Wer die Wochen seit Pfingsten nicht auf der Raumstation ISS verbracht hat, wird es schon wissen: Der Achtneunzscher Spottverein ist mal wieder auf Bundesligafahrt, ganz dicke in der Ersten. Und damit, auch das weiß man, wird sich einiges ändern müssen rund ums Bölle. Damit meine ich jetzt nicht die Zahl und Funktionsfähigkeit der Frauenklos oder die Anzahl der Steckdosen an den Presseplätzen. Nein, das möge die DFL interessieren oder auch nicht. Mir geht’s um etwas viel Wichtigeres: Unsere Vereinshymne „Die Sonne scheint“ alias „Tor! Lilie vor!“ muss endlich erstligareif werden.
Zum Glück sind vor einiger Zeit schon erste textliche Renovierungsarbeiten angestoßen worden: Die Schönwetterfan-Eingangszeile „Die Sonne scheint! Heut ist ein schöner Tag, wir gehen ins Stadion“ ist leicht entschärft worden; inzwischen toben zu Beginn des Songs ein paar Fans und interessieren sich immerhin für die Torfolge des Spiels.
Dass die Spieler in der ersten Strophe des Songs seit jeher „b’reit“ sind, ist angesichts des Weizenbier-Tricks, den Dodo Stroh-Engel bei der Aufstiegsfeier im Ratskeller vorführte, durchaus in Ordnung. Aber was soll denn bitteschön die zweite Strophe? „Wir stürme‘ alle vor“! (???) Wie bitte? Eine solche Aussage in der Hymne eines Erstligisten? Ich muss meiner Frau Recht geben: Das hat eher was von Kinderfußball (oder „Klumpefußball“, wie es mein Jugendtrainer Walter Fischer genannt hat), wo die juvenile Masse jeden Samstag ohne Sinn, Verstand und Raumaufteilung einfach begeistert der Lederkugel hinterherrennt. Das ging ja all die Jahre gut, aber wenn demnächst Fußball-Professoren und Taktik-Koryphäen wie Guardiola und Tuchel nach Darmstadt kommen, kann man so etwas nicht mehr singen. Mein Verbesserungsvorschlag: „Wir verschieben ballorientiert“, oder: „Die falsche Neun leitet das Gegenpressing ein“. Irgendsowas in der Art, Hauptsache, die Absicherung stimmt.
Bleibt noch die Zeile, von der ich mich immer fragte, wie sie es überhaupt jemals in einen mitteleuropäischen Fußballsong geschafft hat: „Es kann mal passiern, das wir mal verlier’n, isse nur ein Spiel“! (???) Das ist zwar sehr elegant synkopiert und spiegelt die Lässigkeit und das Gönnertum des Süditalieners und –hessen wider, geht aber als Lebensmotto für Erstliga-Spieler allenfalls bei der Eintracht am vorletzten Saison-Spieltag durch. Bei den „Lilien“ müsste es getreu dem Schuster-Motto heißen: „Wir sammeln Punkt für Punkt, weil wir eklig zu spielen sind“, dann erst gibt uns Christian Seifert die Lizenz.
Wenn also Alberto Colucci so nett ist diese kleinen Änderungswünsche einzubauen, steht Erstligafußball in Darmstadt nichts mehr im Wege. Zumindest für die Saison 2015/16. Im darauffolgenden Jahr werden wir erneut nachbessern müssen. Dann geht’s an „Allez les bleus“ von Decubitus: Dass dort über die mediale Bevorzugung der Offenbacher Kickers gesungen wird, ist in Zeiten, in denen die Lilien der Aufmacher des „heute journals“ sind, nicht mehr aufrecht zu erhalten.