Foto: Johanna Steinmann

Sport, der in Darmstadt betrieben wird und – Trommelwirbel – nicht Fußball ist? Vor lauter Lilienfieber ist’s ein bisschen in den Hintergrund geraten, aber: Jawohl, das gibt’s. Hier stellen wir sie vor, die Sportarten, die (noch) nicht von einem großen Publikum bejubelt werden. Zum Beispiel, weil sie bislang kaum jemand kennt. Oder weil sie eben einfach zu speziell sind, um die Massen zu begeistern. Oder vielleicht, weil man lieber unter sich bleibt? Wir gucken uns das für Euch aus der Nähe an. In dieser Ausgabe: Lacrosse.

Diesmal teste ich einen echten Mädchensport, dachte ich zumindest. Lacrosse kannte ich bisher nur aus typischen Mädchen-Serien wie „Hanni und Nanni“. Tatsächlich ist das Lacrosse-Team in Darmstadt dringend auf der Suche nach Mitspielerinnen, denn es sind aktuell nur wenig Frauen, die regelmäßig zum Training kommen. Bei den Männern herrschte hingegen mit circa 20 Spielern reger Betrieb.

Ich werde freudestrahlend empfangen und Desna, die an dem Tag das Training leitet, stellt mich zwei motivierten Anfängerinnen vor. Zuerst werfen wir uns den Ball zu zweit zu und versuchen, ihn mit dem Schläger wieder zu fangen. Das Werfen klappt schon ziemlich gut, mit dem Fangen habe ich anfangs größere Schwierigkeiten.

Nicht Tennis, nicht Hockey

Der Lacrosse-Schläger nennt sich „Stick“ und hat am oberen Ende ein flaches Netz, das „Pocket“ genannt wird. Der Schläger ist leicht und handlich, trotzdem erfordert der Umgang mit Stick und Ball ein bisschen Übung. Aufgrund seines Aussehens wird wohl gerne darüber gespottet, dass die Lacrosse-Spieler Schmetterlinge fangen wollen. Dabei handelt es sich um sehr viel sportlichere Ambitionen, wie man im Training schnell merkt.

Um den Ball zu fangen, wird der Schläger ausgestreckt nach vorne gehalten, wobei das Netz nach unten hin geöffnet ist. Der Schläger geht dann mit der Flugbahn des Balles mit. Nach einigen vergeblichen Versuchen klappt es plötzlich und ich habe den Ball im Netz. Als Rechtshänderin wird diese Übung dann zur erneuten Herausforderung, wenn der linke Arm benutzt wird. Beim Spiel darf der Schläger nämlich in einer beliebigen Hand gehalten und diese auch gewechselt werden. Wenn das Fangen nicht klappt, muss man den Ball vom Boden ins eigene Netz bekommen, um ihn weiterspielen zu können. Dazu wird der Stick wie eine Schippe verwendet und der Ball zappelt, ebenfalls mit etwas Übung, im Netz. Der Einsatz der Hände ist beim Lacrosse verboten.

Der Hartgummi-Ball ist übrigens wie sein Name verrät sehr robust, besonders wenn er mit voller Kraft aus dem Schläger geschleudert wird. Daher empfehlen sich verschiedene Schutzmaßnahmen wie Mundschutz und auch eine Brille mit Gittern vor den Augen. Verpflichtend ist für die Damen allerdings nur der Mundschutz. Verschiedene andere Protektoren – beispielsweise für Arme und Hände – werden hauptsächlich bei den Herren verwendet, da es sich beim Herren-Lacrosse um einen Vollkontaktsport handelt. Für die Männer empfiehlt es sich zudem, einen Tiefschutz zu tragen.

Kein Training für Schüchterne

Wir laufen uns ein und üben dabei das „Gradeln“, das dafür sorgt, dass der Ball im Netz bleibt. Dabei wird der Ball im Lauf vor dem Gesicht drehend im Netz balanciert. Der Schläger wird dazu in einer Drehung zwischen Schulter und Kopf bewegt. Hört sich komplizierter an als es ist, die Bewegung hilft einfach dabei, den Ball auch im Laufen transportieren zu können.

Die Beine sind nach kurzen Sprints und Aufwärmübungen warm und ich will endlich loslegen. Die Jungs auf dem Nachbarfeld sind schon lautstark am Passen und Werfen. Wir fangen ebenfalls mit Passübungen an, dabei laufen immer zwei Spielerinnen aufeinander zu. Wir versuchen erst einmal nur den Ball zu passen beziehungsweise zu fangen. Dafür kommt das vorhin gelernte Gradeln zum Einsatz. Man muss übrigens immer Bescheid geben, wenn man bereit ist, den Ball zu empfangen. Dazu schreit man: „here / ich / bereit“. Oder was einem sonst gerade einfällt. Dieses akustische Zeichen ist im Spiel sehr wichtig, um die Mitspielerinnen auf sich aufmerksam zu machen.

Die nächste Aufgabe ist es, den Ball auf den Boden zu werfen, damit er von einer Mitspielerin im Lauf aufgesammelt werden kann. Ist der Ball auf den Boden, ruft man laut: „ball down“. Dieses Signal wird auch im Spiel verwendet. Beim Aufheben des Balls wird noch einmal geübt, den Ball ins Netz zu bekommen. Auch bei den restlichen Übungen signalisiert man seine Einsatzbereitschaft durch Rufen. Lacrosse ist kein Sport für Schüchterne, denn ohne die Rufe und das Engagement, den Ball fangen zu wollen, kommt kein Spiel in Gang.

