Foto: Jan Ehlers

Momentan erleben wir, dass „die Kirche im Dorf zu lassen“ als „unter aller Kanone“ gilt, aber trotzdem – oder paradoxerweise gerade deswegen – möge man „den Ball schön flach halten“.

In der ganzen Zigeunerschnitzel-/Mohrenkopf-Diskussion möge ja jeder eine andere Meinung haben. Und die Überarbeitung von Literatur hinsichtlich der Ausmerzung von sich im Text befindlichen Rassismen wird so schnell nicht verstummen. Aber wer denkt an unsere Sprichwörter? Ich!

Los geht’s mit: „Unkraut vergeht nicht.“ Das stimmt so nicht mehr, denn es heißt jetzt „Beikräuter“. Er sei ein „Schlitzohr“, am besten ein ausgekochtes … so etwas heute noch über jemanden zu behaupten, ohne ihn dadurch zu diffamieren, wird schwierig. „Mitgegangen, mitgehangen“, ich bitte Euch, wo leben wir? Einst lernten wir in den 70er-Jahren Palindrome* anhand des grammatisch korrekten, ein wenig gestelzten und vor allem für Kinder exotischen Satzes: „Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie.“ Muss dieser Satz wirklich unbedingt ersetzt werden, und zwar durch sein phonetisch und logopädisch extrem flaues Pendant „Bei der Edna redete der andere Dieb.“? Heutzutage ist Letzterer viel besser, nicht nur weil man wissen möchte, wie die Diebesgeschichte weitergeht, sondern weil es hier schließlich nicht den geringsten Raum für stereotype Rassenphantasien gibt. Obwohl jedem, der noch alle Latten am Zaun hat, klar sein muss, dass man niemanden als Neger tituliert. Das war eine Redewendung aus dem 19. Jahrhundert, wer in aufgeklärten Zeiten so spricht, ist nichts anderes als ein Unmensch. Trotzdem klang die alte Redewendung schöner, verstehen Sie, lieber Leser? Ich verlange schon, dass Sie den Kontext niemals aus dem Auge verlieren. Das verlange ich von allen Menschen.

Aktuell gilt höchste Unmöglichkeits-Stufe für folgendes Sprichwort: „Besser schlecht gefahren als gut gelaufen.“ Und das ist noch lange nicht „das Ende der Fahnenstange“. Als da wären „Voll wie tausend Russen“ oder gar: „Klappe zu, Affe tot“, ein doppelt negativ besetztes Sprichwort. Doch welcher Zeitgenosse denkt da noch an den Mauerfall und die Kolonialzeit? „Auf einem Bein kann man nicht stehen“, so was sagt man nicht. „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.“ Sollten wir Erdenbürger andere als „Pack“, das sich für nichts zu schade ist, bezeichnen? Nein! Gilt heute noch: „Die Frau ist die Visitenkarte des Mannes“? Nein! Aber aufregen deswegen … In der nächsten Folge erfahrt Ihr mehr darüber, dass es neben „Die liebe Gott“ jetzt endlich auch „Die Teufel“ heißen soll, sowie Neues über „Das Hund“ und die Umbenennung von Dieburg in Derburg.

* Palindrome sind Wörter oder Sätze, die vorwärts und rückwärts gelesen gleich lauten.