Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Da hat sich einer heimlich, still und leise nach vorne gearbeitet. So weit, dass er inzwischen bei der Anzahl der Spiele zahlreiche Lilienlegenden hinter sich gelassen hat. Die Rede ist von Fabian Holland, 98er-Kapitän und auf der Linksverteidigerposition seit Jahren nicht mehr wegzudenken. Inzwischen hat er über 220 Partien für den SVD absolviert.

Seine Premiere im Trikot der 98er feierte der inzwischen 31-Jährige am 7. Spieltag der Zweitligasaison 2014/15. Am 24. September 2014 hatte sich der damalige Leihspieler von Hertha BSC zunächst wie üblich auf der Ersatzbank der 98er eingefunden. Doch nur 22 Minuten später musste er recht unvermittelt ran. Der etatmäßige Linksverteidiger und heutige Teammanager Michael Stegmayer stand kurz vor einem Platzverweis. Etwas, das Coach Dirk Schuster vermeiden wollte. Stegi also raus, Fabi rein. Was an jenem Mittwochabend noch keiner wissen konnte: Es war ein Wechsel mit Folgen. Der über viele Jahre gesetzte Stegmayer sollte nur noch zweimal von Beginn an ran dürfen, bevor er anderthalb Jahre später seine Karriere beendete. Holland hingegen, der am sogenannten Wolff-Parkinson-White-Syndrom leidet, spielte sich hinten links fest. Bei der Erkrankung handelt es sich um eine leichte Herzrhythmusstörung, wegen der er sich bereits zweimal einem operativen Eingriff unterziehen musste. Zuletzt 2017.

Erster Gegenspieler: Vincenzo Grifo

Der Gegner beim Premierenauftritt im Lilientrikot war übrigens der FSV Frankfurt. Hollands Gegenspieler war ein gewisser Vincenzo Grifo, heute gestandener Bundesligaprofi und italienischer Nationalspieler. Die Kontrahenten aus der Bankenmetropole sahen an jenem Septemberabend am Bölle aber kein Land. Mit 4:0 schickten sie Aytaç Sulu & Co. nach Hause. Dass die Blau-Weißen am Ende der Saison in die Bundesliga einziehen sollten, war bei Hollands Debüt nicht absehbar. Genau so wenig wie sein Aufstieg zur Stammkraft. Doch der gebürtige Berliner biss sich fest und feierte auf den Tag genau acht Monate nach seiner ersten Partie den Erstligaaufstieg mit seinen Lilien. Der persönliche Lohn: Der SVD verpflichtete ihn fest.

Klassenerhalt beim alten Klub

In den beiden darauffolgenden Bundesligaspielzeiten verpflichteten die Lilien zunächst Júnior Díaz und dann Leon Guwara als Konkurrenz für Holland. Der ehemalige Juniorennationalspieler wusste sich jedoch gegen die beiden durchzusetzen. Besonders emotional war für Holland der besiegelte Klassenerhalt im Mai 2015, den er mit den 98ern bei seinem Ausbildungsverein Hertha BSC feiern durfte. Und auch wenn es 2016 für die Lilien wieder zurück in Liga zwei ging, Holland blieb an Bord. Ganz gleich, welcher Konkurrent für hinten links verpflichtet wurde, ganz gleich, welcher Trainer an der Seitenlinie stand, er blieb eine Konstante im Spiel des SVD. In den letzten fünfeinhalb Jahren verpasste der Dauerbrenner lediglich elf Zweitligaspiele. Knodderten in seiner Anfangszeit Fans immer mal wieder über seine arg unauffällige Spielweise und auch den ein oder anderen Fehler, so wird er heute zumeist für seine sehr soliden Leistungen gelobt. Er ist zudem ungemein ausgebufft und weiß wie kaum ein Spieler im Lilienkader durch geschicktes Abschirmen des Balles, ein Foul zu ziehen. Treffsicher agiert er auch noch, zumindest in Elfmeterschießen – wie in diesem Jahr in Kiel und bei 1860 München. Apropos Elfmeter. Gegen Ingolstadt holte er gleich zwei raus, bei denen seine Stürze streng genommen noch nicht einmal als Schutzschwalben hätten durchgehen dürfen.

