Illustration: Stephanie Windt

Am 19. März 2023 soll sich Darmstadt ein neues Stadtoberhaupt wählen. Weil der Amtsinhaber Jochen Partsch von den Grünen nach zwölf Jahren nicht noch einmal antritt und unter den zehn Kandidat:innen gleich mehrere ernstzunehmende Bewerber:innen sind, dürfte es richtig spannend werden. In Erwartung eines Kopf-an-Kopf-Rennens um den Einzug in die Stichwahl bedienen sich einige Politiker unfairer Mittel und verwirrender Plakate. Doch was versprechen sie eigentlich, für das Darmstädter Kulturleben zu leisten?

Eigentlich dürfen die Bewerber:innen ihre Wahlplakate erst sechs Wochen vor der Wahl aufhängen. Doch schon seit Anfang des Jahres lächeln in Darmstadt die Kandidaten von Grünen, SPD und CDU von einigen Laternenmasten. Statt für seine Wahl zu werben, wünscht der SPD-Kandidat Hanno Benz den Bürgern „ein Frohes Fest und alles Gute für 2023“. Der Grüne Michael Kolmer lädt zu einer Podiumsdiskussion zur Energiewende, und CDU-Chef Paul Georg Wandrey zu einer Infoveranstaltung über Cybercrime.

Auch bei den offiziellen Wahlplakaten geht das Verwirrspiel weiter. SPD-Mann Benz bezeichnet sich da als einziger der Kanditat:innen bereits als „Oberbürgermeister“. Und Ordungsdezernent Wandrey verzichtet ganz im Sinne der Personenwahl völlig auf das Parteilogo der CDU. Sogar sein Amt als Parteivorsitzender lässt er für den Wahlkampf ruhen. Auch Stadtplanungsdezernent Kolmer weist nur mit einer dezenten Sonnenblume auf seine Parteizugehörigkeit bei den Grünen hin. Mit der Taktik, die eigene Person voranzustellen und auf das Parteiticket zu verzichten, sind in den vergangenen Jahren bereits einige neu gewählte Bürgermeister im Landkreis gut gefahren.

Auf Einladung der Darmstädter Kulturvereine sind alle zehn Kandidat:innen zum ersten Mal öffentlich Ende Januar in der Stadtkirche aufeinander getroffen. Denn in der „Stadt der Künste“ führt der Oberbürgermeister traditionell auch das Kulturdezernat. Der derzeitige grüne Planungsdezernent Michael Kolmer stellte vor allem klar, dass das bei ihm so bleiben solle. Auch ansonsten dürften unter ihm keine großen Veränderungen zu erwarten sein. Immerhin führt seine Partei die Darmstädter Regierung bereits seit 2011 an, außerdem ist er der Wunschnachfolger des derzeitigen Oberbürgermeisters Jochen Partsch. Da verbietet sich ihm natürlich Kritik am Status quo. Allerdings wolle er den kommunalen Eigenbetrieb Kulturinstitute auflösen, ihn in die übrige Verwaltung zurückführen – und dabei den anstehenden Generationenwechsel nutzen.

Welterbe und „mehr Utopie“

Auch alle anderen Kandidat:innen lobten das reiche Kulturleben der Stadt und versprachen, keine Kürzungen vorzunehmen. Frische Ideen präsentierten dabei vor allem die Fraktionsvorsitzende von Uffbasse, Kerstin Lau, und der amtierende Bildungsdezernent Holger Klötzner von Volt. Lau plane zunächst, den nach ihrer Aussage völlig intransparenten Kulturetat offenzulegen. Außerdem wolle die 51-jährige Diplom-Sozialpädagogin und Mediatorin Kulturzentren in den sterbenden Kaufhäusern der Innenstadt einrichten – nach dem Vorbild des Offenbacher Konzepts „Station Mitte“, wo rund um die neue Stadtbibliothek ein Kultur- und Kommunikationszentrum entstehen soll. Insgesamt wünsche sie sich „mehr Utopie“.

