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Foto: Jan Ehlers

Ein stolzes Vierteljahrhundert Bandgeschichte und europaweit treue Fans – damit sind Ska Trek so was wie die Rolling Stones von Darmstadt. Wer jetzt aber graue Haare und Rollatoren auf der Bühne erwartet, geht fehl, denn Ska-Musik hält offensichtlich jung und knackig. Die Band besteht derzeit nach diversen Wechseln aus acht „Jungs“ und einer eleganten Dame. Vier Mitglieder der Urbesetzung – Mimi Blümler (Gesang), John „Redi“ Kannankulam (Gesang), Olaf Heinrichsen (Keyboards) und Lolo Blümler (Schlagzeug) – trafen sich zum amüsanten Schnack mit dem P.

Im schön-muffigen Proberaum mit wenig Sitzmöglichkeiten verbleibt Olaf nur der Platz am Boden, was ihm sofort Sprüche wie „da gehört er hin“, „in der Rangordnung eh ganz unten“, „wir schleppen den seit 25 Jahren mit“ einhandelt. Beste Stimmung also. Das P spendiert eine Packung Schoko-Kekse, um die Band noch gefügiger zu machen. Ab dafür.

 

Das P: 25 Jahre beisammen – wie klappt das?

Redi: Wir sind ja nicht dauernd beisammen, manche Jahre sogar nur drei-, viermal zu Konzerten. Ich wohne und arbeite zum Beispiel in Marburg [Professur für Politikwissenschaft, Anm. d. Red.]. Es ist eben nicht wie eine Ehe, sondern wie eine Familie: Wir freuen uns immer extrem, wenn wir aufeinander treffen.

Mimi [lacht]: Und es ist immer superlustig. Es gibt dadurch auch zu jeder Situation irgendeinen Spruch, weil das alles schon mal irgendwie vorkam. Kein anderer checkt es, aber wir lachen uns alle krank. Eigentlich kann man sagen: „Wir haben 25 Jahre nur Scheiß gebabbelt.“

[das P spontan] Ha, besser als „25 Jahre nur Scheiß gespielt“ …

O [aufbrausend]: HEY!

[verschreckt] äh … Keks?

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Ska Trek Jubiläumskonzert

mit Ska Trek (DA), A-Side (DA) & DJ Lord Gergel (DA)

Schlosskeller | Fr, 18.03. | 21 Uhr | 6 Euro
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25 Jahre zurück: 1990 – wie ging es los?

R: Es gab in Darmstadt damals eine lebendige Musikszene, aber eben keine Ska-Band, obwohl es überall ein großes Ska-Revival gab zu der Zeit. Aber eigentlich muss da der Olaf ran. Der und sein Bruder sind Schuld an dem Schlamassel [grinst].

O: Ja, stimmt. Wir wollten eine Ska-Band gründen. Er an der Gitarre, ich an den Keyboards. Den Rest haben wir uns dann zusammengesucht. Übrigens relativ schnell nach Gründung als reine Cover-Band von altem jamaikanischem Ska. Das war eine absichtliche Entscheidung: Wir wollten dieses alte Genre eben wie so eine Art Jukebox wiederbeleben.

R: Mich haben die ja lange belabert. Ich hatte damals eine mega Tolle …

O [süffisant]: Rockabilly, Baby !

R: … Rockabilly von Herzen. Und ich dachte erst, mit der Tolle kann ich auf keinen Fall in ’ner Ska-Band singen. Die lachen mich aus. Aber ich bekam damals mein erstes Ska-Tape von meinen Schulfreund Jan Jelinek geschenkt [Jelinek ist mittlerweile ein weltweit geachteter Elektronik-Künstler]. Mit wirklich originalem jamaikanischem Ska aus den 1960ern, das hatte mich ziemlich begeistert.

Lolo: Ha, auch ich habe damals beim Jelinek im Auto dauernd neue Sachen gehört. So kam eins zum anderen. Innerhalb eines dreiviertel Jahres hat sich dann die erste dauerhafte Formation gefunden.

M: Ich stieß kurze Zeit später dazu. Es gab vorher eine andere Sängerin namens Bhea, aber die ging dann ein Jahr nach England. Da bin ich eingestiegen, weil mein Bruder Lolo ja dabei war und ich Redi auch schon seit der Kommunion kannte.

R: Wir haben schon gemeinsam Krippenlieder gesungen.

L: Ihr klingt manchmal heute noch so [grinst]. Witzig war auch, dass Ska Trek lange Zeit aus drei Geschwisterpaaren bestanden hat. Damals gab es noch ein Brüderpaar an den Bläsern. Aber bei dem Instrument hatten wir eh die meiste Fluktuation. Kaum hatte ich mir einen Namen gemerkt, war der schon wieder weg.

Solche Storys liebe ich.

R: Ja, is‘ schon klar. Deshalb füttern wir Dich damit.

