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Vor 50 Jahren erblickte die 2. Bundesliga das Licht der Welt. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wollte die sportliche und wirtschaftliche Lücke zwischen der Bundesliga und den fünf Regionalligen darunter verringern. Zu den Gründungsmitgliedern der damals noch zweigleisigen 2. Bundesliga (mit je einer Nord- und Südstaffel) gehörten die Lilien aus Darmstadt. Im März 1975 ging ihr Blick allerdings nach unten, denn sie drohten in den Abstiegskampf gezogen zu werden. Parallelen zu heute?

Das Premierenspiel der 2. Bundesliga stieg am Abend des 2. August 1974 im Saarbrücker Ludwigspark. Der Gegner der Saarländer war Darmstadt 98. Den Lilien blieb es also vorbehalten, ein wichtiges Kapitel des deutschen Fußballs zu eröffnen. Nach 90 Minuten fuhren die Heiner allerdings mit einer 0:1-Niederlage zurück nach Südhessen. Für den FCS hatte ausgerechnet ein Spieler getroffen, der vor der Saison vom ewigen 98er-Rivalen Offenbacher Kickers dorthin gewechselt war: Nikolaus Semlitsch. Aufseiten der Saarländer debütierte darüber hinaus ein 21-Jähriger namens Felix Magath. Der spätere Nationalspieler und Meistertrainer war aus dem nahe gelegenen Aschaffenburg zum 1. FC Saarbrücken gewechselt.

Sicher qualifiziert und erste Punkte

Nur eine Woche später fuhren die 98er die ersten Zähler ihrer Zweitliga-Geschichte ein. Mit 2:0 besiegten sie die Stuttgarter Kickers, einen der kommenden Dauerrivalen in der 2. Liga. Bei den Lilien waren mit Keeper Dieter Rudolf, Rekordspieler Edwin Westenberger, Willi Wagner, Manfred Drexler, Hansi Lindemann und Walter Bechtold wichtige Spieler an Bord, die vier Jahre später den Erstligaaufstieg feiern sollten. Doch bis es so weit war, lautete die oberste Prämisse, sich in der Südstaffel der zweigleisigen 2. Bundesliga zu etablieren. 20 Klubs aus den beiden Regionalligen Südwest und Süd hatten sich mittels eines Punktesystems für die 2. Liga Süd qualifiziert. Die Lilien waren aufgrund mehrerer Spitzenplatzierungen der Vorjahre gesetzt. Ihr Premierengegner aus Saarbrücken musste sich hingegen in die Zweitklassigkeit klagen. Der DFB hatte zunächst dem pfälzischen Dorfklub aus Alsenborn den Vortritt gelassen. Das juristische Hickhack, aus dem Saarbrücken als Sieger hervorging, führte dann jedoch dazu, dass vor dem Spiel gegen Darmstadt eine Bombendrohung bei den Saarländern einging und die Lilien von Polizisten in Zivil zum Auswärtsspiel begleitet wurden.

Die Abstiegszone rückt näher

In der neuen Liga fassten die 98er jedenfalls schnell Fuß. Mehrere Siege spülten sie bis auf Rang zwei, bevor sie im Herbst durchwachsene Ergebnisse und mehrere Niederlagen aneinanderreihten. Zum Beginn der Rückrunde waren die Lilien jedenfalls ins graue Mittelfeld abgerutscht und weitere Niederlagen gegen diverse Kellerkinder später drohte der SVD Anfang März plötzlich von den Abstiegsplätzen aufgesaugt zu werden. Nach einer 2:3-Niederlage beim FC Homburg rangierten die Südhessen zwar noch auf Platz 13, lagen aber nur drei Punkte vor der SpVgg Fürth auf dem ersten Abstiegsplatz 17. Bei den Lilien gab man sich allerdings gegenüber Medienvertretern nicht nervös. Ursache der Misserfolge wäre eine veritable Grippewelle, die den Kader gehörig ausgedünnt hatte. Zudem kehrte Goalgetter Rudi Koch gerade erst wieder aus einer längeren Verletzung zurück. Parallelen zum aktuellen SVD sind damit nicht von der Hand zu weisen. Auch im Januar und Februar 2025 war der Kader von Coach Florian Kohfeldt durch Erkältungen und Verletzungen gewaltig dezimiert. Anno 1975 äußerte sich Führungsspieler Rudi Koch nach dem Homburg-Spiel im „kicker“ zuversichtlich, dass „wir besser als auf dem zehnten Platz abschneiden“ werden.

