Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Umzingelt von Werbematerial und Schaufensterdekorationen, welche den Verkauf von Luxusartikeln durch Illusionen eines glamourösen Lebens ankurbeln sollen, befinden sich zwei in Stein gemeißelte Arbeiter schon seit über 70 Jahren auf Montage. Der Zahn der Zeit hat diese beiden Muschelkalk-Gestalten in eine Ära gekaut, in der sie unfreiwillig zum Offline-Meme werden, wenn sie die Geschehnisse in der benachbarten Aussparung mit ihren Blicken kommentieren. Ihre Gedanken scheinen relativ eindeutig zu sein: „Was zur Hölle?!“

Diese Darstellung verschwitzter Arbeiterkörper an der Fassade einer Parfümerie zu sehen, ist eine ungewöhnlich humorvolle Fügung des Schicksals. Das Aufeinanderprallen der stoischen und versteinerten Linien mit den besonders verschwurbelten und pseudo-poetischen Vermarktungsstrategien aus der Welt der Wohlgerüche ist pures, komödiantisches Gold. Mit Blick in die Kunstgeschichte sind die Wahrnehmungen und Realitäten von Arbeit tendenziell sehr ernst. Von antiken Darstellungen in der ägyptischen Grabkunst und der griechischen Vasenmalerei über Malereien von Bauern in der Renaissance bis hin zu roh-realistischen Zeichnungen und Drucken in der industriellen Revolution: Die Herausforderungen und die Lebensumstände von Arbeiter:innen wurden meist so dargestellt, wie sie es bis heute sind – nämlich verdammt hart. Und egal, wie viel Parfüm zur Ablenkung versprüht wird, der erdige Geruch der Realität wird sich letztlich durchsetzen und dazu führen, dass wir statt Milliardären in Maseratis endlich Massen an Revolutionären feiern.

Kunst im öffentlichen Raum

Kunst findet man nicht nur in Museen und Galerien, sondern oft auch im Freien und für jede:n sichtbar. Manche Werke sind schon seit Jahrhunderten ein Teil des Stadtbildes, andere zieren es nur kurz. In Darmstadt haben einige Fügungen des Schicksals dafür gesorgt, dass es besonders viele Kunstwerke im öffentlichen Raum gibt. Ohne die schützenden Laborbedingungen eines White Cube gehen sie allerdings schnell unter. Dabei können gerade diese stillen Zeitgenossen unsere Wahrnehmung des Stadtraumes verändern und unser Verständnis von Welt herausfordern. Eine Einladung zum Fantasieren.