Vielseitig einsetzbarer Kicker

Doch er kann natürlich auch kicken. Und zwar so gut, dass ihn Chefcoach Torsten Lieberknecht schon ein paar Mal im defensiven Mittelfeld einsetzte. Im Wechsel mit Emir Karic übt er immer wieder auch den offensiveren Part auf der linken Seite aus. Mitunter taucht er bei Angriffen sogar zentral vor dem gegnerischen Tor auf. Sein Sonntagsschuss im Spiel gegen Werder zeigt zudem, dass er auch über eine ordentliche linke Klebe verfügt. Nach dem Abgang von Aytaç Sulu vor rund drei Jahren stieg der Familienvater zum Mannschaftskapitän auf. Er mag zwar nicht der Lauteste auf dem Feld sein, verfügt aber als einer der dienstältesten Spieler und Leistungsträger über eine natürliche Autorität. In einem Team wohlgemerkt, dass derzeit die 2. Bundesliga rockt. Trotz coronabedingt mühseligem Saisonbeginn hat sich der neuformierte Kader rasch gefunden und die obligatorische Herbstkrise mit teilweise spektakulären Ergebnissen einfach ausfallen lassen. So darf es gerne weitergehen.

Einer der Rekordspieler – und Vereinsmitglied

Weitergehen darf und wird es für Holland auch in der vereinsinternen Rangliste der Rekordspieler. Der 4:2-Sieg auf Schalke war für ihn das 220. Spiel im Lilientrikot. Damit zog er laut transfermarkt.de mit dem unvergessenen und an Position neun liegenden Wilhelm Huxhorn gleich. „Zieh, Wilhelm, zieh“ hütete in den 1980er- und frühen 1990er-Jahren das Tor und traf einmal gar höchstpersönlich per Abschlag gegen Fortuna Köln. Verläuft die aktuelle Spielzeit ohne Sperren und Verletzungen, wird Holland auch Freddy Heß und Gerhard „Kleppo“ Kleppinger überholen. Im Idealfall schnappt er sich sogar den aktuell sechstplatzierten Rafael Sanchez. Und auch nach dieser Saison bleibt der Fabi im wahrsten Sinne des Wortes am Ball. Im November verlängerte er seinen Vertrag bei den 98ern vorzeitig bis ins Jahr 2024. Kein Wunder, schließlich ist der Captain seit August stolzes Vereinsmitglied. Ein Akt mit Signalwirkung, will der SVD doch in dieser Saison die 10.000-Mitglieder-Marke knacken. Und wer bis Silvester Klubmitglied wird, dem ist Fabi Holland bald ganz nah. Schließlich sollen die Namen derjenigen, die bis dahin Mitglieder sind, im Spielertunnel der neuen Haupttribüne verewigt werden. Wenn das mal nichts ist. Mehr Infos gibt’s online unter wirlilien.de.

 

Geht der Lilien-Wahnsinn weiter?

Fr, 03.12., 18.30 Uhr: SV Darmstadt 98 – Fortuna Düsseldorf

Sa, 11.12., 13.30 Uhr: SC Paderborn – SV Darmstadt 98

So, 19.12., 13.30 Uhr: SSV Jahn Regensburg – SV Darmstadt 98

Sa, 15.01.22, 20.30 Uhr: SV Darmstadt 98 – Karlsruher SC

Sa, 22.01.22, 13.30 Uhr: FC Ingolstadt 04 – SV Darmstadt 98

sv98.de

 

Matthias und der Kickschuh

Seit Ende 2011 schreibt Kickschuh-Blogger Matthias „Matze“ Kneifl über seine große Leidenschaft: den Fußball. Gerne greift er dabei besonders abseitige Geschichten auf. Kein Wunder also, dass der studierte Historiker und Redakteur zu Drittligazeiten begann, über die Lilien zu recherchieren und zu schreiben. Ein Resultat: das Taschenbuch „111 Gründe, den SV Darmstadt 98 zu lieben“, das (auch in einer erweiterten Neuauflage 2019) im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen ist. Seit Juli 2016 begleitet Matthias gemeinsam mit vier Mitstreitern die Lilien im Podcast „Hoch & Weit“. Genau der richtige Mann also für unsere „Unter Pappeln“-Rubrik!

kickschuh.blog