Grafik: Rocky Beach Studio
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Wie lange Matías Esteban Cenci an diesem Nachmittag Autogramme schreiben musste, ist unklar. Aber ziemlich sicher dürfte sein, dass kein anderer Spieler so lange damit beschäftigt war wie er. Als Cenci den SV Darmstadt 98 im Jahr 2006 verließ, wurde er als Volksheld verabschiedet. Vier Jahre später ist er wieder zurück – und sein Status unverändert.

Der Argentinier aus der Stadt Quilmes am mächtigen Strom Rio de la Plata ist heimgekehrt ans Böllenfalltor, wo er einst verehrt worden ist. Ganz im Gegensatz zu seinen Stationen beim SV Wehen, FSV Frankfurt und beim SV Sandhausen. Und es galt noch zu beweisen, dass der Mann mit dem Spitznamen „Che“ auch wirklich wieder am rechten Platz ist, bereitete er beim 3:2-Freundschaftsspielsieg gegen die Bundesligamannschaft vom FSV Mainz 05 erst ein Tor vor, das 3:1 köpfte er selber.

Die Rückkehr von „Che“ ist das Beste, was den „Lilien“ im Spätsommer 2010 passieren konnte. Es geht bei ihm nicht nur ums schnöde Tore schießen, schließlich war Cenci gelegentlich auch als grandioser Chancentod aufgefallen. Egal, der Argentinier mit italienischem Pass ist eine kleine Attraktion, stets ein netter Kerl, volksnah, er spielt E-Gitarre und bringt einen Hauch südamerikanische Exotik mit. Kurz: „Che“ ist zur richtigen Zeit der richtige Mann für einen Verein, der eine erhebliche Bringschuld gegenüber seinen Fans hat. Lediglich 2.100 Menschen wollten die „Lilien“ gegen Mainz sehen, nur 2.000 das 2:0 gegen Hoffenheim II und damit den ersten Heimsieg in der Regionalligasaison.

Doch wer mit Kosta Runjaic spricht, erfährt von Visionen, die darin gipfeln, dass im Dezember 5.000 Besucher ans Böllenfalltor kommen könnten. Der immer listig wirkende Trainer der „Lilien“ hat mit viel Cleverness ein Team zusammengebaut, dem mehr zuzutrauen ist, als ein lausiger Platz in der Abstiegszone. Cenci im Sturm, dann auch noch der ebenfalls spät verpflichtete Sascha Amstätter im Mittelfeld, sind zwei Spieler mit Zweitligaerfahrung, die die Darmstädter Mannschaft um eine Qualitätsstufe nach oben hieven sollten. „Es kommt endlich alles in geordnete Bahnen“, stellt Kapitän Boris Kolb zufrieden fest.

Es ist lange her, dass man so einen Satz schreiben durfte: Die „Lilien“ gehören zur Spitzengruppe der Regionalliga. Und wer das künstlerisch wertvolle 4:1 gegen Wehen-Wiesbaden II gesehen hat, weiß, dass Runjaics Team dort auch hingehört. Kalkuliert man extrem optimistisch und rechnet aus den noch verbleibenden beiden zwei Nachholspielen sechs Punkte ein, dann, ja, dann – funkelt der Aufstiegsplatz immer kräftiger. Bitte, was? Spitzengruppe? Aufstiegsplatz? Darmstadt? Was ist denn hier los? Vielleicht war es dem Enthusiasmus seiner Heimkehrgefühle geschuldet, vielleicht hat Cenci auch viel Gespür für die Schwingungen in einer Fußballmannschaft. Nach dem Spiel gegen Mainz sprach er nicht nur davon, dass er in Darmstadt wieder ein gutes Gefühl habe. Er sprach auch davon, dass diese Mannschaft gut genug sei, um ganz oben mitzuspielen. Der 32-Jährige will nach dieser Saison aufhören, mit Fußballspielen sein Geld zu verdienen. Definitiv geht es im Jahr 2011 zurück nach Argentinien, versichert er. Sollte er bis dahin dazu beigetragen haben, dass der SV Darmstadt 98 wirklich oben angekommen ist (in der Drittklassigkeit), dann ist eines gewiss: „Che“ wird Darmstadt wieder als Held verlassen.