Foto: Nouki

Das hält man ja alles im Kopf nicht mehr aus. Wie und wann ist das alles nur derart falsch abgebogen? Nein, die Rede ist hier nicht von den Leistungen des SV Darmstadt 98. Die Rede ist von all dem Wahnsinn in der Welt, der unablässig auf einen niederprasselt. Allen voran auf Social Media. Schließlich werden dort Trolle, Laute und Unverschämte mit Reichweite belohnt. Selbst so mancher Staatenlenker tobt sich in all seiner Gehässigkeit und Scheinheiligkeit genüsslich aus. Populismus und Algorithmus = Magnetismus. So true! Wie wohltuend ist dahingegen ein Besuch im Stadion. Denn dort zählt etwas, das in den (a)sozialen Medien zunehmend auf verlorenem Posten steht: die nackte Wahrheit!

Selbst als Leser von Tageszeitungen, diesem merkwürdig entschleunigten Medienformat, erlebt man seit geraumer Zeit in erster Linie eines: Frust. Nahezu alle Entwicklungen im Weltgeschehen und in Deutschland lassen einen das täglich erscheinende Printmedium missmutig zuschlagen. Nationale Politik: zerstritten bis unfähig. Wahlausgang: ernüchternd. Amoktaten: erschütternd. Weltgeschehen: fragil. Wirtschaft: runter. Insolvenzen: rauf. Kriegerische Konflikte: zuhauf. Die Starken, Lauten und Mächtigen geben die Marschroute vor. Die Schwachen können sehen, wo sie bleiben. Gerade jenseits des Atlantiks herrscht seit dem 20. Januar eine toxische Unverfrorenheit, die jahrzehntelange Gewissheiten geradewegs pulverisiert.

„Flood the zone with shit“

Das Vehikel der Trumps, Musks und Weidels dieser Welt? Die sozialen Medien. Diese Brandbeschleuniger erlauben es ihnen, zum eigenen Medienhaus zu werden. Kalkulierte Provokationen sind immer nur einen Post entfernt. Im Handumdrehen bestimmen sie, was auf die Agenda kommt. Etwas, das bis in die 2000er undenkbar gewesen war. Damals benötigten selbst die Mächtigsten die TV-Stationen, Radiosender und Zeitungen, um ihren Botschaften Reichweite zu verleihen. Das Internet stellt das auf den Kopf … in Echtzeit. Dabei sind die sozialen Medien zu einem massiven Tool geworden, um Wahrheiten so lange zu beugen, bis sie brechen. Faktenchecker kommen gar nicht mehr hinterher, all die kalkulierten Falschbehauptungen zu widerlegen. Und selbst wenn: Die Lügen sind aus der Flasche und werden bald nicht mehr hinterfragt. Es gilt einfach, sie beständig über „X“, Tiktok, Instagram und Youtube zu wiederholen. Getreu dem Trumpschen Motto: „Flood the zone with shit!“ Und das alles unter dem Deckmantel der „freien Meinungsäußerung“. Oh, boy!

Die KI-Welle kommt erst noch ins Rollen

Dabei sind wir heute noch nicht einmal mit der ganzen Urgewalt der künstlichen Intelligenz konfrontiert. Verfälschte Bilder, Filmchen und Statements gibt es zwar jetzt schon. Sie werden allerdings weiter massiv an Qualität und Quantität zunehmen, sodass man bald seinen Augen und Ohren nicht mehr wird trauen können. Auch das entspricht dem Kalkül aggressiv polarisierender Machtverschieber. Ganz gleich, wie medienaffin jemand ist, oder wie sehr sich jemand als „Digital Native“ begreift: KI-generierte Inhalte werden bald kaum mehr zu entlarven sein. Folglich wird wahr oder unwahr zu einer Frage, die immer schwerer zu beantworten ist.

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Sieg ist Sieg, Niederlage ist Niederlage

Da ist die Sachlage bei so etwas Banalem wie Fußball schon deutlich weniger kompliziert. Jeder, der ein Fußballspiel besucht, sieht mit eigenen Augen, was sich auf dem Platz abspielt und wie ein Ergebnis zustande kommt. Sieg oder Niederlage mögen manches Mal unverdient sein, dennoch steht das Ergebnis am Ende der 90 Minuten unverrückbar fest. Da können Trainer, Spieler und die Medienabteilungen der Klubs die Leistungen auch noch so sehr durch ihre Brille sehen, am Ende ändert das am Spielergebnis nichts. Das bedeutet zugleich: Wer nach einer kompletten Spielrunde auf den Aufstiegsrängen oder in der Abstiegszone rangiert, der wird dies nicht von ungefähr tun. Das macht gerade in unseren heutigen Zeiten der großen Unsicherheiten und der schnell hinausposaunten Lügen eine große Qualität aus. Man kann sich auf das verlassen, was am Ende auf der Anzeigentafel steht (es sei denn, jemand kommt auf die Idee, Bierbecher oder Feuerzeuge auf Spieler oder Linienrichter zu werfen und sie dann auch noch zu treffen).

Der Stadionbesuch als willkommene Auszeit

Selbst wenn man persönlich noch so sehr mit einem Spielausgang hadern mag, der Sport im Allgemeinen und der Fußball im Besonderen tragen dazu bei, sich früher oder später mit den Ergebnissen zu arrangieren. Etwas, das dem größten Deal-Maker aller Zeiten gehörig abgeht. Zudem erlaubt einem der Besuch eines Fußballspiels, all seine Emotionen in die 90 Minuten zu legen. Jedes Spiel wird zu einer willkommenen Auszeit und Ablenkung von all den Zerwürfnissen des (gesellschaftspolitischen) Alltags. Vielleicht gehe ich gerade deshalb aktuell noch ein klein wenig lieber ans Bölle als ohnehin schon. Und so platt der Spruch auch sein mag: Die Wahrheit liegt eben auf dem Platz. Das Ergebnis ist und bleibt unverfälscht. Aber: Selbst nach 90 enttäuschenden Minuten besteht die Chance, dass es im nächsten Spiel besser läuft. Denn dann beginnt alles wieder bei Null. Das Gleiche gilt für jede neue Spielzeit. Das beinhaltet, dass Favoriten stürzen und Außenseiter zuschlagen können. Jedes Spiel, jede Saison bietet die Chance, vom eigenen Team positiv überrascht zu werden. Eine Zuversicht, die aktuell jenseits des Fußballs zunehmend schwerer fällt. Leider.

Klassenerhalt klarmachen, bitte!

Sa, 5.4., 13 Uhr: SV Darmstadt 98 – SpVgg Greuther Fürth

Sa, 12.4., 13 Uhr: Hertha BSC – SV Darmstadt 98

So, 20.4., 13.30 Uhr: SV Darmstadt 98 – Hannover 96

Sa, 26.4., 13.30 Uhr: SC Preußen Münster – SV Darmstadt 98

sv98.de

Matthias und der Kickschuh

Seit Ende 2011 schreibt Kickschuh-Blogger Matthias „Matze“ Kneifl über seine große Leidenschaft: den Fußball. Gerne greift er dabei besonders abseitige Geschichten auf. Kein Wunder also, dass der studierte Historiker und Redakteur zu Drittligazeiten begann, über die Lilien zu recherchieren und zu schreiben. Ein Resultat: das Taschenbuch „111 Gründe, den SV Darmstadt 98 zu lieben“, das (auch in einer erweiterten Neuauflage 2019) im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen ist. Zudem führt er seit einigen Jahren Interviews für den „Lilienkurier“. Genau der richtige Mann also für unsere „Unter Pappeln“-Rubrik!

kickschuh.blog