Foto: Leonhardt Hofmann
Foto: Leonhardt Hofmann

Dass Erzhausen als Hessens Rockhauptstadt gilt, hat es vor allem seiner Punkrock-Institution zu verdanken, die in diesem Monat ihren 15. Geburtstag feiert: die Stinkenden Socken. Gut, die „Socken“ haben in dieser Zeit erst einen eigenen Song geschrieben („Theo Waigels Augenbrauen“), aber gut Ding will bekanntlich Weile haben – und ein zweiter ist für die nächsten zehn Jahre angekündigt. Ansonsten covern sie sich munter und äußerst unterhaltsam durch die Punkgeschichte. Mal sehen, wie gut sich Sänger Schlesy und Gitarrero Holger in der Funpunk-Ecke auskennen.

 

Die Toten Hosen „Jürgen Englers Party“

Die erste Single der Düsseldorfer Ex-Punker.

Schlesy [swingt und grinst wissend im Takt]: Mein lieber Freund, diese Band covern wir… Ein alter Klassiker, gerne auch inkognito gespielt. Bekannter ist der Song in der Version der Roten Rosen. Das ist eine Verarsche für Jürgen Engler von den Krupps, der war ein Kumpel aus der Düsseldorfer Szene, wurde ihnen zu großkotzig und da machten sie dieses Lied.
Holger [guckt staunend]: Du machst mir Angst!
Schlesy: Das ist so langsamer alter Punk. So lahm wie die Studioaufnahmen der Ärzte damals.
Holger: Da fragt man sich, warum die das überhaupt ’rausgebracht haben.

 

Toxoplasma „Teenage Frust“

Klassischer Deutschpunk aus dem Jahr 1981 – Pflichtprogramm für jeden Lui-Sitzer!

Schlesy: Schon wieder so ein Bootleg-Sound! „Teenage Frust“ [singt mit] Ich könnt’ jetzt’n Namen sagen [druckst kleinlaut herum] Also, ähm… ich könnt’s mit den Arschgebuiden in Verbindung bringen.

Nein! Ihr covert diese Band regelmäßig.

Schlesy: Dann sind’s Toxoplasma. Ich kannte von denen gar nicht so viel… Ich denk’, das ist ’ne wichtige Band für den deutschen Punk.
Holger: Arschgebuiden?
Schlesy: Nee, äh, die auch, aber ich mein’ Toxoplasma.

Wie seid Ihr eigentlich drauf gekommen, deren „Rüttel mich“ zu covern? Das Stück klingt ja wie ein Fremdkörper in Eurem Set.

Schlesy: Früher nicht, da haben wir viel harten Punk gespielt: Die Goldenen Zitronen, Slime, Wizo. Heut’ vielleicht schon. Das ist von damals übrig geblieben.
Holger: Von Slime spielen wir auch manchmal noch „Alptraum“.

 

Deutsche Trinker Jugend „Kindl-Träume“

Ein weiterer Punkklassiker, diesmal eher alkohol-affin.

Schlesy [zu Holger]: Gell, würd’st Du heut doch auch gern spielen, oder?
Holger: Genau, das sind die Griffe, die man mit 16 auf der Gitarre spielen konnte.

Vielleicht kommt Ihr ja über das Thema des Songs auf den Namen der Band – eine Berliner Band, die über das Trinken singt.

Schlesy: Jugendliche?

Ja, Trinken und Jugend.

Schlesy: Ach, dann ist’s die Deutsche Trinker Jugend! Erinnert mich an alte Zeiten auf dem Luisenplatz: EKU-Pils-Sixpack, Kassettenrecorder und solche Musik, wo Menschen nasales Sprechen als Gesang verkaufen. EKU-Pils … ekelhaft! In jungen Jahren war ich häufig am Lui zu treffen. Dann war ich aber mal mit meinem Vater in der Stadt, der wollte mir eine Hose kaufen. Plötzlich rief einer von den Jungs: „Gude Schlesy!“ Mein Vater fragte mich natürlich gleich, ob da einer meinen Namen gerufen habe und ich hab’ sie umgehend verleugnet: „Neee … die kenn’ ich net!“

 

Sternhagel „Vielleichtbinicheinpankdochichweißnichtgenau“

Obskure Neue-Deutsche-Welle-Punk-Single von 1980 mit einem sehr verstörenden Traum im Text-Mittelteil, in dem unter anderem Franz-Josef Strauß und ein ans Kreuz genagelter Sid Vicious vorkommen.

Schlesy: Rock’n’Roll – hört sich an wie ’ne harte Version von Ideal… wenn da jetzt ’ne Frau singen würde, wär’s eigentlich auch Ideal.
Holger: Das ist aber recht neu, oder?
Schlesy: Waaaas? Die singen von Franz-Josef Strauß…
Holger: Ja ja, ich kann mich noch gut an den erinnern. Er starb in den späten Achtzigern auf der Jagd und böse Stimmen sagen, er wurde erschossen…
Schlesy: Ich find’s guten Rock’n’Roll.
Holger: „Neu“ mein ich, weil viele aktuelle Bands heute auf diesen Sound und Gesangsstil wieder abgehen: Jennifer Rostock, Mia und so.

