Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Viele Reggae-Interpreten tragen Dreadlocks, da sie der Glaubensrichtung Rastafari angehören oder zumindest mit ihr sympathisieren. Ihre Frisuren wurden und werden von der Boulevard-Presse gerne als „Rasta-Locken“ bezeichnet, komplett Unwissende nennen sie „Rastas“. Rastas sind aber keine Haare, Rastas tragen welche!

Nun müssten manche aufpassen, nicht als Unmensch tituliert zu werden, so sie sich als Hessen/Bayern/Schwaben in der achten Generation, in Verbundenheit mit der Rastafari-Community, Dreadlocks wachsen lassen. Ich glaube, dass der bloße Verdacht, man trage und tue dies ohne Rücksicht auf Unterprivilegierte, deren Kulturerrungenschaften man einfach als Fashion oder Lifestyle-Gadget nutze, nicht ausreicht, um jemanden zu nötigen, sich die Haare abschneiden zu lassen. Natürlich ist es fragwürdig, als Mode-Label Kleider en masse zu verkaufen, welche deshalb getragen werden, weil das traditionell indische Muster darauf so schneidig ausschaut, ohne sie vor Ort zu fairsten Bezügen und Bedingungen erzeugt haben zu lassen. Ebenso frech ist es, Che-Guevara-T-Shirts bei Woolworth an unwissende Minderjährige zu verkaufen. Aber hey, Hinz und Kunz tanzen den samoanischen Einschüchterungstanz Siva Tau vor irgendwelchen Allerweltssportarten und alle sollen es toll finden.

Dreadlocks sind Zeichen einer Glaubensrichtung und deren Träger kann man ob dessen nicht einfach so gängeln, nur weil man unterstellt, es handle sich bei ihnen persönlich aber lediglich um Poser. Man kann ihre Musik scheiße finden, gerne, aber einen Aufriss zu machen, als ob sie Nazi-Metal auf Schulhöfen verschenken würden, das ist doch dumm. Kiffen legalisieren: toll. Aber Erika und Manfred mit Dreadlocks: pfui! Wie intolerant kann man sein?!

Verhältnismäßigkeit, ein Wort aus älteren Duden-Ausgaben, das wäre angebracht. Sonst haben die Sioux-Folklore-Vereine in den neuen und alten Ländern bald ein echtes Problem. Manche sagen ja, wer da mitmacht, habe eh ein echtes Problem, doch mit Polemik lässt es sich sicherlich besser umgehen als mit Anfeindung. Wenn die Leute Husky-Rennen im Schwarzwald machen wollen, bitte. Capoeira-Auftritte Darmstädter Sportler lassen mich auch nicht zur Spucktüte greifen. Oder nehmt HipHop und den Blues: Joe Bonnamassa und Konsorten Abmahnungen zu schicken, weil sie sich musikalisch ihr ganzes Leben lang am afroamerikanischen Blues bedient haben, oder Deutsch-Rappern für ihr Tun, was sollte das bringen? Die Industrie macht weder vor Che Guevara halt noch vor dem Rum der Jamaikaner. Die gilt es zu reglementieren, nicht den Kleinkünstler und Schmuckmacher.

Meine Neugier, wie das Echo ausfiele und woher es käme, sollte überraschend auf Modeschauen die Kippa als trendy Kopfbedeckung auftauchen, ist in der Tat recht groß.