Foto: Cora Trinkaus

Von der Heidelberger Straße geht’s ab Richtung Osten, die Moosbergstraße hinauf. Hier beginnt der schönste Teil Bessungens, denn hier reihen sich einige alte Häuserfassaden aus dem Jugendstil und der Gründerzeit aneinander. Was sich hinter den Fassaden in den Innenhöfen verbirgt, erschließt sich dem vorbeilaufendem Spaziergänger aber leider nur selten.

In einem dieser Innenhöfe verbirgt sich ein malerischer Garten mit saftig grüner Wiese, eingerahmt von einigen Obstbäumen, Büschen und Hecken. Als Simone Ruths 2008 auf Wohnungssuche ging, war dies die erste Wohnung, die sie sich ansah. Sie war angetan von dem schönen Garten und schlug sofort zu: „Ich dachte mir: So etwas findest Du nie wieder.“ Mittlerweile lebt sie hier schon seit 14 Jahren. Zusammen mit ihrem neunjährigen Sohn Vincent.

Ihre Kindheit verbrachte Simone in einem kleinen Dorf im Odenwald. Hier hatte ihre Oma einen Bauernhof mit Tieren. „Alles spielte sich draußen ab. Als Kind war das wirklich traumhaft“, erinnert sie sich. Später als Jugendliche zog es sie eher in die Stadt und sie wusste schon damals: „Wenn ich irgendwo wohnen will, dann in Darmstadt.“ Ihren heutigen Kiez lernte sie schon als Kind kennen, denn ihre anderen Großeltern lebten in selbiger Straße am anderen Ende.

Foto: Cora Trinkaus
Foto: Cora Trinkaus

Von der Puppenwerkstatt zur Traumwohnung

„Früher, von ungefähr 1980 bis 1990 war das hier keine Wohnung, sondern die Puppenwerkstatt vom Kikeriki Theater“, erzählt Simone. An manchen Stellen sah man noch den alten dunkelroten Boden. Im heutigen Wohnzimmer wurden damals auch Aufführungen für Kinder gegeben. Später wurden die Räume dann zur Wohnung umgebaut.

Nach ihrem Einzug wurde als Erstes die Küche erneuert, dann folgte nach und nach der Rest der Wohnung. Zusammen mit ihrem Vater, der Schlosser ist, fertigte Simone Metallmöbel im Wintergarten an. Der ist heute ein heller, lichtdurchfluteter Raum, der vielseitig genutzt wird. Mal dient er als Malatelier für sie und ihren Sohn, mal als Schlafraum für Gäste – oder einfach für einen geselligen Abend mit Freunden. „Im Sommer haben wir hier schon mit elf Leuten im Wintergarten gesessen“, erinnert sich die Bessungerin. „Es ist so ein kleiner Wunderraum“, schwärmt sie.

Die ganze Wohnung ist stilvoll eingerichtet. Moderne Möbel kombiniert Simone mit Vintage-Stücken und einigen Kunstwerken. Ein Gemälde ihres Großvaters steht neben dem Fernseher und zeigt eine alte Straßenansicht der Moosbergstraße. Im Wohnzimmer über dem Sideboard: ein riesiges Schwarz-Weiß-Porträt von Mick Jagger, darunter ein Plattenspieler, auf dem Boden die dazugehörige Plattensammlung. Über dem Sofa prangt ein überdimensional großes Abbild einer bekannten Fotografie von David Bowie. Während der Pandemie, erzählt sie, fing sie wieder an zu malen. Zusammen mit ihrem Freund Michael. Es entstanden einige großformatige, oft zwei Meter hohe Bilder von Pop-Ikonen – mehrere von Patti Smith. „Da ich ein großer Patti-Smith-Fan bin, wollte ich sie unbedingt malen“, erklärt Simone. Gemalt wird gemeinsam auf riesigen, alten Fahrradkartons – so findet auch der Verpackungsmüll eine sinnvolle, neue Verwendung. Das Künstlerduo nennt sich „rosamiko“ und stellt aktuell im Darmstädter Friseursalon „N2“ aus.