Das sind Sternhagel aus Düsseldorf.

Schlesy: Sternhagel? Sternhagelvoll, das kenn ich…

 

The Travelling Suurbiers „Wie ein Kind“

Nochmal Berlin, diesmal Weggefährten der Ärzte mit einer wunderschönen Version dieser Sozialballade vom 85er-Album „Im Schatten der Ärzte“ – sollte eigentlich jedem Ärzte-Fan geläufig sein, oder…?

Schlesy [guckt ratlos]: Holger, jetzt bist Du dran!
Holger: Gunter Gabriel!! Haha!!
Schlesy: Nee … die Stimme ist viel zu schön! Wer hat denn schön gesungen und sozialkritische Texte gehabt?
Holger: Wolf Biermann, hahaha!!!

Ihr ward vor dem Hörspiel schon deutlich näher dran als jetzt gerade.

Schlesy: Hmm… Was hab’ ich denn vorhin gesagt? „Der wird uns schon nicht die Ärzte vorspielen.“ Oh, wie peinlich! ’Ne Ärztecoverband hat die Ärzte nicht erkannt…

Den Song hat im Original der Ex-Bassist Sahnie gesungen.

Schlesy: Von dem, was man so liest, hat der das Ganze ja mehr als Business gesehen…

… und wie ist das bei Euch?

Holger: Geld interessiert uns nicht! Obwohl: Früher haben wir für ’n Kasten Bier gespielt – heute für ’n Kasten Bier und Spritgeld!

 

Zeltinger Band „Müngersdorfer Stadion“

Die kölschen „Asis mit Niwoh“ besingen ein Stadion, das heute irgendeinen blöden Sponsorennamen trägt.
Auf jetzt! Zwei Töne, dann wisst Ihr, was das ist, jede Wette!

Holger [nach einer Minute]: Äh… wie viele Töne waren das jetzt schon? Was singt der? Münsterer Stadion?
Schlesy [flüstert]: Bläck Fööss?
Holger: Die singen was von KVB –Kölner Verkehrsbetriebe! BAP ist es … nicht.
Schlesy: Okay, es ist nicht Bläck Fööss, es ist nicht BAP, die Crackers sind’s nicht und die Straßenjungs waren aus Frankfurt.

Sagen wir, es sind die schwulen Straßenjungs von Köln.

Schlesy: Ah! Die Village People!

Nee!

Schlesy: Auf jeden Fall müssen wir uns den Song merken, den müssen wir covern!

Der Name fängt mit „Z“ an.

Schlesy: Ah, dann hat der Bandname zwei Teile: Zeltinger Band!

 

Bläck Fööss „Drink doch eine mit“

Ein Kölner kommt selten allein… es folgen die Karnevals-Kings mit einem bierseligen 72-er Charttopper – hört man auch ab und an in der Rocky Bar.

Schlesy: Das klingt ja ein bisschen wie das Titellied aus La Boum… „Reality“!
Schlesy und Holger [singen verzückt]: Und jetzt – „Dreams are my reality“…
Schlesy: Wieder Dialekt!
Holger: Wieder Köln!
Schlesy: Das könnten jetzt tatsächlich die Bläck Fööss sein. Die haben ein gutes Lied, das lief immer beim Skifahren in Österreich. Aber beim Erzhäuser Fasching lief das nicht. Auf jeden Fall sind die Bläck Fööss keine Inspirationsquelle für die Socken!
Holger: … und werden’s auch nie werden.

Wie seht Ihr Euch eigentlich in zehn Jahren? Covert ihr dann Blumfeld?

Holger: Nee – das kann ich ausschließen.
Schlesy: Sondern den Heiner-Fest-Boogie von Fred Hill – aber erst in 20 Jahren. Fred Hill hat den gleichen Bühnenspirit wie ich!

Habt Ihr noch eine Message an die Leser unseres schönen Magazins?

Schlesy: Kommt alle zu unserer Jubiläums-Show! Es wär’ schön, mal wieder alte Gesichter zu sehen!
Holger: Ja, genau – so ein Aufruf bringt wirtschaftlich mehr als ’ne tiefgründige Botschaft! Gut gemacht, Schlesy!

 

Fazit: Es tut sooo weh! Zwar haben sich die Socken achtbar geschlagen, aber durch ihre offen zur Schau getragene Profitgier alle meine Illusionen über ihre Punk-Ideale wie Seifenblasen zerplatzen lassen. Na, ich denke, ich geh’ trotzdem in die Knabenschule und schau mir eine seelenlose, bis ins Detail kalkulierte Kommerz-Show an. Für’n Kasten Bier und Spritgeld!

 

www.diestinkendensocken.de