Fotos: Jan Ehler

Aktuell ist der altehrwürdige SV Darmstadt 1898 eifrig damit beschäftigt, sich nicht (allzu tief) in den Abstiegskampf verwickeln zu lassen. Derweil sorgen eine Liga tiefer allerlei altbekannte Ex-Lilien für Schlagzeilen.

Wer hätte Ende 2018 gedacht, dass Aytaç Sulu noch einmal ein anderes Trikot tragen würde als das mit der Lilie auf der Brust? Zu groß schienen die Verdienste des langjährigen Kapitäns, zu eng verwoben die Bande zwischen Verein und Spieler, der ja auch nicht mehr ganz taufrisch daherkam. Doch dann ging er vor Jahresfrist Knall auf Fall zu Samsunspor in die dritte türkische Liga. Nur zwölf Monate später war das Kapitel an der Schwarzmeerküste allerdings schon wieder beendet. Wer nun dachte, Sulu würde sich auf die Karriere nach der Karriere konzentrieren, der sah sich abermals getäuscht. Ende Januar ging der Capitano zum FC Carl Zeiss Jena. Irgendwie scheinen ihn Tabellenletzte in der 3. Liga zu faszinieren. Als er Anfang 2013 zu den 98ern kam, hielten sie die rote Laterne in der Hand. Jena hat sie sogar noch fester im Griff. Der Rückstand auf das rettende Ufer betrug zum Zeitpunkt von Sulus Verpflichtung zehn Punkte. Bei seinem ersten Einsatz half er als Einwechselspieler mit, einen Punkt in Braunschweig zu sichern. Bei seinem zweiten Spiel brachte sein Ausgleich (Ecke – Sulu – Tor) die Wende und letztlich einen Sieg. Dass zwischen den Partien jedoch Chefcoach Rico Schmitt entlassen wurde, war vermutlich nicht nach dem Geschmack unseres Ehrenspielführers. Es bleibt spannend!

Einfach mal den Hammer rausgeholt

In der 3. Liga wird Sulu immerhin auf allerhand ehemalige Mitspieler treffen. Mit zwei von ihnen könnte er sich auf dem Feld sogar im direkten Duell messen. Da wäre zum einen Terrence Boyd. Der bullige Stürmer hat einen ähnlichen Umweg eingeschlagen wie der langjährige Lilien-Kapitän. Nur kurz nach Sulu verließ er im vergangenen Winter den SVD, in seinem Fall Richtung Major League Soccer nach Toronto. Schon zu Saisonbeginn kehrte er allerdings wieder nach Deutschland zurück und heuerte beim Halleschen FC an. Und dort erweist er sich als überaus treffsicher. Zehn Tore in 20 Spielen bedeuten doppelt so viele Treffer wie im Lilien-Trikot. Sein 30-Meter-Hammer gegen Duisburg schaffte es sogar in die Auswahl zum „Tor des Monats“. Hinzu kommen sieben Torvorlagen. Läuft also beim Angreifer!

Back in the game

Auch „DSE“ schnürt weiterhin in der 3. Liga seine Schuhe. Während Dominik Stroh-Engel nach seinem Wechsel zum Karlsruher SC (im Jahr 2017) kaum zum Zug kam, durfte man sich schon fast auf ein unspektakuläres Karriereende der einstigen Tormaschine einstellen. Doch Stroh-Engel wechselte vor dieser Saison nach Unterhaching und machte plötzlich wieder von sich reden. Schon nach einem halben Jahr hatte er bei den Münchnern mehr Spielminuten gesammelt als in zwei Jahren beim KSC. Kein Wunder, hat er doch sein Zielwasser wieder gefunden. Zehn Tore in Liga und Pokal belegen dies. Zudem ist er nach wie vor der angenehm bodenständige und reflektierte Charakter geblieben. Zu bestaunen war dies im vereinseigenen TV der Münchner, als er in der Fußballkneipe „Stadion an der Schleisheimer Straße“ ganz entspannt plauderte und dabei ein Weizenbier genoss. Da ist einer offensichtlich sehr mit sich im Reinen!

