Grafik: Rocky Beach Studio
Grafik: Rocky Beach Studio

Bei alten Fotos von Dirk Schuster denkt der Kenner sofort an die Internetseite fiesescheitel.de. Dort gibt es grandiose Bilddokumente zeitgenössischen Friseurschaffens: Gerne werden Promis, vor allem Menschen der siebziger oder achtziger Jahre gezeigt, weil damals die Abscheulichkeit zu einer Perfektion getrieben wurde, die aus heutiger Sicht als Mutprobe, vielleicht sogar als experimentelle Kunst durchgehen kann. Freejazz wird ja gelegentlich auch als Musik empfunden.

Dirk Schusters gute Zeit als Fußballprofi begann in den frühen neunziger Jahren, und es war die Zeit der Vokuhila-Frisuren. Und wer in der DDR aufgewachsen war, der lebte diesen Trend noch etwas intensiver aus, was wiederum beweist, dass es halt doch auch Schwächen gab in diesem Land. Die mit Achim Mentzel beginnen und bei Moonwashed-Jeans enden.

Vielleicht hat ja Schuster damals, als er von Karl-Marx-Stadt herüber kam nach Karlsruhe, die Moonwashed-Jeans schnell in den Altkleidercontainer gestopft, ist zu Karstadt gegangen, um sich Karottenhosen von Levi’s zu holen. Mit wehrhaftem Stolz trug er indes seine Frisur auf. Denn wer es einmal zu solch einer pechschwarzen Matte gebracht hat, der gibt sie nicht so schnell wieder her. Zumal ihm der damals obligatorische Oberlippenbart auch eine Mantafahrerhaftigkeit verlieh, die damals einfach zum Stil eines Fußballprofis gehörte.

Auf Bart und Matte verzichtet Schuster mittlerweile. Immerhin. Denn modemäßig ist er nur bedingt weiter gekommen. So war zumindest der Eindruck, als er als neuer Cheftrainer der „Lilien“ vorgestellt wurde. Wer – außer Besuchern von Discos wie dem „A5“ – trägt heute Jeans mit Löcheroptik, weißes Hemd über die Hose und weiße Schuhe? Krass, Alda, hab isch neuen Dreier.

Aber, aber, mögen hier die kühlen Analytiker einwenden, Kleider machen eben nicht Leute. Denn sie erinnern uns an die giftgrünen New-Balance-Sneaker, die Jürgen Seeberger zum schwarzen Sakko trug. Das war geschmeidig und modisch um Lichtjahre voraus im Vergleich zum hier drögen Kosta Runjaic, mit seinen bis unters Brustbein hochgezogenen und zu weit geschnittenen Edwin-Jeans sowie den schwarzen Lederslippern, die er wohl immer noch im selben Rüsselsheimer Schuhgeschäft kauft, in dem er schon Kunde war, als er noch Dersim trainierte.

Doch seinen Coolnessbonus hat Jürgen Seeberger im Tagesgeschäft schnell aufgebraucht, denn auf dem Trainingsplatz war er ein rechtes Ekelpaket, wie man so hört. Das konnte nichts werden. Nun macht also ein Schuster den Trainer der „Lilien“. Den wiederum finden die Spieler schon ganz gut, weil er irgendwie so geradlinig fußballermäßig daherkommt. Wenn er mit kurzen Hosen auf dem Platz steht, während manche seiner neuen warmgeduschten Sportsfreunde gar Handschuhe tragen (bei Plusgraden!), dann weiß man, dass hier ein früherer Vollblutblutgrätscher das Sagen hat. Und die solide Grätsche gehört ja im Abstiegskampf zur Grundtechnik.

Vokuhila ist hingegen auch bei Dirk Schuster Vergangenheit – wiewohl auf den ersten Blick fast nichts mehr daran erinnert, dass in Darmstadt mal wieder ein Trainer beschäftigt ist, der noch Jungpionier war. Jörg Berger, Jürgen Sparwasser – und nun Schuster: allesamt aus der DDR. Deren Totalausfälle wie besagte Mentzel, Moonwashed, aber auch „Strahler Süßtafel“ oder „Blauer Würger“ sollen hier nicht weiter besprochen werden. Aber ein paar Motti von drüben gehen immer noch, auch und gerade im Darmstädter Abstiegskampf. An erster Stelle steht dabei der Klassiker: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“ In diesem Sinne, Dirk Schuster: Sei bereit – P ist immer bereit.