Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

 

Was ist das nur für eine Lilien-Spielzeit!? Letztes Tabellendrittel … statt oberes Drittel. Abstiegssorgen statt Aufstiegshoffnungen. Tore en masse, nur leider allzu oft am falschen Ende des Platzes. Bis Ende Februar hatte der SVD schon zwölf Niederlagen angehäuft, vier mehr als am Ende der Vorsaison. Viele davon kamen reichlich absurd zustande. So fühlte man sich vor der Glotze immer wieder verfrüht in den April geschickt.

Wer hätte das gedacht? Wenn die Lilien im Saisonendspurt üppig Punkte sammeln, dann winken ihnen in der nächsten Saison zwei Duelle gegen den großen FC Schalke 04. Wäre das unter normalen Umständen ein Indiz für gut im Aufstiegsrennen liegende Darmstädter gewesen, so stellt sich die Situation Mitte März 2021 ein wenig anders dar. Während historisch schlechte Schalker der Zweitklassigkeit entgegentaumeln, tun sich die 98er ihrerseits in der 2. Bundesliga überraschend schwer. Reihenweise fahrlässige Punktverluste bringen die Blau-Weißen in die unangenehme Situation, sich irgendwie aus dem allergrößten Abstiegsschlammassel heraushalten zu müssen.

Zu Saisonbeginn durfte man sich beim SVD noch überaus glücklich über die Schlussphasen der Spiele schätzen. Aus Nürnberg entführten die 98er dank eines Last-Minute-Treffers drei Punkte. Auch in Karlsruhe führte ein paar Wochen später ein Elfmeterpfiff in der Schlussminute zum 4:3-Siegtreffer. Seit Herbst sind die letzten Minuten eines Spiels dahingegen primär nur noch mit einem verbunden: Frust. Und zwar in einer Häufung, die in der Regel auf keine Kuhhaut geht.

 

Der Wahnsinn beginnt gegen St. Pauli

Genau genommen fing es bereits in der Woche vor dem Karlsruhe-Spiel (der Hinrunde, wohlgemerkt!) an. Gegen St. Pauli versäumten es die Lilien am heimischen Bölle Ende Oktober 2020 fahrlässig, den Sack zuzumachen. Eine Blaupause für diverse kommende Begegnungen. In der 94. Minute schlägt Adrian Stanilewicz den Ball aus dem eigenen Strafraum, trifft dabei aber auch einen gegnerischen Angreifer am Fuß, der diesen einfach nur reingestellt hatte. Nun könnte man in einem solchen Fall auf Stürmerfoul entscheiden. Doch April, April, denn für solch knifflige Situationen gibt es ja den VAR. Der Schiri trabte also zur Seitenlinie und entschied sich nach Ansicht der Szene am Bildschirm tatsächlich für den schlechtestmöglichen Witz: Strafstoß! Und die Hamburger ließen sich natürlich nicht zweimal bitten und nahmen das Geschenk der Ausgleichschance dankbar an. Selbst der altehrwürdige „kicker“ schrieb hernach vom „Wahnsinn in der Nachspielzeit“.

Es folgten weitere Partien, bei denen sich jeder, der es mit den Lilien hält, mit der flachen Hand vor den Kopf schlagen musste. In Düsseldorf spielten die Lilien überzeugend auf, gingen zweimal in Führung, nur um sich zehn Minuten vor Schluss ein reichlich überflüssiges 2:2 einschenken zu lassen. Und als ob das nicht schon der Treppenwitz des Spiels gewesen wäre, erzielte der Bundesligaabsteiger in der 89. Minute gar den Siegtreffer. In diesem Moment wusste jeder SVD-Fan, dass die Fortuna ihren Namen nicht ganz zu Unrecht trägt. Der „kicker“ pflichtete bei, indem er wahrheitsgemäß von einer „verrückten Wendung“ schrieb.

