Ein Pflasterstein, der war einmal
Ein Pflasterstein,
der war einmal
Und wurde viel beschritten.
Er schrie: „Ich bin ein Mineral
Und muss mir ein für allemal
Dergleichen streng verbitten!“
Jedoch den Menschen fiel‘s nicht ein,
Mit ihm sich zu befassen,
Denn Pflasterstein
bleibt Pflasterstein
Und muss sich treten lassen.
(Joachim Ringelnatz)

Die Art und Weise, wie man Oberflächen von Plätzen und Wegen in einer Stadt befestigt, ist von nicht zu unterschätzender städtebaulicher Bedeutung. Darmstadts Marktplatz ist ein gutes Beispiel: Seit er 1996 neu und homogen gepflastert wurde, hat der Platz an Attraktivität gewonnen. Was aber wenige wissen: An zahlreichen Stellen in Darmstadt gibt es historische Mosaikpflaster, die zu den schönsten in Deutschland gehören.

Die heute noch erhaltenen Pflastersteine stammen vor allem aus dem späten 19. und dem frühen 20. Jahrhundert. Nicht nur historische Gebäude oder Kunstwerke dieser Zeit sind Zeugnisse des kulturellen Schaffens, die Architektur der geschichtlichen Epochen zeigt sich auch im städtebaulichen Umfeld. So ist zum Beispiel die Befestigung der Oberflächen von Wegen, Straßen und Plätzen von unterschiedlichster Struktur, und es wurden verschiedene Materialien nach dem jeweiligen Stand der Handwerkskunst verarbeitet und zeittypisch gestaltet. Mittelalterliche Rechnungen der Stadt belegen, dass bereits 1537 in Darmstadt Pflaster verlegt wurde.

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Foto: Kim Epes

Mosaikpflaster in Darmstadt

Um sich einmal ein „pflasterhaftes Bild“ von Darmstadt zu machen, eignet sich eine herbstliche Radtour, beginnend im „Vinocentral“ am Hauptbahnhof mit einem Espresso und der Betrachtung des Mosaikpflasters am Platz der Deutschen Einheit.

Entlang der Bismarckstraße radelt man zum Johannesplatz. Im „Riwwelmaddes“ könnte man sich – träfe man dort am Tresen einen Pflasterer des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft (EAD) – bei einem Bierchen von der Restaurierung des 1902 entstandenen historischen Mosaikpflasters auf den dortigen Gehwegen berichten lassen.

Hierfür hat die Stadt Darmstadt im Jahr 2009 rund 25.000 Euro investiert. Die Maßnahme war eine notwendige Herausforderung für den Erhalt des schmucken Stadtbildes. „Die Erhaltung des Pflasters ist aus zwei Gründen schwierig: Die damals verwendeten farbigen Steine stehen heute für Reparaturen nicht mehr zur Verfügung, und das Verlegen der kleinen Steine selbst ist eine Handwerkskunst, die nur noch wenige Pflasterer beherrschen“, erklärt der städtische Denkmalpfleger Nikolaus Heiss.

Am Mathildenplatz vorbei führt uns die Mosaiktour durch den Herrngarten in die Hochschulstraße. Hier findet sich legendäres Holzpflaster aus „steirischem Kiefernholz“. 1899 wurde vor den neu gebauten Hochschulgebäuden dieses geräuschdämpfende Holzpflaster verlegt, da hier die Bauernkarren mit ihren eisenbeschlagenen Rädern zum Markt holperten. Heute sind insgesamt 1.912 Quadratmeter Holzpflaster unter einer Asphaltschicht versteckt, konserviert und nur an einigen wenigen Stellen sichtbar.

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Foto: Kim Epes

Bergan geht es zur Mathildenhöhe, wo sich Mosaikpflaster im Prinz-Christians-, Eugen-Bracht- und Alexandraweg befindet. Auf der Künstlerkolonie dominieren (wie auch am Platz der Deutschen Einheit) schlichte geometrische Muster, Streifen und Bänder in weißem Kalkstein auf schwarzem Basalt-Untergrund.

Die geradelte Mosaik-Puzzle-Tour führt am Woog vorbei – hier einen Kakao mit Schuss zum Aufwärmen im „Café Lotte“ – und dann weiter in die Heidenreichstraße. Den Alten Friedhof passierend geht es nach Bessungen in den Herdweg. Um die Pauluskirche herum kann man sich dann mosaikmäßig „die (Bordstein)Kante geben“, denn hier lässt der mehrfarbige Steinschmuck ganze Straßenzüge erblühen.

Im Paulusviertel wurde die Gehwegskunst aufwändiger betrieben: Neben den schwarzen und weißen Steintönen dominieren die roten und gelben von Porphyr und Kalkstein in Form von filigranen Sternen, langgestreckten Rhomben und Kreisornamenten.

Passend zur zeitlichen Epoche aus der die Mosaike stammen, sollte man im „Rühmann‘s“ (Karlstraße) ein letztes Schöppchen trinken und dann einfach die Wilhelminenstraße bergab rollen. Im oberen Teil befinden sich weitere mosaikbesetzte Gehwege. Wer es noch schafft, einmal links abzubiegen, der verpasse nicht das florale Muster in der Annastraße 15. Schön ist sie, die „Tour der Street Art aus dem letzten Jahrtausend“.

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Foto: Kim Epes