Foto: Nouki

Manche Kunstwerke sind erst dann komplett, wenn sie vom Publikum aktiviert werden. Im Fall dieser entfernt an Buchstaben erinnernden Betonformen handelt es sich um ein spezielles Publikum, denn die großformatige Skulptur ist gleichsam als Spielplatz für Kinder gedacht. Vielleicht hatte der Künstler die sich noch entwickelnde Sprachfähigkeit der kleinen Menschen im Kopf, als er am Entwurf dieses Werkes arbeitete. Oder aber er beschäftigte sich mit einem im frühen zwanzigsten Jahrhundert vielfach diskutierten Begriff, dem „homo ludens“.

Bekannt wurde der Begriff vorrangig durch ein im Jahr 1938 veröffentlichtes Buch des niederländischen Kulturhistorikers Johan Huizinga mit gleichnamigem Titel. Darin hob Huizinga die Rolle des Spiels als kulturprägende Kraft hervor und zeigte, wie kulturelle Systeme wie Politik, Wissenschaft, Religion und Recht aus spielerischen Aktivitäten hervorgingen. Die lateinische Wurzel des Wortes „ludens“ hat keine direkte Entsprechung im Deutschen, da es sich gleichzeitig auf Sport, Spiel, Schule und Übung bezieht. Huizinga selbst definiert Spiel in seinem Buch als „eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘.“

Walter Naß war mit seinem Wasserspielplatz Teil einer unter Bildhauern international weit verbreiteten Praxis, sich neben Werken für museale Kontexte auch mit Objekten für den Alltag und insbesondere für Kinder zu beschäftigen. Den Spielplätzen des vielleicht bekanntesten Vertreters, dem japanisch-amerikanischen Künstler Isamu Noguchi, wurden in den vergangenen Jahren häufiger Ausstellungen in großen Museen gewidmet. Höchste Zeit also, auch die Darmstädter Manifestation dieses Zeitgeistes des 20. Jahrhunderts beim nächsten Spaziergang mit einem ausgedehnten Blick zu würdigen.

Kunst im öffentlichen Raum

Kunst findet man nicht nur in Museen und Galerien, sondern oft auch im Freien und für jede:n sichtbar. Manche Werke sind schon seit Jahrhunderten ein Teil des Stadtbildes, andere zieren es nur kurz. In Darmstadt haben einige Fügungen des Schicksals dafür gesorgt, dass es besonders viele Kunstwerke im öffentlichen Raum gibt. Ohne die schützenden Laborbedingungen eines White Cube gehen sie allerdings schnell unter. Dabei können gerade diese stillen Zeitgenossen unsere Wahrnehmung des Stadtraumes verändern und unser Verständnis von Welt herausfordern. Eine Einladung zum Fantasieren.