Es sollte weitergehen, mit den Punktverlusten auf den letzten Drücker. Der einstmals große HSV ging im Dezember am Bölle in Führung. So weit, so erwartbar. Als die Lilien dann einen Platzverweis kassierten, war man geneigt, jegliche Hoffnungen auf einen Punktgewinn fahren zu lassen. Doch sich nicht aufgebende Lilien glichen tatsächlich aus. Und als man sich langsam begann, mit einem Punktgewinn anzufreunden, da kam in der 87. Minute von irgendwo ein Simon Terodde her und gab den humorlosen Spielverderber. Beim VfL aus Bochum spielten die Lilien wenig später vergleichsweise groß auf und begegneten dem Spitzenteam absolut auf Augenhöhe. Zehn Minuten vor Schluss gingen sie gar durch einen bockstarken Freistoß von Tobi Kempe in Führung. DER Turningpoint der bis dahin so durchwachsenen Spielzeit? Pustekuchen! Keine drei Minuten später hatten die Hausherren das Spiel gedreht. Nicht zuletzt dank einer Lilien-Truppe, die sich nach dem Führungstreffer gedanklich eine Auszeit genommen hatte. Und der „kicker“? Titelte hernach: „Wahnsinn an der Castroper Straße“.

 

Und es wird immer schlimmer

Wer dachte, das geht nun wirklich nicht mehr schlimmer, der kennt die Lilien aber mal so richtig schlecht. Wie zu unglückseligen Viertligaspielzeiten mutierte der SVD zum personifizierten Unglück. Gegen Regensburg machte der SVD einen sattelfesten Eindruck mit dem klassischen Fehler, das knappe 1:0 über die Zeit bringen zu wollen. Und so kam, was kommen musste: Ausgleichstreffer in der 97 (!) Minute, nach dem der Schiedsrichter die Partie augenblicklich abpfiff. Ein Nackenschlag, der eine Woche später gar auf die Spitze getrieben wurde. Gegen den Club aus Nürnberg liefen die Lilien einem Rückstand hinterher, der wieder einmal auf ein alles andere als sattelfestes Abwehrverhalten zurückzuführen war. Doch dieses Mal schien der Fußballgott nachsichtig zu sein. In der 90. Spielminute gab es einen – nun ja – diskutablen Elfer für die Lilien, den Fabi Holland entschlossen verwandelte. Das war allerdings noch lange nicht der Schlussakkord. Den lieferte in der 92. Minute Nicolai Rapp, der unbedrängt über den eigenen Keeper hinweg formvollendet zum 1:2 einköpfte. Die Lilien agierten getreu dem Motto: Sicher ist hier mal gar nix. Der „kicker“ konnte völlig zurecht nur schnappatmen: „Unfassbar“.

Dass zwei Wochen später die 98er einen 0:2-Rückstand bei St. Pauli in drei Minuten ausglichen, nur um zehn Minuten vor Schluss das 2:3 zu kriegen und in der Schlussphase zweimal am Alu zu scheitern, passte dann einfach ins Bild. Die Aprilscherze der abgelaufenen Saison waren viel zu zahlreich, viel zu schmerzhaft und einfach nur viel zu schlecht. So bleibt die Hoffnung, dass die Mannschaft in diesem Monat nur einen in den April schickt: die Konkurrenz.

 

Punkt für Punkt zum Klassenerhalt!

So, 04.04., 13.30 Uhr: SVD – Fortuna Düsseldorf

Fr, 09.04, 18.30 Uhr: Hamburger SV – SVD

Fr, 16.04., 18.30 Uhr: SVD – Greuther Fürth

Di, 20.04., 18.30 Uhr: Würzburger Kickers – SVD

Sa, 24.04., 13 Uhr: SVD – VfL Bochum -> verlegt auf Mo, 26.04., 20.30 Uhr!

sv98.de

 

Matthias und der Kickschuh

Seit Ende 2011 schreibt Kickschuh-Blogger Matthias Kneifl über seine große Leidenschaft: den Fußball. Gerne greift er dabei besonders abseitige Geschichten auf. Kein Wunder also, dass der studierte Historiker und Redakteur zu Drittligazeiten begann, über die Lilien zu recherchieren und zu schreiben. Ein Resultat: das Taschenbuch „111 Gründe, den SV Darmstadt 98 zu lieben“, das (auch in einer erweiterten Neuauflage 2019) im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen ist. Seit Juli 2016 begleitet Matthias gemeinsam mit vier Mitstreitern die Lilien im Podcast „Hoch & Weit“. Genau der richtige Mann also für unsere „Unter Pappeln“-Rubrik!

kickschuh.blog