Foto: Mathias Hill
Foto: Mathias Hill

Hörspiel goes Hardcore! So viele Tätowierungen wie dieses Mal saßen noch nie auf der Hörspiel-Couch. Platz genommen haben mit Sänger Todd, Guitar-Hero Alex und dem Bassisten Sven drei Viertel der Darmstädter Positive-Hardcore-Institution 47 Million Dollars. Die Band mit dem geldgierigen Namen existiert seit 1999 und ist, nicht zuletzt durch das von ihr organisierte Knabencore-Festival, fest in der Darmstädter Szene verankert. Darüber hinaus sind sie eine der wenigen Hardcore-Bands, die auf deutsch singen, wie zum Beispiel auch:

 

Oiro „Oi Spießer, gib mal Feuer (damit ich dich anzünden kann)“

Sven [nach den ersten Sekunden]: Studentenrock.

Das sind Oiro aus Düsseldorf, Punk-Rocker aus dem Plastic-Bomb-Umfeld.

Alex: Ist das ’ne Oi!-Punk-Band? Ich hab ja früher mal bei den Boring City Boys gespielt und bei Konzerten im Osten haben wir uns manchmal „Die Roidigen Goile aus Oilenhausen“ genannt. In Leipzig im besetzten Haus waren zum Beispiel circa 20 Oi-Skins, die haben uns dafür ziemlich abgefeiert.

Was ist eigentlich aus den Boring City Boys geworden?

Alex: Die Luft war leider raus. Manchmal hör’ ich mir die alten Demos an und bin überzeugt, dass wir heute fett auf dem Label von Tomte rauskommen könnten.

Abschließendes Urteil zu Oiro?

Sven: Nix, was ich mir so anhören würde.

Warum singen Hardcore-Bands eigentlich fast nie auf deutsch?

Alex und Todd: Ich weiß nicht. Es gibt ein paar, zum Beispiel Andorra Atkins, aber das ist eher so Intellektuellen-Krams. Ich hab immer das Gefühl, dass sie diese dicken Bücher von russischen Schriftstellern zitieren, die ich in der Schulzeit nie gelesen habe.

 

Slapshot „Bigmouth Strikes Again“

Sven [beim Einsatz des Gesangs]: Slapshot! Beim Riff hatte ich’s mir schon gedacht. Die Stimme vom Robert Kelly ist einzigartig. Aber es gibt geilere Slapshot-Nummern.
Alex: Ist aber eher ’ne kontroverse Band, oder?
Sven: Naja, der Sänger provoziert halt gerne.
Alex: Slapshot hab ich 1993 erstmals live gesehen. Und ich war rotzevoll, aufm Slapshot-Konzert! [Slapshot sind Straight Edge, lehnen also Alkohol und Drogen ab, Anm. d. Red.]

 

Von Spar „Schockwellen auf’s Parkett“

Todd: Das hört sich doch an wie „Shaft“… [beim Einsetzen des Gesangs] jetzt eher wie Jennifer Rostock oder die kleinen Mädchen aus dem Odenwald. Oder Ideal?
Sven: Nicht meine Baustelle.

Da singen übrigens zwei Männer.

Alex: Was, das ist ein Sänger? Ich dachte, das wäre ’ne Frau. Vielleicht Udo Lindenberg mit Jan Delay?
Todd: „Geschichte wird gemacht“, von wem ist das? … Fehlfarben!

Das ist die Düsseldorfer Band Von Spar, zusammen mit Peter Hein, dem Sänger der Fehlfarben. Zwei hysterische Shouter auf einmal.

Alex: Hier im Booklet sind aber zwei Sängerinnen gelistet. Da klagen wir die Richtigkeit unserer Aussagen ein, Klagewert: 47.000.000 Dollar.

 

Erdmöbel „Riecht wie Teen Spirit“

Sven [nachdem das Nirvana-Markenzeichen-Riff zur Abwechslung mal von seeeehr entspannten Bläsern angestimmt wurde]: Ah, das Alphorn-Sextett!
Alex: Eine 80-er-Fernsehserien-Melodie mit Alphörnern.
Todd: Nein. Das ist „Smells Like Teen Spirit“. Das müssen dann ja Koka Koala aus Darmstadt sein, oder? Stimmt’s??

Nein, das ist eine Band aus Bonn. Sie haben eine Platte mit lauter No. 1-Hits gemacht und beim Schlossgrabenfest gespielt.

Sven: Beim Schlossgrabenfest? Dann sind’s bestimmt die Hooters!

Darf man diese Nirvana-Hymne so überhaupt covern?

