Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Sport, der in Darmstadt betrieben wird, und – Trommelwirbel – nicht Fußball ist? Vor lauter Lilienfieber ist’s ein bisschen in den Hintergrund geraten, aber: Jawohl, das gibt’s. Hier stellen wir sie vor, die Sportarten, die (noch) nicht von einem großen Publikum bejubelt werden. Zum Beispiel, weil sie bislang kaum jemand kennt. Oder weil sie eben einfach zu speziell sind, um die Massen zu begeistern. Oder vielleicht, weil man lieber unter sich bleibt? Wir gucken uns das für Euch aus der Nähe an. In dieser Ausgabe: Pole Dance.

Erster Gedanke, wenn der Begriff „Pole Dance“ fällt? „Uh, das machen doch Stripperinnen. Ganz schön sexy!“ Viele, denen ich sage, dass ich zu einem Pole-Dance-Schnupperkurs gehe, reagieren ähnlich. Was stimmt: Es ist ein Dance, den auch Stripperinnen tanzen. Und sexy ist er allemal. Doch er beinhaltet noch so viel mehr: Akrobatik, Ästhetik, Dynamik, ein Ganzkörper-Workout. Schließlich ist Pole Dance – wie jeder andere Tanz – Sport. Und genau das habe ich in dem Schnupperkurs von „Unique Pole Art“ in Darmstadt selbst erlebt.

Die Choreografie kann beginnen

Als ich im Studio ankomme, sehe ich zunächst schwarz-rote Wände und anstatt Stangen, an denen Menschen elegant tanzen, in einem Ring boxende und kämpfende Männer. Ich schaue mich ein bisschen um, bis mir eine Frau im weißen T-Shirt mit der rosa Aufschrift „Unique Pole Art“ entgegenkommt: Stephi! Zusammen mit einer Freundin hatte sie die Idee, Pole Dance in Darmstadt anzubieten – and here it is. Sie sammelt alle für den Schnupperkurs ein. Anscheinend ist das Pole-Dance-Studio etwas versteckt. Und die Wände dieses Studios sind das komplette Gegenteil des Box-Bereiches: Hier ist alles weiß und rosa.

Für das Training ziehen wir uns bis auf ein kleines Top und eine kurze Hose aus. Beim Sport hat dies aber weniger etwas mit Sexyness zu tun, als vielmehr mit der eigenen Sicherheit. Um sich richtig an der Stange zu halten, muss die Haut mit der Stange Kontakt haben. Mit einer langen Hose oder einem langen Oberteil rutscht man ab. Stephi erklärt auch, dass Pole Dance wehtun kann und man sogenannte „Pole Kisses“ bekommt. Eine schöne Beschreibung für blaue Flecken und Blutergüsse. Um richtig mit dem Tanz an der Stange zu starten, wärmen wir uns mit lauter Musik auf. Nachdem alles gedehnt ist, kann die Choreografie beginnen!

Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

„Füße strecken, Füße strecken, Füße strecken!“

Wir fangen mit dem Laufen an der Stange an. Leichter gesagt als getan. Mit einer Hand an der Stange laufen wir auf Zehenspitzen um diese herum, so elegant wie möglich. Im Spiegel kann ich mich beobachten – und ich sehe eher aus wie ein Storch, der durch hohes Gras läuft. Danach zeigt Stephi uns, wie wir die Stange hinaufklettern und Posen einnehmen können. Ich merke schnell, dass ich jeden meiner Muskeln beanspruchen muss. „Pole Dance ist ein Ganzkörpertraining. Es ist anstrengend und verlangt eine sehr gute Körperspannung“, erklärt Stephi. Doch wie bei jeder Tanzart wird nicht nur auf Körperspannung geachtet, sondern auch darauf, dass das Ganze am besten grazil, mindestens aber schön aussieht. „Füße strecken, Füße strecken, Füße strecken!“ Was sich eher anhört wie eine Trainingsanweisung im Ballet, ist im Pole Dance genauso wichtig. Habt Ihr schon mal versucht, bei einem Ganzkörpertraining elegant auszusehen? Es folgen weitere Schritte an der Stange: Bodywaves und der „Fireman Spin“, das Drehen an der Stange.

Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Offenere Gesellschaft, mehr Spaß

Viele Menschen denken immer noch sexistisch über den Tanz an der Stange. In Filmen und anderen Medien werden Frauen in Stripclubs gezeigt, die Spitzenunterwäsche oder Lederdessous tragen. Dabei werden die Frauen angestarrt und ihnen werden Sprüche zugerufen, die auf offener Straße als Belästigung gelten würden. Ob die Frauen dies freiwillig machen oder auch nicht, dass der Tanz ein Sport ist, der durchaus anstrengend ist, wird dabei vergessen. „Als ich vor zehn Jahren das Studio aufmachen wollte, gab es einige Hindernisse. Damals wurde der Pole Dance noch weniger als Sportart angesehen und viele hatten Vorurteile. Wir haben an vielen Standorten angefragt, um das Pole Dance Studio zu eröffnen und wurden immer abgelehnt, bis wir nun hier das Studio am Kavalleriesand gefunden haben“, erzählt Stephi. In den letzten Jahren habe sich schon viel geändert. Mit der Aufklärung über Sexismus sei die Gesellschaft viel offener geworden. „In unseren Trainingsstunden sind ganz unterschiedliche Menschen dabei. Sowohl jüngere als auch ältere Leute tanzen an der Stange. Und auch Männer sind in unseren Kursen mit dabei“, sagt die Trainerin. In meinem Schnupperkurs sind sowohl Frauen in den Zwanzigern als auch Frauen in den Vierzigern dabei.

Neben den Schnupperkursen gibt es auch Fortgeschrittenen-Trainings in verschiedenen Abstufungen. Zusammen mit der Hochschule Darmstadt bietet „Unique Pole Art“ im aktuellen Semester auch einen Kurs im Hochschulsport an. Dieser war so beliebt, dass es einige Plätze auf der Warteliste gab und ein zweiter Kurs angeboten wurde. Auch ich habe mich für beide Kurse eingeschrieben, leider vergebens. Stephi nimmt die hohe Nachfrage nicht nur als Kompliment auf, sie zieht daraus den einzig logischen Schluss: einen Studierendenrabatt.

 

„Dem Sport eine Liebeserklärung hinterlassen“

Pole Dance soll sich bei vielen auch mental positiv auswirken. Das Selbstwertgefühl werde gestärkt – und das nicht nur wegen des Sports: „Wir machen hier nicht nur Sport, wir sind eine Community. Wir hören uns zu und sind füreinander da. Viele sind durch Pole Dance selbstbewusster geworden“, sagt Stephi lächelnd. Auch ich habe während des Kurses gemerkt, wie nett alle miteinander umgegangen sind. „Das sah richtig gut aus“, lobte mich eine andere Teilnehmerin, als ich den „Fireman Spin“ ausprobierte.

Zudem legt Stephi viel Wert auf die Einrichtung des Trainingsraumes, sie möchte eine Wohlfühlzone schaffen. Ein kleines Sofa, Pflanzen und demnächst soll es eine Wand geben, an der jede:r auf kleine Zettel schreiben kann, warum sie oder er Pole Dance liebt. „Dem Sport eine Liebeserklärung hinterlassen“, nennt Coach Stephi das.

 

Pole Dance – was gibt es zu beachten?

Beim Pole Dance ist eng anliegende, knappe Bekleidung wichtig, damit Du Dich an der Stange halten kannst und nicht abrutschst. Es reichen eine kurze Sporthose und ein Top. Bevor der Tanz dann endlich beginnen kann, muss sich zunächst gedehnt werden, um aufgewärmt ins Training zu starten. Um sich zwischendurch die Hände vom Schweiß abzuwischen, kannst Du gerne ein Handtuch in die Sporttasche stecken. So kann der Pole Dance starten!

 

Mitmachen

Im „Unique Pole Art“-Studio kannst Du neben den Schnupperkursen verschiedene „Levels“ mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden buchen. Level 1 ist für diejenigen, die gar keine Vorerfahrung haben. Bis Level 6 kannst Du Dich in allem ausprobieren. Ein Block besteht aus fünf festen Terminen à 90 Minuten. Die verschiedenen Kurse kannst Du ganz einfach auf der Website einsehen und buchen, der dortige Kalender zeigt Dir genau an, wann welche Levels angeboten worden:

poledance-darmstadt.de