Pelé ist tot. Der brasilianische Überfußballer starb kurz nachdem Lionel Messi seine üppige Trophäen-Sammlung um den WM-Titel ergänzt hatte. Nur ein Jahr zuvor war Diego Maradona von uns gegangen. Zu all diesen Begebenheiten gab es Diskussionen darüber, wer denn nun der allergrößte Kicker auf Erden war. Auch wenn es um die Lilien geht, dann ist nicht so leicht zu ermitteln, wer beim SVD denn eigentlich zu den besten Spielern aller Zeiten zählt.
Und dennoch hatte sich im letzten Sommer das Blatt mit den vier großen Buchstaben und dem noch größeren Mitteilungsbedürfnis an einer Auflistung der 50 besten Lilien-Kicker versucht. Auf diese Weise überbrückte das Revolverblatt die Saure-Gurken-Zeit, in der es nun mal wenig rund um den SVD zu berichten gab. Über Wochen wollte sich die Redaktion über die Rangliste der Besten den Kopf zerbrochen haben. Daten wollte sie ausgewertet haben, gar telefoniert und recherchiert und nicht zuletzt mit Zeitzeugen gesprochen und Archive durchsucht haben. Die zusammengetragene Liste der 50 allerbesten Lilien-Spieler ist denn auch ein buntes Sammelsurium an Spielern der letzten sieben Jahrzehnte. Begonnen bei Karl Mühlbach und Werner Böhmann, zwei Protagonisten des ersten Höhenflugs, der die 98er 1950 in die damals höchstklassige Oberliga Süd führte. Natürlich durften auch einige Feierabendfußballer des ersten Bundesligaaufstiegs nicht fehlen, genauso wenig wie ein paar Leistungsträger der Zweitligajahre in den 80ern. Selbstverständlich sind auch die großen Namen des vergangenen Jahrzehnts dabei, wobei diese für meinen Geschmack überrepräsentiert sind.
Und so kommt es auch, dass man über einige Nominierungen wahrlich die Stirn runzeln muss. Warum ist ein Kevin Großkreutz denn bitte schön die Nummer 19 in der Allzeitrangliste des SVD? Darüber schweigt sich die B**D aus, wenn sie lediglich anführt, dass er sich zwar unterordnete, aber selten zeigte, dass er Fußball-Weltmeister ist. Und warum ist Konstantin Rausch an Position 13? Wieso ist Hamit Altintop in der 125-jährigen Vereinsgeschichte der zweitbeste Spieler mit der Lilie auf der Brust? Er sei nun mal der beste Fußballer, den Darmstadt je hatte, so die Begründung. Nun, denn. Aber gehört da nicht ein bisschen mehr dazu? Der Lautsprecher unter den Zeitungen bleibt es jedenfalls schuldig, welche Maßstäbe er überhaupt für seine Liste angelegt hatte. Was macht einen Spieler also denn nun wirklich zu einem der Allerbesten?
Was macht einen Spieler zum Besten der Besten?
Klar ist, dass sich die Frage so pauschal nur schwer beantworten lässt. Denn schließlich neigt man als Fan dazu, seine ganz eigenen Maßstäbe anzulegen. Es hilft also, ein paar unverrückbare Faktoren zu klären. Um es in den illustren Kreis zu schaffen, muss ein Spieler natürlich zuallererst durch seine Leistung überzeugt haben. Und zwar beständig und nicht nur punktuell. Er muss oder musste im wahrsten Sinne ein Leistungsträger sein. Macht das aber automatisch jeden, der über 250-mal das Leibchen der Lilien getragen hat, zu einem Kandidaten für die Liste? Oder jeden, der mehr als 50 Treffer erzielt hat? Nicht unbedingt. Topspieler müssen das gewisse Etwas haben. Für mich müssen sie deshalb auch ein hohes Standing bei den Fans genießen. Das würde einen Kicker wie Toni Sailer einschließen, der es etwa in der B**D tatsächlich gerade so auf Position 50 geschafft hat. Ein Spieler, der es unter die besten Lilien-Kicker aller Zeiten schafft, sollte im besten Fall einer sein, der nicht nur eine Halbserie hier das Leibchen getragen hat. Im Idealfall sollte er gar mehr als nur ein Jahr beim SVD überzeugt und seine Spuren hinterlassen haben. Vereinstreue wäre demnach ein wichtiges Merkmal. Wenngleich man dann einen Spieler wie Sandro Wagner übersehen würde, ohne den der herausragende Klassenerhalt in der Bundesliga ganz gewiss nicht geglückt wäre.
