Grafik: Rocky Beach Studio
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Wer dieser Tage mit Kosta Runjaic redet, der hört immer wieder von Baustellen, die es noch zu bearbeiten gelte. Der Trainer der „Lilien“ spricht dann über Maulwurfshügel auf dem Trainingsplatz, und er spricht über die Erste Mannschaft, die, hört man Runjaic genau zu, eine Großbaustelle ist. Selten hat ein Trainer des SV Darmstadt 98 derart offensiv angemahnt, dass dieser Verein Defizite hat, dass er sich zu sehr verfängt in Erinnerungen an die alten Zeiten.

Runjaic ist ein junger Trainer, der weiter kommen will. Er weiß, dass das Böllenfalltor für ihn eine gute Bühne ist, um aufzufallen, das geflügelte Wort vom „gefühlten Profifußball“ geht auch dem Coach leicht über die Lippen. Doch Runjaic weiß auch, dass ein gediegener Abend für die Sponsoren auf dem Golfplatz Gernsheim-Allmendfeld und ein paar  Zuschauer mehr als beim großen Rest der Regionalligavereine nicht reichen, damit ein Verein vorankommt. Denn wer heute schon von übermorgen, sprich vom Aufstieg in die Dritte Liga träumt, der wurde zum Saisonstart schmerzlich ins Hier und Jetzt zurückgeschleudert und bekam zu besichtigen, was Runjaic meint, wenn er von der „Baustelle Erste Mannschaft“ spricht. Pannen der Darmstädter Torhüter gehören längst zur Charakteristik des Fußballs am Böllenfalltor, beim 0:2 gegen den SC Pfullendorf war Joel Samaké an der Reihe. Es ist bekannt, dass Runjaic vor der Saison gerne noch einen besseren letzten Mann verpflichtet hätte, Thomas Richter wartete ante portas – aber die Geldknappheit des Vereins sowie der laufende Vertrag von Rainer Adolf standen der Rückkehr Richters ans Böllenfalltor im Weg. Also muss Runjaic mit Samaké und Adolf weiter werkeln, obwohl er beiden nur eingeschränkt Vertrauen schenken mag.

Einen Trainer kann das rasend machen. Denn wie gut die Darmstädter mittlerweile spielen können, war gegen Pfullendorf zu besichtigen. Das sah nach einstudiertem Offensivfußball aus – der auch daran scheiterte, weil der Gegner mit dem nun 40 Jahre alten Ralf Hermanutz einen der besten Torhüter der Regionalliga Süd aufbieten kann. Gut, bestenfalls hätten die Darmstädter in diesem Match noch ein 0:0 herausgeholt, als Trost wäre ja noch viel Schauwert eines guten Spiels geblieben. Aber was will ein Trainer machen, wenn sein Torwart einen harmlosen Ball durch die Beine kullern lässt? Er wird alle daran erinnern, dass erfolgreicher Fußball eben auch eine Mindestqualität aller Akteure bedingt und nicht einfach per Businessplan angeordnet werden kann.

Die Heimniederlage zum Saisonauftakt war der worst case für die „Lilien“. Bereits nach einem Spieltag dürfte der nur noch geringe Vertrauensvorschuss des mauligen Anhangs aufgebraucht sein – an die Drittligavision zu glauben verlangt jetzt schon stählernen Optimismus. Die Auftaktniederlage könnte aber auch reinigend gewesen sein für die Strategen, die mit der Software AG das Sponsoringkonzept als Stufenplan ausgearbeitet haben. Irgendwie soll jedes Jahr ein bisschen mehr Geld ausbezahlt werden – als Belohnung für die erfolgreiche Saison zuvor. Es regiert das „Prinzip scheibchenweise“ – und das ist halbherzig. Es wäre an der Zeit gewesen, in Darmstadt sofort für deutlich verbesserte Finanzkraft zu sorgen, um eine ausgeglichen besetzte Mannschaft aufzubieten, die von Beginn an dem Anhang verdeutlicht: Wir wollen nach oben, und wir können nach oben. So aber hat Baustellenleiter Runjaic viel Arbeit vor sich.