Foto: Jan Ehlers

„Der Fahrer des Fahrzeugs ist der Darmstädter Krimiautor Heinz Helmut Schlotterbeck. Vielleicht kennt ihr ihn?“ „Nein“, antwortete Dobermann. „Ich lese doch keine Geschichten darüber, wie sich irgendein Darmstädter unsere Polizeiarbeit vorstellt. Das Geschreibsel wird genauso wenig mit der Realität zu tun haben wie der sonntägliche Tatort im Ersten.“ „Da kannst du Recht haben, aber dennoch beeindruckt er mit seinen Geschichten mehr Menschen als du mit deiner Arbeit.“ (Aus: „Tage, die alles verändern. Dobermanns letzter Fall“ von Andreas Roß, 2017)

Böse Zungen behaupten: Kaum wohnen an irgendeinem Flecken in Deutschland mehr als fünf Menschen, schreibt einer von ihnen garantiert einen dort handelnden Lokalkrimi. Inzwischen gibt es Kriminalromane, die in den entlegensten Winkeln der Eifel oder auf dem Eiland Langeoog spielen. Auch in der kleinen Großstadt Darmstadt ermitteln längst mehrere Detektive, die sich gegenseitig auf die Füße treten müssten, wären sie nicht fiktiv.

Was hat Lothar Ludwig die 90er über getrieben?

Einer von ihnen ist Lothar Ludwig Dobermann. Erfunden hat den etwas schrulligen Kriminalhauptkommissar Andreas Roß. Dessen 2017 erschienener Roman „Tage, die alles verändern“ ist, so der Untertitel, „Dobermanns letzter Fall“. Was nicht heißen soll, dass die Serie zu Ende ist. Der Kommissar verabschiedet sich zwar in den Ruhestand. Doch Roß arbeitet längst am nächsten Krimi, der voraussichtlich im Frühjahr 2019 erscheinen wird. Und – so viel sei verraten – Dobermanns Sohn wird die Rolle des Vaters übernehmen. Wer weiß, vielleicht kehrt sogar Lothar Ludwig eines Tages zurück. Denn die Serie erscheint nicht in chronologischer Reihenfolge. Dobermanns erster Fall („Abgedrückt“) spielte 1986, der zweite („Weißkalt“) im Jahr 2011 und der dritte („Tage, die alles verändern“) 2001. Da gibt es also noch einiges zu erzählen. Was zum Beispiel hat Lothar Ludwig die ganzen 90er über getrieben?

Die Krimis des im Martinsviertel lebenden Autors zeichnen sich durch einen heiteren Erzählton aus. Auch wenn gemordet, erstochen, bei lebendigem Leib vergraben wird, meist schwingt ein ironischer Unterton mit oder schlägt die Handlung Kapriolen. Ganz so wie etwa in den Münster-„Tatort“-Folgen, in denen der Plot bisweilen keine große Rolle mehr spielt, sondern eher das skurrile Personal. „Es ist mir wichtig, wenn man bei meinen Krimis auch schmunzeln kann“, sagt Roß. Gleichwohl berühren seine Bücher ernste Themen, etwa Drogensucht („Abgedrückt“) oder Ökologie („Weißkalt“). Auch ist ihr Handlungsaufbau mitunter kunstvoll arrangiert. „Tage, die alles verändern“ spielt auf mehreren miteinander verwobenen Zeitebenen. Nebenbei – das ist ja allgemein der Reiz von Lokalkrimis – lernt man einiges über die Historie Darmstadts kennen, wandelt durch Stadtviertel, Straßenzüge und Szenekneipen, die man aus eigener Anschauung kennt.

Seit 1985 lebt Roß in Darmstadt. Das Studium der Sozialpädagogik führte den in Ostheim bei Hanau aufgewachsenen Mann, Jahrgang 1962, an den Woog. Seine wilden Studentenjahre in Bessungen verarbeitete er autobiografisch in seinem ersten veröffentlichten Krimi „Abgedrückt“. Als Sozialarbeiter beriet er jahrelang Haftentlassene, wodurch er einige Inspirationen für seine Krimis erhielt. Heute ist Roß in der Mieterberatung tätig.

Emotionale Achterbahnfahrt

Sein neuestes Buch, „Das Leben ist eine Zicke“, schließt an seinen 2011 erschienen Erzählband „Begegnung mit dem Berserker“ an. Der Band versammelt „14 Alltagsgeschichten, einen längeren Krimi und 48 Kurzkrimis“. Die Storys, oft nur wenige Seiten lang, wechseln zwischen lustig, satirisch, traurig, nachdenklich und philosophisch. Roß schickt den Leser auf eine emotionale Achterbahnfahrt. Schmunzelte man soeben noch, bleibt einem das Lachen im nächsten Moment im Hals stecken. Etwa in der schwarzhumorigen Kurzgeschichte „Die dunkle Seite des Odenwalds“, die das Thema Einsamkeit aufgreift. Wie in Roß‘ Krimiromanen liegen Unterhaltung und Ernsthaftigkeit eng beieinander. So etwa in der Story „Die Welt prasselt auf mich ein“, in der der Autor das Altwerden und die Pflege seiner Eltern aufarbeitet. Oder in dem literarischen Gedankenspiel „Die Unschuldsengel“, in dem er Einstein, Siri und den Messias aufeinandertreffen und über die Atombombe – und das Internet – philosophieren lässt: „Siri, wann wird die Welt untergehen?“ – „Nachdem du gehört hast: ‚Feuere sie ab!‘“.

 

Andreas Roß live und auf Papier

Musikalische Krimi-Lesungen (zusammen mit dem Liedermacher Harald Pons):

Bistro D42 (der Caritas, Dieburger Straße 42) | So. 28.10. |  9.30 Uhr | 14,50 € (inklusive Frühstück)

Hoff-Art Theater | Do, 08.11. | 19.30 Uhr | 5 €

 

Das aktuelle Buch mit Kurzgeschichten:

„Das Leben ist eine Zicke“ ISBN 978-3-9817633-5-5 | 290 Seiten | 12,80 €

www.krimiautor-ross-darmstadt.de