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Foto: Jan Ehlers

Rund 8.000 Kilometer Luftlinie trennen Darmstadt von Jamaika. Das Land ist nicht mal halb so groß wie Hessen, kulturell aber ein Global Player. Der Sound der Karibikinsel wabert seit Jahrzehnten auch durch unsere Stadt. Maßgeblichen Anteil daran haben zwei Experten des Metiers: Olaf Heinrichsen (Jahrgang 1972) und Patrick Neudel (1976) – besser bekannt als General Motors (Superwhip Hifi) und Companheiro Leão. Beide DJs rümpfen eher die Nase, wenn es um die üblichen Klischees und rein modischen Aspekte Jamaikas geht. Es klingt eben nicht alles nach Bob Marley, es riecht nicht alles nach „Ganja“ (Marihuana) – und Rasta-Locken kratzen auf die Dauer.

 

Seit wann seid Ihr als Reggae-DJs aktiv?

Olaf: Ich war nie reiner Reggae-DJ. Der Jamaika-Sound seit den 1950ern und seine europäischen Ableger sind weit mehr als nur Reggae. Ich fing um das Jahr 1988 als Ska-DJ an. In den 1990ern kamen dann schnellere, härtere Sounds wie Jungle und Raggamuffin dazu. Und Dancehall, Roots Reggae und Dub gehören eh zu meinem Repertoire.

Wie kam es zum DJ-Namen General Motors? Klingt nach Opel-Betriebsfeier?

O: Du wirst lachen, ich habe wirklich mal bei einer Autopräsentation von Opel aufgelegt – als Tour-DJ für D-Flame [bekannter Künstler und Radio-Moderator, Anm. d. Red.]. Erst auf der Fahrt dorthin fiel uns das mit dem Namen auf. War etwas peinlich. Zurück zum Namen: Im Dancehall gibt es oft Dienstgrade als Namen – General, Admiral, Leutnant. Und DJ Olaf klingt zu sehr nach Goa-Trance. Aber ich fahre übrigens keinen Opel. Den Namenszusatz „Superwhip Hifi“ gab ich mir später, weil ich als General Motors keine Homepage anmelden konnte.

Wie kam es zum Namen Companheiro Leão?

Patrick: Anders als bei Olaf. Ich fahre seit Jahren diese Automarke.

[Irritiert] Äh?

Patrick [grinst]: Ach Quatsch. Ich war mal länger in Portugal – als „portugiesischer Arbeitsloser mit deutschem Pass“. [lacht] Formular E303 beim Arbeitsamt. Damit treibst du jeden Beamten zur Weißglut. Na ja, als mich 2003 die Band Riddim Revolution zu meinem ersten richtigen DJ-Gig einlud, nannte ich mich „Kamerad Löwe“ auf Portugiesisch.

Wie seid Ihr auf jamaikanische Musik gestoßen?

O: David Bowie und Depeche Mode waren früher meine Helden. 1986 hörte ich eine Roots-Reggae-Kassette meines Bruders Hanz. Ich fand die erst langweilig, dann hat es mich aber nicht mehr losgelassen.

P: Mit vier bin ich voll auf die Mainzelmännchen abgefahren. Später die Ärzte. Und dann kam der gute alte Bob Marley [blickt zu seinem Kollegen] und der gute alte Olaf. Ich hatte ihn im Club O25 in Frankfurt auflegen sehen – in der Reihe „Riddim Wize“. Da hatte es mich erwischt.

O: Ich bin seit 1999 auch Teil der Frankfurter „Riddim Wize“-DJ-Gruppe, die sehr umtriebig ist. Ich kam als DJ immer mit meiner Darmstädter Posse zu den O25-Partys. War lange Zeit ziemlich geil, die Reihe dort endete aber 2005.

Olaf ist ja auch als Musiker sehr aktiv.