Der 35 Jahre junge Klötzner würde gar auf das Kulturdezernat verzichten wollen und die Verwaltung der Kultur von Grund auf neu aufstellen. Neu eingestelltes Personal solle die Bürger dann „mit kurzen Wegen zu den Entscheidungsträgern“ gezielt unterstützen, Kunst und Kultur zu schaffen. Zwar keinen großen Umbau, aber immerhin einen neuen Rahmenplan für die Kultur versprach SPD-Mann Hanno Benz, über die von ihm als mangelhaft kritisierte Förderung Darmstädter Projekte durch den Kulturfonds Rhein-Main war er allerdings ziemlich desinformiert. Sich für die kleineren Kulturschaffenden stark machen möchte Uli Franke (Geschäftsführer der Linksfraktion im Hessischen Landtag und seit 2017 Darmstädter Stadtverordneter für die Linke). Georg Wandrey von der CDU wünscht sich vor allem, das Weltkulturerbe Mathildenhöhe verkehrlich besser zu erschließen und das Schlossmuseum herausgehobener zu präsentieren.

Gerade die Mathildenhöhe ist ein umstrittenes Thema. Während die FDP-Kandidatin Gerburg Hesse-Hanbuch das Jugendstilensemble zur großen Marke weiterentwickeln möchte, stehen Harald Uhl von den Freien Wählern und Michael Ziemek (Wählergemeinschaft Darmstadt, WGD) dem Welterbe sehr kritisch gegenüber. Uhl will verhindern, dass die freie Kunst- und Kulturszene am Osthang dem geplanten Besucherzentrum weichen soll. Auch Ziemek ist der Erhalt der Vielfalt der lokalen Szene wichtiger als das Welterbe. Der Kandidat der Satire-Partei Die Partei, Mirko Steiner, witzelte abschließend noch, kein Interesse am Kulturdezernat zu haben. Schließlich habe ein Oberbürgermeister Wichtigeres zu tun.

 

Favorit Kolmer mit harter Konkurrenz

Gleich drei der zehn Bewerber:innen gehören bereits jetzt der Stadtregierung an. Der 50-jährige amtierende Planungs-, Umwelt-, Klimaschutz- und Mobilitätsdezernent Michael Kolmer (Grüne) gilt als Wunschnachfolger von Jochen Partsch und hat wohl die größten Chancen auf das Amt. Ihm zur Seite stehen im Magistrat zwei junge Mitbewerber: Der 32-jährige CDU-Chef Paul Georg Wandrey ist seit 2022 Stadtrat für den Bürgerservice, das Ordnungswesen, die Stadtpolizei, die Feuerwehr und die Bauaufsicht. Der 35-jährige Holger Klötzner (Volt) gehört dem Magistrat seit 2021 als Dezernent für Bildung und Digitalisierung an. Auch die SPD schickt mit Hanno Benz einen alten Bekannten ins Rennen. Der 50 Jahre alte Benz war früher SPD-Chef sowie deren Fraktionsvorsitzender und ist Sohn des ehemaligen Oberbürgermeisters Peter Benz. Ebenfalls Chancen auf den Einzug in die Stichwahl der zwei Kandidat:innen mit den meisten Stimmen am 02. April 2023 hat Kerstin Lau von Uffbasse. Die 51-jährige Fraktionsvorsitzende der Wählervereinigung erreichte 2017 mit 12,4 Prozent der Stimmen das drittbeste Ergebnis und überzeugt seit rund 20 Jahren mit klugen Reden im Stadtparlament. Die weiteren Kandidat:innen sind Ulrich Franke (Linke), Gerburg Hesse-Hanbuch (FDP), Mirko Steiner (Die Partei), Michael Ziemek (WGD) und Harald Uhl (Freie Wähler).

Alle Infos zur OB-Wahl 2023 am 19. März von 8 bis 18 Uhr und zur Briefwahl bis 17. März, 13 Uhr unter: www.darmstadt.de/rathaus/politik/wahlen-und-abstimmungen/oberbuergermeisterwahlen

Unn ned vergesse: Wer ned wählt, is Offebacher!!!

 

Wahlabend zur Direktwahl der Oberbürgermeister:in

Politik und Politiker:innen hautnah: In der Centralstation werden die peu à peu eintrudelnden Ergebnisse der OB-Wahl öffentlich auf Großbildleinwand präsentiert. Es wird spannend!

Centralstation (Halle) | So, 19.03. | ab 18 Uhr | Eintritt frei

 

VOTO – Wahl-O-Mat für Darmstadt

Für alle Unentschlossenen ist das unter anderem von der TU Darmstadt mitentwickelte Programm eine gute Hilfe. Eure Zustimmung zu 34 Thesen und Positionen werden abgefragt und den politischen Positionen der Kandidat:innen zugeordnet.

https://app.voto.vote/app/14130056