Foto: Cora Trinkaus
Foto: Cora Trinkaus
Foto: Cora Trinkaus

Kreative Wege

Die zwei Akustik-Gitarren im Wohnzimmer geben Hinweise auf ihre frühere musikalische Leidenschaft. Denn Simone war bis vor zehn Jahren als Singer/Songwriterin alias „rosa schnee“ aktiv. Neben ihrer Arbeit im Marketing für Außenwerbung suchte sie damals einen kreativen Ausgleich. Heute findet sie den in ihrer Arbeit als selbstständige Grafik-Designerin, die sie seit 2010 ausübt. Als damals das Marketingunternehmen nach Koblenz umzog, gab ihr damaliger Chef ihr die einmalige Chance, weiterhin von zu Hause aus mitzuarbeiten. Aber nicht im Marketing-Bereich, sondern als Designerin. Er erkannte ihr Potenzial, da Simone bereits das ein oder andere Plakat im Unternehmen entworfen hatte und wollte sie fördern. Rückblickend betrachtet das Beste, was ihr passieren konnte: „Es hat mein Leben so verändert. Wenn du plötzlich etwas machst, was du eigentlich machen willst. Jetzt mache ich einen Job, der mir jeden Tag Spaß macht, wo ich mich voll verausgaben kann. Dafür bin ich meinem ehemaligen Chef sehr dankbar. Es ist wichtig, dass man Menschen im Leben trifft, die an einen glauben, die dein Potenzial sehen“, sagt sie bewegt.

Von ihrem ersten Geld aus selbstständiger Tätigkeit wollte sich Simone etwas Besonderes gönnen und kaufte sich eine kleine Sauna. Diese steht nun in einer Ecke im Schlafzimmer und wird seitdem häufig genutzt, erzählt sie begeistert.

Mittlerweile gestaltet Simone vermehrt Bücher. Zuletzt ihr eigenes Backbuch „Pâtisserie de luxe“, was sie zusammen mit ihrer Freundin Franziska König herausbrachte und im März erschienen ist. Ein Buch über kleine Törtchen und ausgefallene Kuchen. Vom Kokos-Brombeer-Törtchen zum Apfel-Mohn-Kuchen, mit Aquarell-Illustrationen und Geschichten aus dem Odenwald. Das nächste Buch sei schon in Planung, verrät sie, während wir vom Wintergarten aus in den üppig grünen Garten blicken.

Foto: Cora Trinkaus
Foto: Cora Trinkaus
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Der Garten

Es ist ein Gemeinschaftsgarten. Doch nur Simone hat über ihre kleine Terrasse via schmaler Metallbrücke direkten Zugang zum Garten. „Als Vincent klein war, war es super mit Garten. Wir hatten hier einen Sandkasten und eine Schaukel. Auch während der Lockdowns war es ein Traum“, ergänzt sie. Die Kinder aus der Nachbarschaft treffen sich oft zum Spielen im Garten. Kleine Trampelpfade verbinden die einzelnen Gärten. Hier wurden schon Theaterstücke der Kinder aufgeführt und während der Hochphase der Pandemie diente der Rasen als Fußballfeld und Outdoorpark mit kleinen Schanzen für Roller. „Danach war der Rasen nicht mehr zu erkennen, alles braun“, erzählt Simone lachend. Mittlerweile erstrahlt er wieder in saftigem Grün.

Die Früchte der Obstbäume – darunter Kirsche, Apfel, Mirabelle, Feige und Pflaume – wurden früher alle zu Marmelade eingekocht, erinnert sie sich. Dazu wurden Etiketten designed mit dem Titel „Frau Moosbergers Marmelade“. Nun mache sie aber nur noch Mirabellen- und Pflaumen-Marmelade.

Den Garten möchte Simone nicht mehr missen: „Es ist schön, ihn zu beobachten – wie alles wächst und sich mit den Jahreszeiten verändert.“ Im Sommer wächst der Wein neben der Terrasse zu einem grünen Vorhang. Dann baumelt sie gerne im Hängesessel in ihrer kleinen grünen Oase. „Das ist sehr entspannend, wenn man mal ein bisschen Pause braucht“, sagt sie – und lächelt zufrieden.

 

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