O: Ja, mit Freunden gründete ich 1990 die Band Ska Trek. Wir spielten die englische Two Tone-Variante [legendäres Label mit Bands wie Specials, Madness, Selecter, Anm. d. Red.], später dann vermehrt originalen jamaikanischen Ska der 1960er wie den der Skatalites. Wir waren europaweit erfolgreich. Derzeit ist die Band kaum aktiv, da terminlich schwierig für alle. Ich hatte mit Marc Schwerdt noch das Dub-Projekt Echonomics [Coverversion von Nino de Angelos Schmacht-Hit „Jenseits von Eden“, Anm. d. Red.]. Und aktiv bin ich als Keyboarder bei der Reggae-Band Ease Up Ltd.

Patrick startete ab 2004 seine Party-Reihe „Into the Lion’s Den“ in der Bessunger Knabenschule.

P: Ich habe damals durch einen glücklichen Zufall Ganjaman aus Berlin buchen können. Um halb Elf waren wir ausverkauft. Das motivierte. Die zweite Party war dagegen ein Reinfall. Dann kam aber Hussen dazu und half mit [Hussen Abdulah, Betreiber des Restaurants Baobab, Anm. d. Red.]. Ab dann lief es super, so dass wir jeden ersten Freitag im Monat Partys und Konzerte veranstalten.

Gibt es eine wirkliche Szene in Darmstadt?

P: Spezialisten wie in Großstädten gibt es kaum. Es ist aber ein gutes Publikum, kaum Klischee-Fans, die nur Gentleman, Seeed oder Culcha Candela hören wollen und den Rest doof finden.

O: Es ist ein Auf und Ab. Mal ein kleines Hoch, sonst meist Underground. Es gibt aber viele Reggae-DJs in der Stadt: Peter Lemon, Elmar von Uppercut, die Low Budget Crew, Bernd Pütz, Henk Verhey …

P: Und seit kurzem: die basslastige „Dubstadt“-Reihe in der Oetinger Villa. Da haben sich der erfahrene Roots Rock und die jungen Wilden vom Rebelion Soundsystem zusammen getan.

O: Die finde ich auch sehr gut, zumal da endlich mal Talente nachwachsen. [lächelt verlegen] Ich bin ja so was wie der Silberrücken der Szene. Spannend sind auch die neueren Dubstep-Sounds bei den „Chrome“-Partys, die letztlich auf jamaikanischem Dub fußen. [Patrick nickt] Bin offen für alles. Von den frühen Jamaika-Sachen wie Calypso und Mento bis zu den neuesten Geschwüren. Ich würfele das als DJ aber ungern an einem Abend durcheinander.

Damit zu Klischee-Begriffen wie Rastafari, Homophobie und Ganja.

P: Die spirituelle Idee der Rastafaris, also „back to nature“, find ich ganz spannend. Den intoleranten religiösen Kram sehe ich kritisch. Und als angehender Master der Psychologie sehe ich auch Kiffen zwiespältig. Es kann super entspannen, es gibt aber viele, die es übertreiben und wirklich paranoid werden. Ich will es weder glorifizieren noch verteufeln.

O: Kann ich größtenteils unterschreiben. Ich hab mich mit den ganzen Themen quasi kulturhistorisch befasst. Bei mir ist letztlich die Liebe zur Musik hängengeblieben.

Was ist mit oft schwulenfeindlichen Texten in der Musik Jamaikas?

O: An Texte sollte man nie unreflektiert rangehen, gerade als junger Fan. Aber es gab irgendwann regelrechte Kampagnen gegen jamaikanische Künstler. Homophobie gibt es nicht erst, seit Volker Beck von den Grünen es als Thema entdeckt hat. Beim HipHop ist es nicht anders. Ich persönlich spiele aber keine homophoben Stücke, die das schon im Titel haben.

P: Sehe ich genauso. Musiker wie Buju Banton, Beenie Man, Sizzla oder T.O.K. kommen aus einem anderen Kulturkreis. Manche Texte sind grenzwärtig, aber wenn man das weiß, kann die Musik trotzdem gut sein. Wir als DJs gehen bewusst damit um und spielen eben nicht alles.

Danke für das Gespräch.