Artikel-Illu: Pauline Wernig

Hurra, der Sommer ist da! Nach gefühlt 23 Monaten Winter und Dunkelheit, Regen und finsteren Zukunftsaussichten kommt wieder etwas Schwung ins Leben: mehr Tageslicht, neues Grün an den Bäumen, wärmere Temperaturen und noch miesere Zukunftsaussichten. Denn ein bisschen beruhigend ist es doch: Egal, wie wir komischen (überwiegend) haarlosen Affen uns auf diesem Planeten aufführen, die Jahreszeiten haben wir noch nicht komplett zerstört. Sie bedeuten Neuanfang und geben Sicherheit.

In Darmstadt gibt es wunderbare Grünanlagen, lauschige Plätzchen und schöne Orte, an denen man draußen verweilen kann. Kleine Hinterhöfe, eine Bank unter einem alten Baum … Herrngarten, Orangerie, Prinz-Emil-Garten, Rosenhöhe, Bürgerpark, Mathildenhöhe, Woog … die Liste ist lang. Nicht umsonst war Darmstadt früher „die Stadt im Walde“. Davon ist nicht mehr alles übrig, aber bis auf ein Fließgewässer, mehr Fahrradwege und bezahlbarer Wohnraum fehlt es uns hier doch wirklich an nichts.

Doch in genau diesen großen und kleinen Grünanlagen kehrt das Leben mit so viel Wumms zurück, dass es mich um den Schlaf bringt. Ich wohne ganz in der Nähe des Bürgerparks, der sich am Wochenende in eine Partymeile verwandelt. Laute Musik, Gelächter, Geschrei, der liebliche Klang von Menschen, die sich in eine Hecke übergeben. Am Anfang dachte ich noch, dass es sich vielleicht um eine Ausnahme handelt, ein Schulfest oder weil der Abschluss endlich geschafft ist. Da lohnt es sich, es mal krachen zu lassen. (Sagt man das noch so, kids? ROFL.) Mittlerweile ist bei gutem Wetter an jedem Wochenende was los.

Im Herrngarten (und anderen Parks und Plätzen) ist die Lage ähnlich und das nicht nur am Wochenende: Noch größere Gruppen feiern ausgelassen bis in die Morgenstunden. Die mitgebrachten Boxen in der Größe eines 2-Euro-Stücks bedröhnen die Nachbarschaft zuverlässig und lassen wenig Raum für einen eigenen Musikgeschmack. Zugegebenermaßen ist der um 2 Uhr nachts nebensächlich, wenn man endlich schlafen möchte, der Bass aber unerträglich wummert.

Zur Müdigkeit mischen sich Fantasien, ebendiese Musikboxen wütend zu zertrümmern, alle lauthals zu verscheuchen und den Feiernden Sätze an den Kopf zu werfen, die mit „früher …“ und „die Juschend von heude …“ beginnen. Zum Glück hatte ich mich bisher im Griff, nicht auszumalen, was das für meine Street Credibility bedeutet hätte.

Der ganze Text klingt bisher sowieso schon wie astreiner Boomercringe, aber wenn Ihr bis hierhin weitergelesen habt, fühlt Ihr es auch. Es geht mir nicht darum, dass Darmstadt zu Spießertown wird und wir uns nur noch bei der Kehrwoche draußen begegnen. Ich liebe die Vielfalt, ich liebe das Leben uff de Gass. Es gehört auch ein gutes Stück weit dazu, dass es in der Stadt lauter ist als auf dem Land. Kurze Wege, mehr Kulturangebote und beanspruchte Gehörgänge vs. Ruhe, mehr Fläche und keine Auswahl beim Lieferdienst. Aber ich weiß auch, dass wir alle zufrieden unseren Platz in unserer schönen Stadt finden, wenn wir Rücksicht aufeinander nehmen.

Was für die Feiernden eine gute Zeit ist, die vermutlich folgenlos bleibt, zahlen am Ende andere: Die ansässigen Gastronom:innen müssen penibel darauf achten, dass der Lärm nicht von ihren Gästen kommt, ansonsten drohen immer härtere Auflagen. Die Parks sind vermüllt, weil der Abfall nach Partyende liegen bleibt. Scherben, Kippen und Plastikverpackungen aus der Nacht sind der Grund, wieso Familien die Orte mit ihren Kindern tagsüber nicht mehr nutzen wollen. Im schlimmsten Fall werden, so wie in anderen Städten, die Parks nachts abgeschlossen.

Solidarität bedeutet, dass alle feiern dürfen. Es bedeutet aber auch, Rücksicht zu nehmen. Es gibt Alternativen für die nächtliche Feierei, das ist die gute Nachricht: Krone, Schlosskeller, 806qm, Galerie Kurzweil, Centralstation, Huckebein und Co. freuen sich sehr über volles Haus. Und wenn manche der feiernden Heranwachsenden aus Coronagründen noch nie in einem Club oder einer Bar waren, so sei ihnen erklärt: Hallo, Ihr Lieben, die haben alle wieder offen! Die Getränke werden dort dauerhaft gekühlt, man darf sogar Freund:innen mitbringen und die Anlage ist garantiert besser als Eure Boxen. Probiert Ihr’s mal aus?

 

Du bist fies? Ich bin Fiesa!

Ich bin Isa, 35, spiele Roller Derby und mag Tierbabys aller Art. Ich wohne seit 2007 in Darmstadt, wollte nur kurz zum Studium bleiben … das hat ja hervorragend geklappt. Darmstadt war Liebe auf den zweiten Blick und ist Zuhause geworden. Die Schrullen und Besonderheiten der Stadt bringen mich zum Lachen, daran wollte ich Euch teilhaben lassen. Da ich keine echte Heinerin bin, ist das natürlich nie ganz ernst zu nehmen und mit einem Augenzwinkern zu verstehen.