Manche Motive tauchen nur einmal im Jahr auf – und sind dennoch allgegenwärtig. Sobald sich das Heinerfest nähert, beginnt die Stadt, sich zu verändern: Auf Plakaten, Bannern, Flyern und in Schaufenstern erscheinen zwei vertraute Figuren, mal als Zeichnung, mal digital, manchmal sogar leuchtend.
Ein Junge mit Ballonmütze und Herz auf der Brust, daneben ein Mädchen, das ihm in Haltung und Stil in nichts nachsteht. Es sind der Heiner und Lisettchen (die Kinder vom „großen Heiner“/„Ballonheiner“ und der „großen Heinerin“), die grafischen Herzstücke eines der größten Innenstadtfeste Deutschlands.
Entworfen wurden die beiden in den früheren 1990er-Jahren von Helmut Lortz, einem Darmstädter Künstler und langjährigen Professor für visuelle Kommunikation, der das Erscheinungsbild des Heinerfests über Jahrzehnte prägte. Was als einfache Strichfigur begann, hat sich über die Jahre in eine flexible Bildsprache verwandelt. Jedes Jahr erscheinen die Figuren in neuer Pose, mit wechselnden Attributen, in leichten stilistischen Variationen – und doch bleiben sie eindeutig sie selbst. Dabei liegt ihr Zauber gerade in dieser Wandelbarkeit. Es sind keine Werbemaskottchen, die ein Produkt verkaufen sollen, sondern Figuren für ein städtisches Ritual. Sie stehen für Wiederholung, für Wiedererkennen – und zugleich für Erneuerung.
Lebendige Illustrationen
In der Vergangenheit gab es Manifestationen als Ampelfiguren – und in diesem Jahr besiedeln die beiden Geschwister-Zeichnungen dank Graffitikünstler Elmar „Riot“ Compes (Spraymobil.de) auch Fassaden in der ganzen Stadt. Die beiden Figuren sind damit nicht nur Identifikationsfiguren für ein Fest, sondern ein Beispiel für lebendige Illustration im öffentlichen Raum, das sich in die visuelle Kultur der Stadt eingeschrieben hat. Wie eine saisonale Dekoration, aber mit eigener Persönlichkeit. Wie ein Logo, aber mit Herz. Man kennt sie. Man wartet auf sie. Und wenn sie auftauchen, weiß man: Es ist wieder Heinerfest.
Spray-Aktion zum 75. Festjubiläum
Die Aktion „Heinerfest-Maskottchen an Darmstädter Fassaden“ ist eine Idee von Tanja Zocher, Referentin für Kunst & Kultur bei Merck. Eine Idee, die den Darmstädter Graffitikünstler Elmar Compes (Spraymobil) und den Heimatverein Darmstädter Heiner e. V., der das Innenstadtfest seit 1951 organisiert, sofort begeisterte. Das – natürlich vorab von den Hauseigentümern genehmigte – Sprühen der ersten 30 Heiner und Lisettchen an Fassaden von Eberstadt über Kranichstein bis nach Wixhausen hat das Kultursponsoring von Merck als Geschenk zum 75. Festjubiläum finanziert. Künftige Sprayungen laufen direkt über Elmar Compes. Falls also auch Du eines der kleinen lokalpatriotischen Kunstwerke an Deiner Häuserwand haben möchtest, melde Dich per Mail bei elmar@spraymobil.de.
Kunst im öffentlichen Raum
Kunst findet man nicht nur in Museen und Galerien, sondern oft auch im Freien und für jede:n sichtbar. Manche Werke sind schon seit Jahrhunderten ein Teil des Stadtbildes, andere zieren es nur kurz. In Darmstadt haben einige Fügungen des Schicksals dafür gesorgt, dass es besonders viele Kunstwerke im öffentlichen Raum gibt. Ohne die schützenden Laborbedingungen eines White Cube gehen sie allerdings schnell unter. Dabei können gerade diese stillen Zeitgenossen unsere Wahrnehmung des Stadtraumes verändern und unser Verständnis von Welt herausfordern. Eine Einladung zum Fantasieren.