp 80.000 Euro.

Die immense Differenz muss durch Spenden, Mitgliedsbeiträge, Patenschaften, die eigene Tierpension und Vermittlungsgebühren gedeckt werden. Was allzu oft nicht gelingt, da gerade die Spendenbereitschaft in wirtschaftlich schwierigen Zeiten stark nachlässt.

Und die Wirtschaftsflaute macht sich auch in anderer Hinsicht bemerkbar: immer mehr Tiere werden aus finanziellen Gründen abgegeben. Die Menschen könnten sich Tierarzt und Futter einfach nicht mehr leisten, konstatiert Gries ernüchtert. Hinzu kommen die vielen herrenlos ausgesetzten Tiere. Gerade in den Sommermonaten stößt das Tierheim an seine Kapazitätsgrenzen, weil immer noch genügend Unverbesserliche glauben, dass eigene Haustier stehe der sorglosen Urlaubsplanung im Wege. Dabei bietet das Tierheim gerade für solche Szenarien eine kostengünstige Tierpension für eine temporäre Unterbringung an.

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Foto: Jan Ehlers

Vor Weihnachten ergibt sich hingegen meist das Problem, dass Leute sich aus dem Tierheim ein schnuckliges Geschenk besorgen wollen. Oft kehren diese Tiere dann aber wenige Wochen später wieder zurück, weil die kurzweiligen Besitzer „sich das ganz anders vorgestellt haben“. „Tiere sind doch keine Mängelware“, ärgert sich die Auszubildende Anna Würtz.

Sehr negativ wirkte sich für alle hessischen Tierheime die Einstellung der TV-Sendung „Herrchen gesucht“ (im hr Fernsehen) aus. Bis zum Jahre 2007 war dieses tierMagazin ein verlässlicher Garant, selbst für schwer vermittelbare Tiere ein neues Zuhause zu finden. „Nach einer solchen Sendung haben die Telefondrähte tagelang geglüht“, erklärt Tierpflegerin Stefanie Redel. Solche Erfolgserlebnisse fehlten jetzt gewaltig.

Deshalb bemüht sich das Tierheim um neue Wege der Öffentlichkeitsarbeit. Eine Hundeschule mit Vorträgen und Spielstunden sowie verschiedene Veranstaltungen wie „tierdankfest“, „Sommerfest“, „Weihnachtsmarkt“ oder der jeweils am ersten Sonntag im Monat stattfindende Tag der offenen Tür mit Flohmarkt werben erfolgreich um die Gunst der Tierliebhaber. Spenden und Patenschaften für Tiere sind aber weiterhin der Hauptquell des Etats. „Ebenfalls hilfreich sind Sachspenden wie Futter, Decken oder Handtücher“, erklärt Büroleiterin Gries.

Wer mehr Informationen zum Tierheim Darmstadt haben will, kann die sehr umfangreiche und liebevoll gestaltete Webseite besuchen. Besonders eindrucksvoll sind dabei die anrührenden, humorvollen (Chicco!) und herzzerreißenden Geschichten der tierischen Bewohner, die hier ein teils zwischenzeitliches, teils aber auch endgültiges Idyll gefunden haben.

Abschließend erwähnt Claudia Gries noch drei Sorgenkinder, die sich sehnlichst ein neues Zuhause wünschen: Jupp, der eifrige und wachsame dreijährige Malinois Rüde, und die zwei verschwisterten „heilige Birma“-Katzen, die an dem (für Menschen ungefährlichen) Katzen-Aids FiV erkrankt sind. Na, lässt sich Euer herz erweichen?

(Text: Wuff Wuff alias Tobi Moka – nicht vermittelbar, hoffnungsloser Fall)
Sitz! Fass! Männchen!

Tierheim und Tierschutzverein Darmstadt
Alter Griesheimer Weg 199
64293 Darmstadt
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www.tsv-darmstadt.de

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Sonn- & feiertags von 10 bis 13.30 Uhr (außer am ersten Sonntag im Monat)

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