„Ich glaube“, hat der neue Trainer Kosta Runjaic gesagt, „dass wir es noch aus eigener Kraft schaffen können“. Ja, es wäre wirklich ganz sympathisch, wenn der SV Darmstadt 98 in dieser Saison mal wieder unter Beweis stellen könnte, auch sportlich der vierten Liga gewachsen zu sein. Vorige Saison war es der freiwillige Rückzug von Viktoria Aschaffenburg, der nicht ganz unschuldig daran war, dass die „Lilien“ weiterhin Regionalligafußball spielen dürfen. Nun muss der SSV Reutlingen eingestehen, dass acht Millionen Euro Verbindlichkeiten gewisse Korrekturen im Geschäftsbetrieb erfordern und man sich ab nächster Runde lieber freiwillig in der Oberliga Baden-Württemberg entschuldet. Ein Absteiger in dieser Saison steht damit schon fest. Längst ist auch der FC Eintracht Bamberg in dieses Bewerbungsverfahren eingestiegen – 300.000 Euro so genannte Unterdeckung belasten den Etat für die laufende Runde. Ausgang offen, Zwangsabstieg gleichfalls möglich. Darmstadt muss also bestenfalls nicht zwingend auf einem Nichtabstiegsplatz stehen um nicht abzusteigen.
Natürlich ist das auch ein Konzept, einen Fußballverein zu fuhren: Man halt sich solange über Wasser, bis der Rest der Liga wirtschaftlich zusammenbricht, bleibt so in der Klasse – oder steigt sogar noch auf, weil sonst keiner mehr da ist. Hans Kessler, der „Lilien“-Prasident, wird sagen, dass Vereine eben auch ihre Finanzen im Griff haben müssen. Tja. Dass gute Darmstädter Tabellenplatzierungen in der Vergangenheit mitunter zu teuer erkauft worden sind, beweist die letzte Regionalligasaison unter Trainer Bruno Labbadia. Der damals erzielte fünfte Platz war war nicht nur drei Platze zu schlecht, um, wie beabsichtigt, aufzusteigen. Zudem stand der Verein nach der Saison nur noch mit einer Handvoll Spieler da – und schob ebenfalls eine Etatunterdeckung von 300.000 Euro vor sich her.
Aber welcher Fan geht schon ins Stadion, um den ausgeglichenen Kontostand seines Vereins zu bejubeln? Schließlich ist ein Fußballverein keine Investmentfirma, in der nebenbei ein paar junge Männer als Betriebssportler kicken. Fußball ist auch bei den „Lilien“ das Eigentliche, das Wertbestimmende. Sollte am Ende dieser Saison mal wieder ein Abstieg stehen, wird kein Darmstädter Fan sagen: „Fünftklassig, egal, viel geiler ist der positive Saldo unseres Dispositionskredits.“ Irgendwie muss es gelingen, kaufmännische Solidität mit sportlicher Kompetenz zu verschmelzen. Oder welche teuflisch schlauen Plane hatten beispielsweise der VfR Aalen oder der 1. FC Heidenheim, um den SV Darmstadt 98 rechts zu überholen? Auch die Sportfreunde Lotte aus dem Westfalischen müssen irgendeinen Dreh gefunden haben, ihren Laden so gut zu organisieren, dass sie günstigstenfalls bald drittklassigen Fußball anbieten können. Ja, nicht nur von Lotte lernen, heißt neuerdings auch in Darmstadt siegen lernen. Aber zum Gluck heißt ja der neue „Lilien“-Trainer Kosta Runjaic und der hat zuvor in Aalen gearbeitet. The future is bright.