Ha, zum Finale Alzenau 3:1 vom Platz gefegt. Jawoll, die Klasse gerade noch gesichert. Das ist zwar ein Tick weniger als das ursprüngliche Saisonziel („positive Überraschung“), aber dafür bleibt nun noch mehr Spielraum. Für was? Richtig: „einen Neuanfang“. Die neuesten Neuanfänge gibt es immer in Darmstadt, jedes Jahr wird einer ins Leben gerufen – weil halt deren Vorgänger nie wirkliche Neuanfänge waren. Doch so ist das mit Phrasen und Floskeln, sie werden dahergeplappert und aufgeschrieben, ohne Verstand und ohne Überprüfung der Inhalte. Eine kleine Sammlung „Lilien“-spezifischer Termini mag das belegen.
Aufbruchstimmung: Deutschlands bester Hinrundentrainer Bruno Labbadia hatte sie nach intensiver Suche im Böllenfalltorstadion erst vermisst und dann angeordnet. Doch verordnete gute Laune ist weder wahrhaftig noch nachhaltig (Fasching).
Bruttopersonalfixkosten: Wortschöpfung des ehemaligen Schatzmeistersportlicherleiterpräsidiumsberaters Uwe Wiesinger, um das Eigentliche (Arbeitgeberkosten) in nebelverhangene Undurchschaubarkeit zu tauchen und sich selbst in Spezialwirtschaftswissensaura zu hüllen.
Finale Gespräche: Wurden ständig von Präsident Hans Kessler mit ehemaligen Verantwortungsträgern des Vereins geführt, als es darum ging, von ihnen Geld einzutreiben, um die Insolvenz zu verhindern. Nirgendwo auf der Welt gab es so viele finale Gespräche wie in Darmstadt. Ein Finale als gefühlte Endlosschleife.
Galionsfigur: Der Begriff steht immer wieder mal in der Lokalzeitung als Top-Merkmal für den neuen Wunschpräsidenten, der alles kann und ist: Fußballheld, Wirtschaftskenner, Sponsorenbeschaffer. Ein Supermann – der in Darmstadt nicht existiert. Galionsfiguren kamen vor allem im Schiffbau vor 300 Jahren vor, oft waren diese am Bug angebrachten Holzpuppen weiblich. Eine Lilien-Präsidentin? Ursel Reiter lebt leider nicht mehr. Mal über „Eis Friedel“ nachdenken. Lizenzdschungel: Eine Worterfindung, vermutlich des „Darmstädter Echo“, um dem Lizenzierungsverfahren des DFB etwas Sinistres zu verleihen – gegen das nur einer angehen konnte: Uwe „Tarzan“ Wiesinger. Gerüchteweise haben es andere Vereine gelegentlich geschafft, auch ohne den Steuerberater aus Sickenhofen die Lizenz zu bekommen.
Opposition: Unbestimmt große Gruppe von Personen, die, angeführt von Dieter Rudolf, 2003 die Vereins-Vereinsführung um Walter Grimm stürzen wollte. Das Wort „Revolution“ sollte eine neue Bedeutung erfahren. Die geplante Machtübernahme geriet jedoch auf der Mitgliederversammlung in der Otto-Berndt-Halle zu einem Darmstädter Waterloo.
Tradition: Wenn das Scheitern die Gegenwart bestimmt, hilft nur die Flucht in die Geschichte: Wir waren doch schon mal gut – und deswegen haben wir es verdient, wieder gut zu werden. Traditionsvereine scheitern gegenwärtig immer öfter: Waldhof Mannheim, Rot-Weiss Essen undsoweiter. Immer fehlt das Geld, weil die Sponsoren fehlen. Aber die Sponsoren wollen nach oben und nicht Abstiegskämpfe finanzieren. Oder gewaltige Geldverbrennungsöfen. Tradition und Kult sind im Fußball auf Dauer keine Argumente. Denn beide schießen keine Tore.
Vertragsfuchs: Wieder nur einer: Uwe Wiesinger. Diese ausgefuchsten Papiere hatten zwölf und mehr Seiten, dschungelhafte Paragrafen und waren so schlüssig formuliert, dass manch Spieler nach stundenlangem Studium (der ersten Seite) mit seinem Berater telefonierte, ob es nicht vielleicht noch einen anderen Club gäbe, für den man spielen könne.