Alex: Klar darf man das so covern, Tori Amos hat das auch gemacht. Ich find’ das Lied total überschätzt.
Todd: Aber wer sich Erdmöbel nennt, ist dazu verbannt, von uns nicht erkannt zu werden.
[Alex beömmelt sich im Anschluss über die anderen Songs, die Erdmöbel auf ihrem Album gecovert haben, zum Beispiel „Fahler als nur fahl“: Ah… „A Walter Scheel of Pehl“ von Procul Harum.]

 

Steaknife „2 Dollar Haircut“

Eine Melodica setzt ein, ein Hauch von Jamaica-Reggae hängt in der Luft. Dabei handelt es sich hier um die Zweitband von Lee „Spermbird“ Hollis, dem US-Army-Punk schlechthin (noch vor Elvis Presley).

Todd: Klingt voll nach Jimi Tenor. Concrete Jungle könnt’s auch sein, oder Gorillaz.
Alex: Wenn Du nur in allem so schlau wärst.

Erste Anzeichen von Zermürbung zeigen sich, deshalb wird statt der Dub- die Punkrock-Version aufgelegt.

Alex: Sind das die Dead Kennedys?
Todd: Der Song heißt auf jeden Fall „2 Dollar Haircut“.
Alex: Steaknife… klar, der Sänger klingt wie die Dead Kennedys.
Todd: Mit denen haben wir mal gespielt. Ein sehr schönes Konzert.
Alex: Mein Lieblingslied von Steaknife ist „It’s My Life“.

Es werden spontan und lauthals verschiedene „It’s my Life“s angestimmt, unter anderem von Bon Jovi und Dr. Alban. Mit „2 Dollar Haircut“ ist die zweite Phase des Hörspiels eingeläutet, nun geht es – gemäß dem Bandnamen – um’s liebe Geld:

 

The Beatles „Money (That’s What I Want)“

Todd: Klingt nach „Pulp Fiction”. Wenn’s besser aufgenommen wär, wären’s die Satelliters.
Sven: Das war ungefähr 50 Jahre früher.
Todd: Dann sind’s die Satelliters vor 50 Jahren mit ’ner schlechteren Aufnahme. „No Pale Dunst“… [nach einer Minute Ratlosigkeit] Das sind nicht die Beatles, oder?

Doch.

Alex: Aaaarrghh!! Wir haben die Beatles nicht erkannt! Aber wie sollte ich auch als Jugendlicher Beatles hören, das haben meine Eltern gehört. Ich musste doch aus Protest die Platten zerkratzen.

Zur Strafe müsst Ihr den Song bei „Melodien für Millionen“ covern.

Todd: Nee, da covern wir „Remmidemmi“ von Deichkind, mit ’nem Elektrofeuerzeug.

 

Olli Schulz und der Hund Marie „Rock’n’Roll Lifestyle“

Und zum Schluss noch Olli Schulz, die Hamburger Mischung aus Bernd Begemann und Otto Waalkes, der sich in diesem Song lustig über Rocker mit Turbonegro-Jacken und Flammen-Tattoos macht.

Alex: Das sind ja wir, über die er schreibt.
Todd: Woher kennt der uns?
Alex: Erinnert mich an Fischmob.
Sven: Und das kommt auf jeden Fall aus Hamburg.

„Unser Demo klingt noch nicht so gut, aber das macht nix, denn das ist ja nur der Rough-Mix.“

Alex: Der Text passt aber auch wie die Faust auf’s Auge.

„Da ist eine Sache, die macht Dich verrückt. Deine Turbonegro-Jacke ist kein Einzelstück.“

Sven: Eine Geschichte, die das Leben schrieb.
Todd: Olli Schulz stinkt.
Sven: Musikalisch find ich’s nicht gut.
Alex: Aber textlich auf jeden Fall.

 

Fazit:

Liebe 47er, macht Euch nichts draus, selbst die ganz Großen haben sich schon von den Beatles distanziert, da seid Ihr mit John Lennon in guter Gesellschaft. Beim Hardcore macht Euch jedenfalls keiner was vor, was neben dem Slapshot-Volltreffer die ersten Hörproben Eurer neuen Platte „Was uns nicht tötet“ (Todd: „Passt gut zu den Songs, die Du ausgesucht hast.“), die im August auf Swell Creek / Superhero Records rauskommt und im Kohlekeller Studio aufgenommen wurde, beweisen. Das P gratuliert zum ersten Plattenvertrag und „maybe shaybe first big step into se musicbusiness“.

 

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