Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Ein ausladender Ring aus Bronze, auf ihm befinden sich Figuren, die um einen zentral gelegenen Bühnenvorhang organisiert sind. Die theatrale Szene zeigt Charaktere aus Ernst Elias Niebergalls im Jahr 1841 veröffentlichten Lokalposse „Datterich“.

Über die Interpretation des Stückes lässt sich streiten, doch dem zentralen Charakter und Namensgeber der Komödie kann man ganz klar die Qualitäten eines Tunichtgutes und Trunkenboldes zuschreiben. „Er ist ein Quell von Lumperei und Freiheit, der durch lauter Muff fließt“, schrieb der Philosoph Ernst Bloch über den Datterich. Einen derartigen Quell mitten in der Stadt als Brunnen zu manifestieren, ist eine wunderbare Bereicherung des öffentlichen Lebens.

Dem hätte vermutlich auch der französische Philosoph Paul Lafargue zugestimmt, dessen Schrift „Das Recht auf Faulheit“ noch heute die Herzen überzeugter Produktionsverweigerer höher schlagen lässt. Im Gegensatz zu den deutlich bekannteren Theoretikern Marx und Engels lehnt Lafargue das Konzept des Fortschritts ab. Er betrachtet das gesteigerte Produktivitätswachstum nicht als Heilmittel, sondern als Herausforderung und Problem. Der gute Datterich hätte diese These garantiert befürwortet. Ein schöner Zug des Brunnens ist übrigens, dass sich die metallischen Körper bewegen und arrangieren lassen. Ein Zeitvertreib, dem etliche Passant:innen gerne nachgehen, ohne zu realisieren, dass es sich hier um einen geschickten Meta-Kommentar des Künstlers handeln könnte: Körper mit inhärentem Potenzial, die sich ums Verrecken nicht von selbst bewegen würden. Ein Idealbild der Faulheit und ein Loblied auf das Nichtstun.

Kunst im öffentlichen Raum

Kunst findet man nicht nur in Museen und Galerien, sondern oft auch im Freien und für jede:n sichtbar. Manche Werke sind schon seit Jahrhunderten ein Teil des Stadtbildes, andere zieren es nur kurz. In Darmstadt haben einige Fügungen des Schicksals dafür gesorgt, dass es besonders viele Kunstwerke im öffentlichen Raum gibt. Ohne die schützenden Laborbedingungen eines White Cube gehen sie allerdings schnell unter. Dabei können gerade diese stillen Zeitgenossen unsere Wahrnehmung des Stadtraumes verändern und unser Verständnis von Welt herausfordern. Eine Einladung zum Fantasieren.