Foto: Jan Ehlers Illustration: Lisa Zeißler
Foto: Jan Ehlers
Illustration: Lisa Zeißler

„Couscous und Grünkern, damit kannst du mich jagen. Ich will keinen Dinkel-Kram, ich will Schnitzel!“, war einer der ersten Sätze, die Timo Schreiner (25) mir entgegnete, als ich ihn fragte, was vegane Ernährung – also der Verzicht auf tierische Nahrungsmittel wie Fleisch, Fisch, Milch, Eier und Honig – für ihn bedeutet. Ich war nicht nur darüber, sondern auch über das reichhaltige und leckere vegane Frühstück erstaunt, zu dem ich von Timo und seiner Lebenspartnerin Eva Pelikan (34) eingeladen wurde.

Sollte das nicht anders sein? Wenig Auswahl? Nur noch anstrengende, kontrollierte Ernährung? Ich wurde schnell eines Besseren belehrt und war erstaunt über die Vielfalt, die die vegane Lebensweise bietet. So erklärten die beiden, Veganismus beschränke sich nicht nur auf die Ernährung, sondern ziehe sich durch alle Lebensbereiche. Denn ethisch motivierte Veganer verzichten soweit möglich auch auf andere Produkte, bei deren Gewinnung Tiere leiden müssen, zum Beispiel Kleidung mit Wolle, Leder und Seide. Weil das immer wieder viele Fragen aufwirft, hat sich das junge Paar etwas Praktisches überlegt: Darmstadts ersten Vegan-Guide.

Eva und Timo leben noch nicht allzu lange hier und können jetzt schon sagen: Darmstadt ist eine kleine Veganer-Hochburg, in der das Thema viel Aufmerksamkeit bekommt. Aus diesem Grund und weil es bereits prima in anderen Städten wie Frankfurt, Berlin oder Dortmund funktioniert hat, haben sich die beiden entschlossen, einen Vegan-Guide für Darmstadt zu veröffentlichen. Das Ziel ist es, Anlaufstellen mit veganen Angeboten aufzuzeigen. Ob vegane Ernährung, Kosmetik oder auch Kleidung, spielt dabei keine Rolle. Wichtig ist, dass der Guide in interaktiver Zusammenarbeit entsteht und jeder, der möchte, etwas dazu beitragen kann. „Auch wir möchten bereichert werden und Tipps von anderen erfahren“, erklärt Eva. Aus diesem Grund veranstalten sie im Oktober einen für alle Interessierten offenen Infoabend zum Thema „vegan“ (mehr dazu in der Infobox).

Deftig statt „Öko-Dinkel-Grünkern-Jesuslatschen-Firlefanz“

Neben dem Vegan-Guide ist das „Vegan Heavy Kochbuch“ ein weiteres Projekt von Timo und Eva. Es soll zu regionalen und traditionell deftigen Gerichten vegane Alternativen bieten: „Vegan bedeutet nicht, dass man den Geschmack von Fleisch nicht mag. Man isst es nur nicht“, verdeutlichte Timo schmunzelnd. Kreativität sei das Wichtigste – und so haben die beiden immer mehr Rezepte angesammelt. Timos Leidenschaft für das deftige Kochen kommt von seiner Mama, schon lange experimentiert er mit klassischen deutschen Gerichten. Dabei kann dann auch mal ein veganer Schwartenmagen rauskommen. Die üblichen veganen Kochbücher seien voll mit italienischen und indischen Gerichten oder eben „mit Öko-Dinkel-Grünkern-Jesuslatschen-Firlefanz“, erklärte Timo. Das möchten die beiden ändern und rufen ebenfalls dazu auf, aktiv am Buch mitzuwirken und Gerichte beizusteuern: „Darmstadt hat dazu die optimale Lage und viele deftige Einflüsse!“ Eva und Timo helfen auch gerne, die Lieblingsgerichte von Oma zu veganisieren. Beide Projekte, der Guide und das Kochbuch, stehen unter dem Zeichen der Vernetzung und sollen Menschen durch das Interesse am veganen Leben zusammenbringen – mit der Stadt für die Stadt.

Vegane Butter oder herkömmliche Butter?

Speziell der Infobend, zu dem übrigens auch Restaurantbesitzer und Köche herzlich eingeladen sind, schafft hierfür einen gemütlichen Rahmen, in dem bei veganen Snacks informiert wird und Anregungen ausgetauscht werden können. „Es gibt keine Frage, die ich noch nicht gehört habe“, versucht Timo, Berührungsängsten entgegenzuwirken. So erklärt er mir beispielsweise, durch was Eier in bestimmen Gerichten ersetzt werden können oder auf welche Gewürze es ankommt, um gute vegane Würstchen zuzubereiten.

Dass vegane Butter genauso gut wie herkömmliche Butter schmeckt, war ebenso interessant zu erfahren wie die Tatsache, dass bereits viele vegane Alternativen im Alltag – zum Beispiel Kosmetikprodukte, Brote, Aufstriche, Nudeln, Süßigkeiten – erhältlich sind, diese nur nicht als solche deklariert werden. Viele Gerichte in Restaurants oder auch Eisspezialitäten sind vegan, ohne dass es bekannt ist. Der Vegan-Guide soll auch hier Abhilfe schaffen und die Gastronomie dazu anhalten, vegane Gerichte sichtbarer zu kennzeichnen. Ein Umschwung ist laut Timo aber jetzt schon spürbar, da immer mehr Lokale ihre Speisenkarten aufgrund der Nachfrage umstellen würden. „Wichtig ist, dass man sich ausgewogen ernährt“, erklären beide unisono. Man könne auch vegan ungesund leben, wenn man nur Pommes esse, ergänzt Timo.

Die typischen Bedenken wie Nährstoffmangel oder anstrengende Nahrungsbeschaffung konnten beide nicht bestätigen. Ganz im Gegenteil: Ich war erstaunt, wie simpel es doch sein kann, wenn man gut informiert ist. 
Ich weiß jetzt immerhin schon mal, wie man veganen Schwartenmagen macht. Sieht exakt genauso abstoßend aus wie echter.