O: Arbeitest Du auch fürs Goldene Blatt? [Gelächter]

 

Mauerfall, FDJ-Lager und Skinheads

 

R [zurück beim Thema]: Das erste wirklich offizielle Konzert hatten wir dann 1990 in der „Abfahrt“ in Eberstadt [kurzlebiger, aber legendärer Klub in DA-Eberstadt]. Das war unser eigentlicher Startpunkt.

M: Es gab vorher noch ein Gartenfest bei der Familie Blümler, aber das war noch ohne Bläser und eh privat.

L: Haben wir da nicht sogar eine Coverversion von Andreas Dorau gespielt?

R: Oh Gott, ja, „Fred vom Jupiter“ … aber das schreibst Du bitte nicht.

[macht sich Notizen] Nee, schreib ich nicht.

Olaf [schaut auf den sonst leeren Zettel]: Hast Dich ja super vorbereitet mit Fragen und so …

[verlegen] Hab das alles im Kopp …

O [entgeistert]: Passt auf, was Ihr sagt. Der Typ ist unberechenbar.

L: Lügenpresse.

O [schaut das P näher an]: Eher Lügenfresse. Wir bekamen übrigens nach unserem „Abfahrt“-Konzert gleich viel gute Presse, besonders in der Ska-Szene, die damals mit Fanzines [Szenezeitschriften von Fans für Fans] sehr präsent war. Der Zusammenhalt innerhalb dieser Szene war schon damals immens groß und so wurden wir schnell über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.

R [schwärmt]: Wenn Du heute auf Ska-Festivals fährst, ist das auch wie Familientreffen. Herrlich.

L: Das ist wirklich wie bei der Soul-Szene eine eingeschworene Gemeinschaft und ein Netzwerk. Bei Indie-Bands ist das kaum so.

R: Wir haben damals relativ schnell Kontakt zu einer Agentur bekommen und sind sofort getourt. Kurz nach der Wiedervereinigung waren wir dann auch viel im Osten … das war sehr, sehr abgefahren.

L: Das war dann meist in ehemaligen Jugendclubs oder Abbruch-Häusern. Einer der besten Auftritte ever war damals im selbstverwalteten Conne Island in Leipzig, das ja immer noch existiert.

R: Besonders skurril war: Damals haben die dort nie nach einem Song geklatscht, obwohl sie es geil fanden. Das hat uns total irritiert. Und die DJs haben später jeden Song vorher durchs Mikro angesagt.

O: Die nannten sich da früher „Schallplatten-Unterhalter“ und „Diskotheker“.

R: Wir haben dann in ehemaligen Jugendlagern der FDJ auf Feldbetten geschlafen. Das war schon richtig lustig. Aber das war ja nur der Beginn der Karriere. Es ist schon geil, wie weit wir als Darmstädter Band letztlich europaweit rumgekommen sind.

L: Uns sind ja auch Skinheads immer zu den Konzerten hinterherfahren, so sehr haben die uns gemocht.

 

R: Ich suche auch immer noch nach Perlen zum Covern. Songs, die irgendwann mal auf Platte gepresst wurden, aber nur einem Fachpublikum bekannt sind. Die strahlen dann immer, wenn sie das erkennen. Vor allem die Gigs im Berliner SO36 [seit Ende der 1970er kultiger und geschichtsträchtiger Konzertclub] waren immer wunderbar. Wir hatten da eine richtige Fan-Gemeinde.

[das P verschüttet versehentlich Bier]

O [verächtlich]: Zahlt die Reinigung der Herausgeber oder leckst Du das noch auf?

keine Kekse mehr da?

R [rettet die Situation]: Um mit der Angeberei fortzufahren: Wir haben mittlerweile mit wirklich fast allen unseren Idolen zusammengespielt – im Vorprogramm oder auf Festivals. Das ist natürlich ein Traum. Angefangen mit den Skatalites [eine der ersten und legendärsten Ska-Bands überhaupt] hier in Darmstadt in der Centralstation [November 2000]. Danach hatten wir hier in unserem Proberaum eine Jam-Session mit denen. Hach, war das geil [strahlt] … genauso mit Toots & The Maytals [ebenfalls eine der legendärsten Ska-Bands überhaupt], Laurel Aitken [äh … na, Ihr wisst schon], Desmond Dekker […], Derrick Morgan, Justin Hinds und und und. Natürlich großartig für eine Band, die sich gerade dem traditionellem Ska verschrieben hat.

M: Aber genauso auch mit englischen Kult-Bands wie den Bad Manners. Das war genauso geil. Ska ist ja auch dankbar. Das funktioniert eigentlich immer, wenn halbwegs tanzfreudige Leute da sind.

Wie war das Feedback der Idole auf Eure Song-Adaptionen?

