Foto: Cem Tevetoglu

Bürgermeister Rafael Reißer fand deutliche Worte. Bezogen auf das Stadionprojekt am Böllenfalltor sagte er: „Der Prozess bis hierher hat mehr als zehn Jahre gedauert. Wir müssen jetzt aufhören, Geld zu verbrennen.“ Die Finanzierung, Planung und die Ausschreibung der Arbeiten könnten „in den nächsten acht Monaten“ abgeschlossen sein, zeigte er sich zuversichtlich.

Na, das war doch mal eine Ansage. Viel zu lange hatten schließlich Verein und Fans darauf gewartet, dass der SVD endlich eine zeitgemäße, aber dennoch zum Darmstädter Umfeld passende Spielstätte erhält. Das Blöde an Reißers Statements ist nur: Er formulierte sie bereits im Juli 2013! Damals hatte sich der Magistrat der Stadt gerade für einen Verbleib und Umbau des Stadions am Böllenfalltor ausgesprochen. Vorausgegangen war eine 2012 in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie. Als Ergebnis waren in ihr mit der Eschollbrücker Straße und Arheilgen-West zwei Alternativstandorte durchgefallen. Zu teuer, da die Stadt unter anderem gar nicht Eigentümerin der Gelände war. Das Bölle galt als gesetzt.

Die Krux blieb, dass die Stadt aus dem Böllenfalltor eine Sport- und Versammlungsstätte machen wollte. Das bedurfte eines Bauleitplanverfahrens und damit war das Kind in den Brunnen gefallen. Die benachbarte TU und einige Anwohner reichten knapp 60 Stellungnahmen ein. Die Einwände bezogen sich auf das vorgelegte Verkehrskonzept, die leidige Parkplatzsituation sowie den Schall-, Natur- und Artenschutz. Während sich die Lilien in ihrer ersten Bundesligasaison schon wacker Richtung Klassenerhalt kämpften, hieß es also in Sachen Stadionfrage wieder: alles auf Null. Dabei hätte nach ursprünglichen Planungen das neue Schmuckstück dann schon stehen können.

Foto: Cem Tevetoglu

Flugs kramten die Stadtverantwortlichen wieder die Stadtkarte heraus. Wo ließen sich potenzielle Standorte für ein ausgewachsenes, bundesligataugliches Fußballstadion finden? Pünktlich zur Vorweihnachtszeit lagen vier Pakete unter dem Weihnachtsbaum: Arheilgen, südlich der B26, Eberstadt-West und der Gehaborner Hof in Weiterstadt waren als Alternativstandorte ausgemacht worden. Wer sich mit den Örtlichkeiten auskannte, der konnte schon damals nur den Kopf schütteln. Radikale Eingriffe in den Bannwald, fehlende ÖPNV-Anbindungen und hohe Erwerbskosten ließen alle vier kaum durchsetzbar erscheinen.

Und welch Wunder. Ein halbes Jahr später, Anfang Juli 2017, war die Stadt zu derselben Erkenntnis gelangt. Damals war die Posse schon lange nicht mehr lustig. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hatte den Lilien und damit der Stadt zwischenzeitlich die Pistole auf die Brust gesetzt: Entweder die Stadionfrage werde konkreten Ergebnissen zugeführt oder die Lilien müssten weg aus dem Bölle und damit aus Darmstadt. Ein klarer Plan war nicht länger hinauszuzögern. Mit dem Eingeständnis, dass die vier Alternativstandorte allesamt untauglich seien, blieb denn auch nur noch – welch Sensation – das Böllenfalltor als naheliegende neue und alte Lösung übrig.

Foto: Cem Tevetoglu

Umbau im Bestand lautet nun die Zauberformel. Die Herzen aller Fußballtraditionalisten unter den Lilienfans schlagen höher. Die 98er werden weiterhin auf dem altehrwürdigen Areal Fußball spielen. Und doch bleibt ein bitterer Beigeschmack. Warum dieser ewig lange Prozess? Warum der Versuch, das Böllenfalltor zu einer Multifunktionsarena zu machen, wo doch absehbar war, dass die Nachbarschaft die Chance nutzen würde, ihr Veto einzulegen, zum Teil unter Bezugnahme auf geltendes Recht? Warum der zum Scheitern verurteilte Versuch, einen alternativen Standort in und um Darmstadt zu finden, der mit immensen Erschließungs- oder gar Erwerbskosten einhergehen würde? Für eine Stadt wohlgemerkt, die sich unter dem hessischen Finanz-Rettungsschirm befindet.

Egal, jetzt kann es in bester Tocotronic-Diktion nur noch heißen: Jungs, hier kommt der Masterplan! Die Zeit für einen Plan B ist (Gott sei Dank) definitiv verstrichen. Alle, die es gut mit den Lilien meinen, sind gespannt, welche konkreten Umbaupläne die Stadt als Eigentümerin des Stadions in diesem Oktober präsentiert. Die Lilien als alleiniger Mieter werden dann ebenfalls mit von der Partie sein und hoffentlich von einem belastbaren Masterplan ausgehen können, den es beherzt umzusetzen gilt. Vorausgesetzt die DFL hebt nach genauem Studium ihren Daumen. Dann könnten die Lilien wenigstens 2021 das 100-jährige Stadionjubiläum in einem neuen und dem Verein sowie seinen Fans gerecht werdenden Bölle begehen. Mit reichlich Stehplätzen für ein stimmungsvolles Stadion, so wie es in Freiburg jetzt umgesetzt wird. Vielleicht können sich Stadt und Verein in Darmstadt die ein oder andere Anregung zur Ausgestaltung bei den sehr sehenswerten Entwürfen von Architekturstudenten der TU Darmstadt holen. Diese hatten sich im Auftrag des SVD schon einmal mit einem Umbau des Böllenfalltorstadions befasst. Damals, im Jahr 2002!

 

Alle Spiele, alle Tore

Fr, 29.09., 18.30 Uhr: FC Ingolstadt 04 – SVD

Mo, 16.10., 20.30 Uhr: SVD – 1.FC Nürnberg

Fr, 20.10., 18.30 Uhr: Fortuna Düsseldorf – SVD

Sa, 28.10., 13 Uhr: SVD – Holstein Kiel

Sa, 04.11., 13 Uhr: Eintracht Braunschweig – SVD

www.sv98.de