Einer der besten Fußballer sollte zudem einer sein, der auf seiner Position den Unterschied ausmacht(e). Bei dem man also im Verlauf der Spiele immer wieder spürt(e), dass er etwas bewirken und bewegen kann. Der seine Gegner beschäftigt, alt aussehen oder keinen Stich machen lässt. Das schließt natürlich herausragende Keeper mit ein, die immer wieder Unhaltbare parieren und im wahrsten Sinne des Wortes der Rückhalt ihrer Teams sind. Für Nostalgiker wäre es natürlich die Kirsche auf der Sahnetorte, wenn einer der Besten aus dem eigenen Nachwuchs stammt. Doch da wird es leider schon verdammt übersichtlich. Selbst als Eigengewächse geltende Profis wie Gerhard Kleppinger, Bruno Labbadia, Mergim Mavraj und Ivo Ilicevic wechselten erst als 17- beziehungsweise 18-Jährige ans Böllenfalltor. Immerhin haben sie von hier aus aber die Fußballwelt in Angriff genommen und auch anderswo ihre Qualität unter Beweis gestellt.
Und doch hinken Bestenlisten ganz gewaltig
Was aber die Schwäche einer solchen Rangliste ist und bleibt: Sie wird den Spielern letztlich nie gerecht. Denn die Fans eines Klubs erleben immer nur eine Phase, nie die gesamte Historie eines Vereins. Es sei denn, man ist Fan eines „Vereins“, der im Sächsischen beheimatet ist. Die meisten der heutigen Lilien-Fans können folglich gar nicht bewerten, wie gut die Böhmanns, Kleppingers, Matterns, Gus, Anicics und Ottijis dieser Welt waren, weil sie sie schlicht und ergreifend nie haben spielen sehen. Zudem fällt es enorm schwer, einen Thomas Schmidt mit einem Aytaç Sulu zu vergleichen. Beide Verteidiger, beide Kapitäne, beide Gallionsfiguren, nur eben einmal überwiegend in der 3. Liga und Hessenliga, und einmal überwiegend in den beiden Bundesligen. Auch ein Leistungsträger und wichtiger Kicker wie einstmals Stefan Leitl lässt sich nur schwer mit einem Braydon Manu vergleichen. Eben weil sich der Fußball mächtig verändert hat. So lässt sich der heutige Zweitligafußball nur schwer mit dem von 1988 vergleichen und schon gar nicht mit dem Oberliga-Fußball der 1950er-Jahre. Auch im Lilien-Podcast „Hoch & weit“ haben wir deshalb die Liste der B**D ziemlich verrissen. Einfach, weil zu viele prägende Figuren der 98er unerwähnt blieben, die sich fest ins Fanherz geschrieben haben, während die Liste viel zu viele Kurzzeitprofis aus Bundesligajahren enthielt.
Ein Topliste von Lilien-Spielern aufzustellen, mag deshalb in erster Linie eines sein: eine schöne Spielerei, die an den Stammtischen und in den sozialen Medien geführt werden darf. Und so habe natürlich auch ich meine All-Time-Heroes: Spieler wie Stefan Leitl, Yannick Stark, Aytaç Sulu und auch Matthias Bader, wobei Jerôme Gondorf noch ein wenig über ihnen thront. Aber ob Spieler wie diese es nun wert sind, unter die besten Lilien aller Zeiten aufgenommen zu werden, das dürfte mein Stehnachbar auf der Gegengerade womöglich schon wieder ganz anders sehen. Und das ist auch gut so.
Voll Bock auf die 98er!!!
Fr, 03.02., 18.30 Uhr: SV Sandhausen – SV Darmstadt 98
Di, 07.02., 20.45 Uhr (DFB-Pokal, Achtelfinale): Eintracht Frankfurt – SV Darmstadt 98
So, 12.02., 13.30 Uhr: SV Darmstadt 98 – Eintracht Braunschweig
Sa, 18.02., 20.30 Uhr: FC Hansa Rostock – SV Darmstadt 98
Sa, 25.02., 20.30 Uhr: SV Darmstadt 98 – Hamburger SV
7. Andreas-Gompf-Turnier der Lilien-Fans
Nach gut drei Jahren Zwangspause wegen Corona steigt am Samstag, 11. Februar, ab 10 Uhr in der Böllenfalltorhalle endlich wieder das Andreas-Gompf-Turnier. Im Gedenken an den 2004 verstorbenen Fanprojekt-Gründer Andi Gompf gehen wieder 16 Teams aus der Fanszene auf Torejagd. Das Finale wird gegen 17.30 Uhr angepfiffen. Der Eintritt ist frei.
Matthias und der Kickschuh
Seit Ende 2011 schreibt Kickschuh-Blogger Matthias „Matze“ Kneifl über seine große Leidenschaft: den Fußball. Gerne greift er dabei besonders abseitige Geschichten auf. Kein Wunder also, dass der studierte Historiker und Redakteur zu Drittligazeiten begann, über die Lilien zu recherchieren und zu schreiben. Ein Resultat: das Taschenbuch „111 Gründe, den SV Darmstadt 98 zu lieben“, das (auch in einer erweiterten Neuauflage 2019) im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen ist. Seit Juli 2016 begleitet Matthias gemeinsam mit vier Mitstreitern die Lilien im Podcast „Hoch & Weit“. Genau der richtige Mann also für unsere „Unter Pappeln“-Rubrik!