Mensch, der kann ja Tore schießen!

Ähnlich dürfte es Sören Bertram ergehen. Der Flügelstürmer fällt für alle Lilienfans vermutlich in die Kategorie „Ach, der war ja auch mal bei uns“. In seinem halben Jahr bei Darmstadt 98 konnte er jedenfalls nicht weiter auf sich aufmerksam machen. Folglich verließ er Südhessen im Sommer 2019. Das Ziel: Natürlich die 3. Liga! Sein neuer Klub: Absteiger 1. FC Magdeburg. Während man sich in Darmstadt noch fragte, worin eigentlich die Qualitäten des Spielers lagen, legte er bei seinem neuen Klub los wie die Feuerwehr und trug sich eifrig in die Torjägerliste ein. Nach 23 Spieltagen hatte er bereits zehn Tore auf seinem Konto und zeichnete damit für ein Drittel aller Tore seines neuen Teams verantwortlich. Was das Lilienherz besonders erfreut: Er traf in beiden Spielen gegen Waldhof Mannheim und verweigerte ihnen damit zwei Dreier. Gut so!

Reset beim Ballack-Klub

Ein weiterer Kumpel von Aytaç Sulu hat nur Hundert Kilometer von Jena entfernt eine neue sportliche Heimat gefunden: Sandro Sirigu. Der Außenverteidiger zählte wie Sulu quasi zum Inventar am Böllenfalltor. Er kam 2013 ein halbes Jahr nach Sulu und verließ Darmstadt im Sommer ein halbes Jahr nach ihm. Die Suche nach einem Arbeitgeber gestaltete sich für Sirigu schwerer als gedacht. Probetrainings in Kiel und Unterhaching blieben ohne Engagement, auch mit Osnabrück wurde er in Verbindung gebracht. Und so überraschte es ein wenig, als er Anfang Dezember in Chemnitz unterschrieb. Mit dem Klub, bei dem Michael Ballack das Kicken lernte, muss er sich als Klassenkämpfer beweisen, verletzte sich jedoch zunächst am Knie. So dauerte es bis Anfang Februar, ehe er seinem neuen Klub in der 3. Liga helfen konnte. Auf der ungewohnten Linksverteidigerposition unterstützte er sein Team dabei, zwei Siege einzufahren: 2:1 in Meppen und 3:0 gegen Halle. So kann’s weitergehen!

Was lernen wir daraus? Auch in Liga 3 kann man sein Glück finden. Bei einigen Ex-Lilien wirkt es gerade so, als ob sie sportlich (wieder) auf dem richtigen Niveau angekommen sind. Wollen wir hoffen, dass diese Erkenntnis ausschließlich ihnen vorbehalten bleibt. Die Lilien selbst dürfen gerne zweitklassig bleiben.

 

Könnte unser Monat werden!

Sa, 29.02., 13 Uhr: Darmstadt 98 – 1. FC Heidenheim 1846

Sa, 07.03., 13 Uhr: Darmstadt 98 – VfL Bochum

Sa, 14.03., 13 Uhr: Karlsruher SC – Darmstadt 98

Mo, 23.03., 20.30 Uhr: Darmstadt 98 – FC St. Pauli

www.sv98.de

 

Matthias und der Kickschuh

Seit Ende 2011 schreibt Kickschuh-Blogger Matthias Kneifl über seine große Leidenschaft: den Fußball. Gerne greift er dabei besonders abseitige Geschichten auf. Kein Wunder also, dass der studierte Historiker und Redakteur zu Drittligazeiten begann, über die Lilien zu recherchieren und zu schreiben. Ein Resultat: das Taschenbuch „111 Gründe, den SV Darmstadt 98 zu lieben“, das (auch in einer erweiterten Neuauflage 2019) im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen ist. Seit Juli 2016 begleitet Matthias gemeinsam mit vier Mitstreitern die Lilien im Podcast „Hoch & Weit“. Genau der richtige Mann also für unsere „Unter Pappeln“-Rubrik!

www.kickschuh.blog