Attacke aufs Tor

Dann endlich üben wir Torschüsse. Übung im Werfen und Fangen haben wir jetzt schon etwas. Desna wirft uns nun Bälle zu. Wir versuchen, diese nacheinander zu fangen und ins Tor (oder in dessen Richtung) zu werfen. Da während des Trainings niemand als Torhüter herumstehen soll, ist das Tor mit einer Plane versehen, die rundherum Einsparungen hat. So wird trainiert, nur in die Ecken beziehungsweise an den Rand des Tores zu werfen, da die Mitte normalerweise vom Torhüter bewacht wird. Das Werfen – und auch immer mehr das Fangen – machen mir jetzt richtig Spaß und ich bin fast etwas enttäuscht, als wir in Teams eingeteilt werden, um Angriffe zu üben.

Wieder treten wir zu zweit gegeneinander an, eine versucht das Tor zu treffen, die andere den Ball zu bekommen. Frauen müssen beim Lacrosse einen größeren Abstand zur Gegnerin einhalten als das beim Männer-Lacrosse der Fall ist. Uns wird erklärt, wir sollten uns vorstellen, einen Baum zu umarmen – und diesen Abstand halten wir dann zu den Gegnerinnen ein. Lacrosse ist nur bei den Herren ein Körperkontakt-Sport, das war mir vor dem Training nicht ganz klar. Die erfahrenen Spielerinnen berichten, dass bei Spielen ständig abgepfiffen wird, da nicht genug Abstand eingehalten wurde und man sich dann auch nicht mehr weiterbewegen darf.

Wir versuchen jetzt erst mal den Ball Richtung Tor zu werfen, beziehungsweise die Gegnerin davon abzuhalten, dies zu tun. Der Stick der anderen darf nicht einfach mit der Hand weggestoßen werden, ein gezielter Schlag auf den Schläger ist aber erlaubt – in der Hoffnung, den Ball so aus dem Netz zu katapultieren.

Während der letzten halben Stunde des Trainings versuchen wir dann noch ein Trainingsspiel, was mit der recht kleinen Anzahl an Spielerinnen leider nicht richtig in Gang kommt. Einige spielen heute zum ersten Mal und wir sind noch unsicher mit den Bewegungen und Spielabläufen. Es fühlt sich aber trotzdem gut an, die gelernten Techniken umzusetzen und zu merken, welche Fortschritte man innerhalb einer so kurzen Zeit gemacht hat. Der zunächst ungewohnte Schläger ist ein bisschen zur Verlängerung des Arms geworden und ich kann mir vorstellen, wie viel Spaß es machen muss, wenn man nach einigen Trainingseinheiten gegen echte Gegnerinnen antritt. Also auf zum Lacrosse, liebe Damen (gilt natürlich auch für alle Männer)!

Der Hartgummi-Ball muss übrigens auch super zur (Selbst-) Massage – zum Beispiel gegen Rückenschmerzen – geeignet sein. Bei der Recherche zu diesem Artikel bin ich immer wieder auf Tipps zur Massage mit dem Lacrosse-Ball gestoßen. Ein vielseitiger Sport also!

 

Mitmachen

Wer Interesse an Lacrosse bekommen hat, kann einfach zu einem Schnupper-Training kommen. Für Anfänger stehen dort auch Lacrosse-Schläger zur Verfügung, es empfiehlt sich nach einiger Zeit, aber einen eigenen zu kaufen. Ansonsten benötigt man für den Anfang nur Sportkleidung, die dem Wetter angepasst ist, denn es wird bei jedem Wetter draußen auf dem Kunstrasenfeld des Hochschulstadions trainiert. Alle Infos zu den Trainingszeiten findet Ihr auf der Website des Unisportzentrums

Lacrosse wird in Darmstadt nur als Hochschul-Gruppensport angeboten. Da es keinen Darmstädter Verein gibt, fahren die Spieler hauptsächlich zu Turnieren anderer Hochschulgruppen.

Für Fragen stehen die Trainer auch per E-Mail zur Verfügung: lacrossedarmstadt@gmail.com.

 

Lacrosse-Regeln kurz und knapp

Von seiner nordamerikanischen Herkunft als Vorbereitung auf Kriege ist heutzutage nichts mehr zu spüren im Lacrosse. Sportliche Regeln erlauben ein faires Spiel, diese Regeln sehen bei Herren und Damen allerdings unterschiedlich aus:

Die Damenmannschaften spielen mit je zwölf Spielerinnen zweimal 30 Minuten. Nur die „stick checks“, also Angriffe der Gegner auf den Schläger der anderen, sind erlaubt. In Deutschland gibt es bisher zwei Ligen, national wird oftmals nur zu zehnt gespielt, da es zu wenige Spielerinnen gibt.

Die Männer spielen zu zehnt gegeneinander: ein Torwart und je drei Angreifer, Verteidiger und Mittelfeldspieler. Ein Spiel ist in Viertel von jeweils 20 Minuten unterteilt. Bei den Männern sind neben „stick checks“ auch Bodychecks erlaubt. Es gibt in Deutschland bisher vier Ligen.

Auch der Anstoß ist je nach Geschlecht unterschiedlich: Beim „face off“ der Männer versuchen zwei Spieler, den vor ihnen liegenden Ball aus der Mitte rauszuspielen. Bei den Frauen stehen sich für den „draw“ zwei Spielerinnen gegenüber. Zwischen ihren Schlägern in den Netzen befindet sich der Ball, den sie durch eine gemeinsame Bewegung der Arme nach oben versuchen, zu ihrem Team zu katapultieren.