Vorentscheidender März

Seine Zuversicht war begründet. Schon beim nächsten Heimspiel gegen die SpVgg Bayreuth gingen die Lilien mit 4:1 als Sieger hervor. Der „kicker“ attestierte zwar wenig Spielfluss und Tempo im Spiel der 98er, „aber Linie und vor allem der Wille zum Sieg, das Drängen nach vorn, waren unverkennbar“. Auf die Willensleistung folgte eine Woche später eine Pflichtaufgabe beim Tabellenletzten Worms. Das bereits genannte Fußballfachmagazin sah die Darmstädter „sehr lauffreudig, geschickt im Spiel ohne Ball“, sodass sie viele Fehlpässe der Wormser erzwangen und letztlich glanzlos, aber souverän mit 1:0 gewannen. Den vorentscheidenden März beschlossen die Lilien mit einem 2:0 gegen Tabellennachbar Augsburg. Der „kicker“ berichtete von einem verdienten Sieg mit einem starken Mittelfeld, zudem von „mannschaftsdienlicher Disziplin eines jeden Spielers und der Kampfkraft bei guten läuferischen Qualitäten“. Ende März 1975 hatte sich der SVD somit auf Position 9 nach vorne gearbeitet und bei der damaligen Zweipunkteregel ein Sechs-Punkte-Polster mit deutlich besserem Torverhältnis zur Abstiegszone geschaffen. Das Selbstvertrauen war wieder da. Hinsichtlich der 98er von heute kann man da nur sagen: bitte nachmachen! Denn auch in diesem Jahr werden im März gegen Magdeburg, Karlsruhe, Köln und Ulm die Weichen für den Schlussspurt gelegt.

Dank Klassenerhalt in der Premierensaison: etabliert und erfolgreich

Vor 50 Jahren profitierte der SVD jedenfalls vom ertragreichen März. Anschließend holte ein gefestigtes Team aus den letzten Spielen vier Siege, vier Remis und drei Niederlagen. Am Ende erreichte Darmstadt fast die von Rudi Koch vorhergesagte Tabellenplatzierung: Nur eine Position hinter dem von ihm prognostizierten Rang 9 lagen die Lilien schlussendlich neun Punkte vor der Abstiegszone und neun Punkte hinter den Aufstiegsplätzen. Die 98er waren in der neuen Liga angekommen und schwangen sich in den Folgejahren zu einem Aufstiegskandidaten auf. Über viele Jahre war der SV Darmstadt 98 damals Stammgast in der 2. Bundesliga – und ist es nach langer Abwesenheit inzwischen wieder. Nur sieben Klubs können auf mehr Zweitligaspielzeiten verweisen. Wollen wir hoffen, dass die Lilien in der nächsten Saison in ihre 26. Spielzeit starten. Dann würden sie zu Fortuna Köln und zum VfL Osnabrück aufschließen.

 

Auf geht’s, Lilien – kämpfen und siegen!

So, 2.3., 13.30 Uhr: 1. FC Magdeburg – Darmstadt 98

Fr, 7.3., 18.30 Uhr: Darmstadt 98 – Karlsruher SC

Sa, 15.3., 20.30 Uhr: 1. FC Köln – Darmstadt 98

Fr, 28.3., 18.30 Uhr: SSV Ulm 1846 – Darmstadt 98

sv98.de

 

Matthias und der Kickschuh

Seit Ende 2011 schreibt Kickschuh-Blogger Matthias „Matze“ Kneifl über seine große Leidenschaft: den Fußball. Gerne greift er dabei besonders abseitige Geschichten auf. Kein Wunder also, dass der studierte Historiker und Redakteur zu Drittligazeiten begann, über die Lilien zu recherchieren und zu schreiben. Ein Resultat: das Taschenbuch „111 Gründe, den SV Darmstadt 98 zu lieben“, das (auch in einer erweiterten Neuauflage 2019) im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen ist. Zudem führt er seit einigen Jahren Interviews für den „Lilienkurier“. Genau der richtige Mann also für unsere „Unter Pappeln“-Rubrik!

kickschuh.blog