R: Wir spielten mal auf einem großem Festival den Song „Artibella“, im Original von Ken Boothe [hach, ja … legendär und so] und hinter der Bühne steht plötzlich genau dieser Ken Boothe vor mir und fragt mich: „Are you the guy, who just sang Artibella?“ Und ich dachte, der fängt jetzt an zu schimpfen, aber der war richtig, richtig geflasht … [Redi freut sich augenscheinlich immer noch ’nen Ast]

M: Ich hatte eh immer das Gefühl, dass die alle sich freuten, dass wir ihre alten Songs so würdigten. Die hatten ja nie wirklich viel verdient mit ihren eigenen Platten, weil sie so blöde Verträge vorgesetzt bekamen.

O: Wir waren ja auch in der Anfangszeit mit die einzige neuere Band, die diesen Traditional Ska spielte. Die meisten spielten eher die modernere, englische 2-Tone-Variante nach.

Die vier Trekkies reden sich in Schwung, es folgen noch dutzende Anekdoten: über drei TV-Auftritte als Backing-Band in der „Late Lounge“ [HR-Fernsehen], über einen Demo-Bericht in den „Tagesthemen“, der mit Ska-Trek-Musik unterlegt war („ging um linke Sharp-Skins“), über Warnungen vor Fascho-Angriffen auf Jugendclubs im Osten, über eine einsame Pension im Wald, in der eingerahmt Zeitungsartikel über Morde von Ossis an Wessis hingen („wir hatten total Schiss“), über einen Band-Betreuer („Stasi“), der nie ein Wort sagte, aber nachts im gemeinsamen Bettenlager im Schlaf permanent schrie, über die Frau in Tschechien, die auf die Frage nach dem Weg zum Club den Wagen betrachtete („wir waren zu neunt im Kleinbus“) und säuselnd antwortete: „Do you want sex?“ …

[das P läutet die Schlussrunde ein]: Abschließend: Pläne für die Zukunft?

R: Es geht immer weiter [lacht]. Auf Festivals werden wir schon als „die dienstälteste Ska-Band“ angekündigt.

L: Eigentlich wollten wir auch eine neue Platte aufnehmen im Jubiläumsjahr. Aber mittlerweile sind ja alle berufstätig oder haben Familie. Da bleibt nicht mehr so viel Zeit dafür. Eine kleine Tour zum Jubiläum haben wir uns aber fest vorgenommen.

Dann freuen wir uns jetzt alle einfach auf die nächsten 25 Jahre!

 

ska trek_cover

Win! Win!

Wir verlosen zwei ultrarare 10-inch-Singles von Ska Trek. 1994 erschienen und damals auf 1000 Exemplare limitiert. Die Platten seit Ewigkeiten nicht mehr erhältich und echte Sammlerstücke!

Einfach eine E-Mail an verlosung[at]p-verlag.de schreiben und begründen, warum gerade DU bei diese Platte haben musst.

Betreff: Ska Trek; und in der Mail oder der Signatur Euren Vor- und Zunamen nicht vergessen!

Die Verlosung endet am 21.03., die Gewinner werden spätestens am 22.03. per E-Mail benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Teilnahmebedingungen für Verlosungen

 
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INFOBOX Ska:
Ska als musikalische Spielart entwickelte sich Ende der 1950er auf Jamaika (weit früher als Reggae). Charakteristisch ist der sogenannte Offbeat in der Rhythmik, der den gewohnten Vierviertel-Takt unterläuft. Der schnelle Ska und der etwas langsamere Rocksteady (Mitte 1960er) hatten auch großen Einfluss auf den englischen Punk (Ende der 1970er), woraus das legendäre 2-Tone-Label mit Bands wie The Specials, The Beat oder Madness als britische Spielart hervorging. Ab Mitte der 1980er entstand in den USA eine dritte Variante, meist versetzt mit Hardcore/Punk-Elementen. Zu der Zeit erreichte der Ska auch Deutschland.
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INFOBOX Skinheads
Einem der größten kulturellen Missverständnisse unterliegt die Skinhead-Bewegung, denn sie ist genuin antirassistisch. Sie wurzelte in der Arbeiterklasse, ging ursprünglich von der „Mod“-Bewegung (Bands wie The Who) im England der 1960er aus, die sich durch die „Rude Boys“-Bewegung und Musik jamaikanischer Einwanderer inspirieren ließ. Die frühen Skinheads hörten alle schwarze Musik. Erst durch den zunehmenden Einfluss der National Front (Nazi-Partei) in den Arbeitervierteln spaltete sich die Szene in den 1970ern in linke, antirassistische (Sharp-/Rash-/Red-) Skins, zumeist unpolitische Oi-Skins und rechtes Gesocks (Fascho-Skins/Nazi-Glatzen). Hier in Deutschland (auch in Darmstadt!) gibt es eine große antirassistische Sharp-Skinszene, die vor allem alte Ska- und Punk-Musik hört.
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Ska Trek Diskografie (Auszüge)

1991: Across the Skalaxy (ohne Label)

1994: Ska Trek EP (ohne Label)

1996: Jamboree / Pee Pee Cluck Cluck (Black Pearl)

2000: Move Along (Grover Records)

2001: Drink Milk / Coffee & Milk Dub (Grover Records)

Weitere Infos zur Band unter www.skatrek.de