Mit einem Sieg und einer Niederlage sind die Lilien Anfang August in die 2. Bundesliga gestartet. Wenn es so weiterginge, dann hätten die 98er mit dem Abstieg nichts zu tun und würden einer entspannten Zweitligasaison entgegenblicken. Das wäre mal was Neues, denn seit 2013 ging es immer bis zum mindestens vorletzten Spieltag um den Aufstieg oder den Klassenerhalt. Was sich aber wohl nicht ändern wird, sind die Spielweise und die erwartbaren Statements von Dirk Schuster in den Pressekonferenzen.
Der SVD-Coach hat sich durch den Last-Minute-Klassenerhalt im Frühjahr ein zweites Denkmal am Bölle erarbeitet. Er ist nun nicht mehr einzig und allein der Wundermacher, der die Lilien in die Bundesliga geführt und dort gehalten hat, er ist nun auch der Feuerwehrmann mit Auszeichnung. Die Art und Weise, wie sein Team die 2. Liga hielt, war Schuster-Fußball par excellence: Viel Wille, viel Moral und spieltechnisch einfach gestrickt. Ganz klar die richtigen Tugenden im Abstiegskampf, wenngleich das Glück in diversen Spielen gehörig Pate stand.
Die Handschrift Schusters hat sich während seines Ausflugs nach Augsburg jedenfalls nicht großartig verändert. Nach wie vor gilt es für sein Team zuallererst, hinten die Aufgaben zu erledigen, bevor nach vorne gedacht wird. Solange hinten die Null steht, sich der Gegner die Zähne ausbeißt und dabei zermürbt wird, ist ein Punkt schon mal sicher. Und wenn dann noch vorne der ein oder andere Ball reingearbeitet wird, umso besser.
It’s the mentality, stupid!
Dirk Schuster pflegt dabei gerne von den berühmt-berüchtigten „Nadelstichen“ zu sprechen, die der gegnerischen Verteidigung wehtun und zu Torerfolgen führen sollen. Inzwischen hat es dieses Bonmot ins Vokabular vieler Lilienfans geschafft. Genauso wie Schusters Aussage „Mentalität schlägt Qualität“. Ein zutreffendes Credo für einen Fighter, wie es Schuster selbst als Profi in den 90er Jahren vorgelebt hat. Schon in seiner ersten Pressekonferenz in Darmstadt hatte er im Dezember 2012 davon gesprochen, dass er eine Mannschaft auf den Rasen bekommen wolle, „die von der ersten bis zu letzten Minute alles gibt.“
Die Grundlagen für das physische Spiel seiner Lilien legt der Coach Jahr für Jahr in der Vorbereitung. Dabei wurde er im Sommer nicht müde über die vereinseigenen Kanäle hervorzuheben, dass seine Jungs „an die Grenze und darüber hinausgegangen“ seien und „überragend mitgezogen“ hätten. Bei seinen Neuzugängen legt er – wenig überraschend – keinen gesteigerten Wert auf spielerische Finesse. Mit Marvin Mehlem und Joevin Jones sind schließlich zwei der Jungs, die im blau-weißen Kader zu den spielerisch stärksten zählen, nicht von ihm geholt worden. Stattdessen hob er zuletzt bei den Neuzugängen Serdar Dursun und Marcel Franke hervor, dass der eine ein „körperlich präsenter Spieler“, der andere ein „körperlich robuster Spieler“ sei.
Entlarvende Begriffe
Das sind Prädikate, die zu Schuster-Spielern passen wie die Faust aufs Auge. Damit korrespondiert, dass den jüngsten Sommerneuzugängen einige Attribute nie zugesprochen werden, wenn ich mich über sie in meinem Kickschuh-Blog mit Fans, Bloggern oder Journalisten austausche. Dabei geht es immer darum, wie sich die Neuzugänge beim letzten Klub präsentiert haben und über welche Stärken sie verfügen. Im Sommer standen einige Begriffe auf dem Index: etwa „trickreich“, „kombinationsstark“ oder „schnell“ (Marcel Heller natürlich ausgenommen). Sollten diese Begriffe dennoch erwähnt werden, dann bei der Beschreibung der Defizite. Schusters Spiel ist mithin darauf ausgerichtet, die Defizite nicht ins Gewicht fallen zu lassen, wobei wir wieder beim Schusterfußball à la „Mentalität schlägt Qualität“ sind. Bei ihm ist Kampf Trumpf und es gilt: „safety first“.
Gleichwohl reagiert der Coach schon mal genervt, wenn er auf „seinen“ Fußball reduziert wird. Er sieht sich dann gerne zu Unrecht in eine Ecke gestellt und als Fußballverhinderer abgestempelt. Entlarvend ist es dann aber doch, wenn man sich seine Aussagen vornimmt, die er in den Pressekonferenzen vor und nach jedem Spiel trifft. Wer sich zukünftig diese anschaut oder die Aussagen nachliest, der sollte sich zuvor den Spaß machen und ein paar Begriffe in Bingo-Manier notieren. Wer „Mentalität“, „Einsatz“, „Bereitschaft“, „Leidenschaft“, „Moral“, „Arbeit“, „Defensive“, „Grundordnung“, „Stabilität“, „Leistung abrufen“ und eben „Nadelstiche“ aufschreibt, der hat allerbeste Chancen „Bingo“ zu rufen. Alternativ lassen sich noch „Zielstrebigkeit“, „Lösungen“ und „Klarheit“ hinzunehmen. Wer sich diese Begriffe vor Augen führt, der kommt dann doch wieder beim bekannten Schuster-Fußball raus. Kein Schnick-Schnack, kein Voodoo-Zauber, sondern ehrliche Arbeit und klare Spielphilosophie. Sollte uns auf diese Weise eine unbeschwerte Saison bevorstehen, dann hat Schuster erneut alle Argumente auf seiner Seite.
Never change a running system
So, 02.09., 13.30 Uhr : 1. FC Heidenheim – Darmstadt 98
Sa, 15.09., 13 Uhr: Darmstadt 98 – SV Sandhausen
Sa, 22.09., 13 Uhr: Dynamo Dresden – Darmstadt 98
Di, 25.09.18, 18.30 Uhr: Darmstadt 98 – Arminia Bielefeld
Fr, 28.09., 18.30 Uhr: Holstein Kiel – Darmstadt 98
Matthias und der Kickschuh
Seit Ende 2011 schreibt Kickschuh-Blogger Matthias Kneifl über seine große Leidenschaft: den Fußball. Gerne greift er dabei besonders abseitige Geschichten auf. Kein Wunder also, dass der studierte Historiker und Redakteur zu Drittligazeiten begann, über die Lilien zu recherchieren und zu schreiben. Ein Resultat: das Taschenbuch „111 Gründe, den SV Darmstadt 98 zu lieben“, das im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen ist. Seit Juli 2016 begleitet Matthias gemeinsam mit vier Mitstreitern die Lilien im Podcast „Hoch & Weit“. Genau der richtige Mann also für unsere „Unter Pappeln“-Rubrik!