Illustration: Hans-Jörg Brehm

Am 28. Oktober ist Landtagswahl. Und die wird ziemlich spannend. Denn nach derzeitiger Prognose dürfte die schwarz-grüne Landesregierung ihre Mehrheit verlieren. Die Darmstädter SPD schickt ihren Nachwuchs ins Rennen. Und eine Grüne könnte erstmals in Darmstadt ein Direktmandat holen.

Der Generationenwechsel der Darmstädter SPD verlief geräuschvoll. Nachdem der langjährige Landtagsabgeordnete Michael Siebel sich für den Ruhestand entschieden hatte, wollten gleich zwei aussichtsreiche Sozialdemokraten seinen Platz als Direktkandidat für den Norden Darmstadts haben. Und eigentlich hatte auch alles gut ausgesehen für ein Comeback des ehemaligen Darmstädter SPD-Chefs Hanno Benz. Nachdem die SPD 2011 aus dem Darmstädter Rathaus geflogen war, hatte er als Einziger Verantwortung übernommen, war von allen Spitzenämtern zurückgetreten und hat einen Job bei einer Kommunikationsagentur in Berlin angetreten. Weil Mitte 40 noch kein Alter ist für das Ende einer politischen Karriere, er nach wie vor in den Arheilger Vereinen verwurzelt ist und bei den Parteifreunden Ansehen genießt, wollte Hanno Benz es noch einmal wissen.

Doch bevor er seine Ansprüche anmelden konnte, trat Tim Huß auf. Der ehemalige hessische Landesschulsprecher wurde schon mit Anfang 20 stellvertretender Fraktionsvize im Stadtparlament. Er arbeitet als Planer für Digitalisierung bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und gilt als großes politisches Talent, dem bereits auf Bundesebene eine gewisse Aufmerksamkeit zuteil wird. Kein Wunder: Hinter ihm steht Brigitte Zypries, ehemalige Bundesministerin für Justiz und jüngst Interim im Wirtschaftsressort.

Die Abstimmung gewann Huß Anfang des Jahres mit knappen 59 Prozent. Doch gewonnen hat er damit nur die Kandidatur, die wichtige Entscheidung fällt für den 26-Jährigen am 28. Oktober. Dann muss sich Huß nicht nur gegen Irmgard Klaff-Isselmann von der CDU durchsetzen. Die 61-Jährige unterlag zwar noch 2013 gegen Siebel, zog jedoch über einen Listenplatz in den hessischen Landtag ein. Klaff-Isselmann vertritt die Christdemokraten mit Unterbrechung seit 25 Jahren im Stadtparlament, ist ehrenamtlich in Kirche, bei Frauen- und Altenthemen aktiv und hat in zahlreichen Aufsichtsgremien kommunaler Unternehmen gearbeitet. Gegen sie dürfte es gerade für einen Neuling wie Huß nicht einfach werden, das Direktmandat zu holen.

Möglich scheint aber auch ein Überraschungssieg der Grünen Hildegard Förster-Heldmann. Die 60-Jährige erzielte bereits 2009 mit 21 Prozent ein beeindruckendes Erststimmenergebnis. Seit 2017 sitzt sie als Nachrückerin im Landtag. Und nun prognostiziert die Internetseite Wahlkreisprognose.de sie sogar als Gewinnerin des Wahlkreises 49. Es wäre nicht nur das erste Grüne Direktmandat in Darmstadt, sondern sogar in ganz Hessen.

Tim Huß könnte auch über die Landesliste in den Landtag rutschen – mit seinem Listenplatz 31 würde es nach derzeitigen Umfragen allerdings gerade noch so mit dem Landtagsmandat klappen. Deutlich schwerer dürfte es da Bijan Kaffenberger haben. Der 29-jährige Roßdörfer ist bundesweit als YouTuber bekannt, weil er in seinen Videos seine Tourette-Erkrankung thematisiert (P-Ausgabe 93, April 2017). Aber auch politisch ist er nicht unauffällig. Der Kreistagsabgeordnete arbeitet seit 2016 als Referent im Thüringer Wirtschaftsministerium und promoviert am Lehrstuhl für Bankbetriebslehre an der Frankfurter Goethe-Uni. Die Delegierten-Wahl zum SPD-Kandidaten für den Wahlkreis 50 (Darmstädter Süden, Modautal, Mühltal, Ober-Ramstadt und Roßdorf) gewann er deutlich. Seine Gegnerin von der CDU ist jedoch ein politisches Schwergewicht: Die ehemalige hessische Kultusministerin Karin Wolff holte bereits 2003, 2009 und 2013 das Direktmandat. Sollte Kaffenberger, der nicht über die Landesliste in den Landtag einziehen kann, sie am 28. Oktober schlagen, wäre das eine kleine Sensation.

 

Hessische Landtagswahl 2018

Natürlich haben auch die FDP, die Linke und weitere Parteien Kandidaten aufgestellt, auf die wir hier nicht im Detail eingehen können. Wählen könnt Ihr sie – bis auf diese eine Partei – natürlich trotzdem. Wichtig ist, dass Ihr wählen geht!

Die Wahllokale öffnen am Sonntag, 28. Oktober, von 8 bis 18 Uhr. Wer da nicht kann, geht zur Briefwahl ins Stadthaus in der Grafenstraße 30: Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 7.30 bis 12.30 Uhr und Mittwoch von 8.30 bis 12.30 Uhr und von 14 bis 18 Uhr.

www.wahl-hessen.de

 

Wahlabend zur Landtagswahl in der Centralstation

Die Landtagswahl-Ergebnisse aus der Wissenschaftsstadt Darmstadt und aus dem Landkreis werden hier live auf Großbildleinwand projiziert und kommentiert.

Centralstation (Halle) | So, 28.10. | ab 17.30 Uhr | Eintritt frei

 

Die Direktkandidaten der Landtagswahl 2018

Wahlkreis 49 (Arheilgen, Kranichstein, Wixhausen, Gervinus-, Martins- und Johannesviertel, Mitte und Waldkolonie)

CDU: Irmgard Klaff-Isselmann

SPD: Tim Huß

Grüne: Hildegard Förster-Heldmann

Die Linke: Dennis Eckold

FDP: Felix Letkemann

AfD: Siegfried Elbert

ÖDP: Falk Neumann

Die Partei: Mandy Kleiber

Wahlkreis 50 Darmstadt II (Bessungen, Heimstätte und Eberstadt sowie die Landkreis-Gemeinden Modautal, Mühltal, Ober-Ramstadt und Roßdorf)

CDU: Karin Wolff

SPD: Bijan Kaffenberger

Grüne: Philipp Krämer

Die Linke: Ann-Christin Sparn

FDP: Andreas May

AfD: Kay Salawa

 

Lokalpolitik-Kolumne im P

Sebastian Weissgerber hat bis 2009 für die Frankfurter Rundschau aus dem Darmstädter Stadtparlament berichtet. Im P schreibt er seit Februar 2017 als „Vierte Säule“ über die hiesige Politik.