galeriekurzweil
Foto: Jan Ehlers

Das 603qm schläft und wartet auf seinen Neubau. „Das Blumen“ musste dem Renditedenken eines Immobilieninvestors weichen. Und das Café Kesselhaus gibt es schon seit 15 Jahren nicht mehr. Hier und dort sind private Initiativen aktiv, die szenige Clubkultur in Darmstadt hat aber sicher schon rosigere Zeiten erlebt. Doch es gibt Hoffnung: Aller Voraussicht nach Ende Februar, nach monatelangem Umbau- und Genehmigungsmarathon, wird die „Galerie Kurzweil“ auf dem Gelände des alten Güterbahnhofs (Ecke Bismarckstraße/Kirschenallee) endlich ganz offiziell Teil des Darmstädter Nachtlebens. Bei Redaktionsschluss fehlte nur noch die allerletzte von zahlreichen Genehmigungen. Wir sprachen mit den Betreibern Alper Sepik und Juan Carlos Gravalos über den kräfte- und nervenzehrenden Weg zu ihrem „Zentrum für angewandte Kunst- und Musikkultur“, einer Mischung aus Galerie, Club und vielem, was dazwischen liegt.

Wenn Ihr gewusst hättet, wie aufwendig sich der Umbau und die Genehmigung gestalten, hättet Ihr das Projekt dann jemals begonnen?

[beide lachen … Alper antwortet:] Sicher nicht. Aber wir haben unheimlich viel gelernt dabei. Und für uns ist die Galerie Kurzweil die Erfüllung eines Traums. Wir haben das vergangene Jahr jede freie Minute mit der Renovierung verbracht und alle unsere privaten Ersparnisse in den Umbau gesteckt. Alle Mühen haben sich gelohnt. Es fühlt sich gut an!

Juan: An manches sind wir anfangs sicher zu naiv herangegangen. Wir haben zu spät einen Architekten hinzugezogen. Ohne ihn hätten wir beispielsweise die Brandschutzauflagen niemals erfüllt bekommen. Ein weiteres Problem war, dass die Zuständigkeiten zwischen dem Eigentümer Deutsche Bahn und der Stadt Darmstadt in manchen Punkten unklar waren.

Alper arbeitet hauptberuflich als Mechatroniker bei HBM Messtechnik, Juan ist nach wie vor bei Fritz Kola tätig. Ist die Galerie Kurzweil also nur ein Hobby?

J: Die Galerie Kurzweil soll für uns neben dem Beruf laufen. Wir sehen uns als Kulturzentrum, das von Darmstädter Künstlern, Musikern und DJs genutzt wird. Wir möchten Kunst und Musik zusammenbringen.

Euer Konzept sieht vor, wochentags ein Ort für Ausstellungen und andere kulturelle Nutzung zu sein und samstags ein Club. Gibt es Vorbilder dafür?

A: Die Idee zum Projekt entstand schon 2012, zu einer Zeit, in der der letzte wirklich künstlerisch und kulturell innovative Treffpunkt im Zentrum von Darmstadt schließen musste [Alper meint wohl das 603 qm und/oder „das Blumen“, Anm. d. Red.]. Und nachdem es bereits Ende 2011 in einigen Bereichen ein gefühltes, kulturelles Vakuum gab. Dieses wiederum war aus der Lücke entstanden, die Ende der 90er Jahre das bekannte und renommierte Café Kesselhaus mit seinen Ausstellungen und Club-Abenden hinterließ. Gerade dessen hochwertiges Programm mit interessanten Künstlern machte Darmstadt zwischenzeitlich zum Magneten für neugierige Besucher aus der ganzen Region. Das hat sicher Vorbild-Charakter für uns.

Wie wird Euer Programm aussehen?

A: Wir möchten dem urbanen, subkulturellen Publikum in Darmstadt Raum bieten, sich zu entfalten. Das haben wir ja auch schon während der Renovierung gemacht, bei der uns ansässige Künstler und Kulturschaffende unterstützt haben. Die Akustik hat Tonstudio-Niveau, auf den Projektionsflächen für Videokunst kann man sich austoben. Die Wände des Raucherraums wurden von den zwei Darmstädter Sprühkünstlern Gil Delaveaux und Jakob Hille veredelt. Das ganze Projekt ist im Prinzip ein Kunst-Projekt im urbanen Raum. So soll es weitergehen. Beim Booking für die Club-Abende samstags unterstützt uns Thomas Hammann [Darmstadts global vernetzter first-class-DJ, unter anderem Robert Johnson Club] als Berater. Musikalisch geht’s also in Richtung Disco, Funk und House.

Gibt es schon konkrete Anfragen von Kulturschaffenden?

J: Jede Menge. Von der Hochschule Darmstadt, Fachbereich Gestaltung zum Beispiel. Aber auch von lokalen Künstlern. Aktuell sind wir in Gesprächen mit einer Rollstuhl-Tanzgruppe, die händeringend einen Raum zum Üben in Darmstadt sucht. Wir könnten uns aber auch Lesungen, Singer-Songwriter-Konzerte und Ähnliches vorstellen. Die Galerie wollen wir dabei zum kleinen Unkostenbeitrag für Strom und Wasser weitergeben. Finanzieren wollen wir uns durch den Club-Abend. Wir wollen keine öffentliche Förderung.

A: Bisher mussten wir die Leute immer wieder vertrösten. Aber jetzt sind wir bereit! Und wir haben saubock drauf. Besonders bedanken möchten wir uns noch einmal bei allen, die uns bisher unterstützt und geholfen haben!

Wir freuen uns, wenn’s los geht! Und drücken die Daumen! Merci für das Gespräch.

 

Galerie Kurzweil 2.0

Bereits von Juli bis Dezember 2013 fungierte die Galerie Kurzweil als „urbaner Treffpunkt für Kunst, Kultur & Musik“ – damals in der Nähe des Hauses für Industriekultur. Der Pachtvertrag war allerdings von Anfang an auf sechs Monate begrenzt. Nur wenige hundert Meter von ihrem temporär geduldeten Unterschlupf entfernt kommt die „Galerie Kurzweil 2.0“ nun hoffentlich langfristig unter: in der Bismarckstraße 133 (Ecke Kirschenallee), im ehemaligen Abfertigungsgebäude der Deutschen Bahn, das ein Jahr lang mit viel Liebe zum Detail und handwerklich professionell renoviert wurde.

www.galerie-kurzweil.de

 

Club
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Horn
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