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Illustration: Hans-Jörg-Brehm

Lyrik war – im Gegensatz zur Unterhaltungsliteratur – schon immer ein Zuschussgeschäft. Da überrascht es wenig, dass Gedichtsbände im Buchhandel gering vertreten sind und ein eher unauffälliges Dasein in den hinteren Ladenecken fristen. Umso wichtiger, dass sich das Kulturamt der Stadt Darmstadt weiterhin für die Lyrik stark macht und alle zwei Jahre den „Literarischen März“ veranstaltet. Am 22. und 23.03. ist die Centralstation wieder centrale Anlaufstation dafür.

Die Lyrik beim Literarischen März hat sich in den vergangenen Jahren verändert: „Sie ist kopflastiger geworden“, erklärt Fritz Deppert, Jurymitglied sowie bekannter und engagierter Darmstädter Autor und Literaturveranstalter. Viele der Lyriker seien Akademiker, Großstadtlyrik oder „Lyrik aus dem Bauch heraus“ tauchten mittlerweile selten auf. Doch Deppert bedauert die Veränderung nicht: „Das kann sich auch wieder woanders hin entwickeln. Das ist ja das Aufregende und Lebendige der Literatur.“

Lebendige Lyrik wollen auch die neun Bewerber liefern, die beim Literarischen März auf- und gegeneinander antreten. Die jungen Autorinnen und Autoren haben sich Ende September 2012 mit jeweils zwölf ihrer Gedichte beworben. Sie wurden von den erfahrenen Lektoren Hanne F. Juritz, Christian Döring und Fritz Deppert, die die Jury bilden, aus mehr als 500 Bewerbern ausgewählt. Ende März lesen die neun Nachwuchs-Lyriker in der Centralstation und konkurrieren um den Leonce-und-Lena-Preis sowie um die zwei Wolfgang-Weyrauch-Förderpreise. Gekrönt werden am Ende jedoch alle Teilnehmer – mit der Anthologie aller verlesenen Gedichte.

Das Preisgeld in der Tasche

Zur Premiere 1968 noch als „Leonce-und-Lena-Preis“ bekannt, trägt der Wettbewerb seit 1979 den Titel „Literarischer März“. Der ehemalige Autor Wolfgang Weyrauch hat den Wettbewerb im Zwei-Jahrestakt ins Leben gerufen. Unterstützt wurde sein Vorhaben vom damaligen Darmstädter Oberbürgermeister und Lyriker Heinz W. Sabais. Er holte Weyrauch 1967 nach Darmstadt. Bei der Premiere bekam der Preisträger von Weyrauch „die 1.000 Mark noch einfach in die Hand gedrückt. Die hatte er in der Tasche“, erinnert sich Fritz Deppert und lacht. Heute beträgt das Preisgeld für den renommierten Leonce-und-Lena-Preis sowie die Wolfgang-Weyrauch-Förderpreise insgesamt 16.000 Euro. Früher habe ein Autor seiner Leidenschaft vom Preisgeld etwa ein Jahr unbeschwert nachgehen können, so Deppert. Ob das heute auch noch möglich ist, sei dahingestellt.

Doch warum entstand der „Literarische März“ überhaupt? „Weyrauch wollte ein Instrument haben, um einen jungen Lyriker auszuzeichnen und ihm so eine Startmöglichkeit zu verschaffen“, antwortet Deppert, der seit 1970 als enger Freund und anfangs stiller Berater, seit 1979 als Juror an Weyrauchs Seite stand. Initiator Weyrauch habe auch vorher schon junge Autoren gefördert, sie beraten und ihnen bei Veröffentlichungen und Anthologien geholfen. „Mit der Auszeichnung fällt man natürlich mehr auf, zudem es damals sehr viel weniger Literaturpreise und -stipendien gab als heute.“ Speziell war auch, dass es noch keinen renommierten Preis mit einer Altersbeschränkung von 35 Jahren gab. Namhafte Juroren wie Marcel Reich-Ranicki oder Ernst Jandl haben den Literarischen März für Publikum und Lyriker zudem noch attraktiver gemacht. Und auch die Auswahl der Bewerber zeugt von Qualität: „Es gibt kaum einen, der nicht eine wichtige Rolle gespielt hat in der Lyrik in der Bundesrepublik“, betont Deppert.

Die Dynamik der Lyrik

Was aber macht gute Lyrik aus? Thematisch vielschichtig, originell, eigenartig im positiven Sinne müsse sie sein, so Deppert. Die Sprache müsse korrespondieren, also den Leser erreichen. Dabei nehme der Grad der Interaktion zwischen Sender (Lyriker) und Empfänger (Jury/Publikum) stetig zu, auch der Literarische März sei dynamischer geworden: Mittlerweile wird nach jedem Gedicht vor Publikum über das Vorgetragene diskutiert. „Die Lyriker haben ja früher gar nichts erfahren – jetzt erfahren sie es.“ Neben Lob gibt es natürlich ab und an auch (herbe) Kritik: „Das muss man aushalten, wenn man ein Buch veröffentlichen will“, so Deppert, der selbst schon einige Gedichtbände geschrieben hat.

Aber bei aller Diskussion auf dem Podium: Die Entscheidung, wer Preisträger des Literarischen Märzes wird, fällt auch 2013 wieder hinter der Bühne.

www.literarischer-maerz.de